Wenn mir am Ende dieser Woche jemand sagen würde Also, ich stelle mir das Leben als Reporterin auf dem Lande ja ausgesprochen langweilig vor, dann haue ich. Die Woche, zumindest die erste Wochenhälfte, war sportlich, um nicht zu sagen Horror. In der kleinen Großen Kreisstadt brennt ein riesiges Einkaufszentrum, es ist über viele Stunden ein flammendes Inferno, und die rasende Provinzreporterin mittendrin für Radio, Fernsehen, Online, das geht quasi im Minutentakt, am ersten Tag bis spät in die Nacht, am nächsten morgen ab 6 Uhr früh weiter, immer weiter, immer weiter. 250 Einsatzkräfte sind vor Ort, Feuerwehren, DRK, Technisches HIlfswerk und wie sie alle heißen, und alle ehrenamtlich, wie immer. Mein Lieblingsthema, seit ich auf dem Lande lebe.

Zwischendurch rase ich mit dem Auto von hier nach da, um das Ereignisgebiet (wie die Polizei zu sagen pflegt) herum, vorbei an Durchfahrt-verboten!-Schildern und Polizeiabsperrungen. Irgendwann geht es nicht weiter, quer über die Fahrbahn liegt ein zitternder, oberschenkeldicker Schlauch, durch den das Löschwasser schießt. Wollen Sie da jetzt etwa durch? bellt ein verschwitzer Feuerwehrmann, und ich nicke, mache mich aber auf eine gerechtfertigte Standpauke gefasst. Dabei hat mir doch der Kreisbrandmeister am Telefon vorhin gesagt, ich soll hier entlang fahren, aber Naja, Sie wissen schon.

Jedenfalls brüllt der Feuerwehrmann jetzt in unbestimmte Richtung Leute! Herkommen, das Radio muß durch, und dann rennen drei weitere verschwitze Feuerwehrmänner, sie heben zu viert den dicken Schlauch an und stemmen ihn bei Drei!! wie Gewichtheber in die Luft, damit ich drunter durchfahren kann. Das ist ja cool – wie nett die sind, sagt die Praktikantin auf dem Beifahrersitz, und ich sage nur betont lässig Tja, das ist Arbeiten im Odenwald.

Dann stolpert zwischendurch auch noch ein Wolf durch die Region, nach drei Jahren mal wieder, er lässt sich sogar von Spaziergängern fotografieren und bringt die Reporterin zusätzlich in Wallung. Es kommt noch dies und das hinzu, alles furchtbar dringend, alles schnell, schnell, schnell, und am Mittwochabend fühle ich mich, als hätte ich drei Tage im Schleudergang der Waschmaschine verbracht und müsste erstmal Hirn und Herz und überhaupt den ganzen Körper auswringen und irgendwo zum Trocknen aufhängen. Man wird ja auch nicht jünger.

Am Donnerstag kommt Besuch aus Berlin, wir reden und reden, das Schleuderganggefühl bleibt, aber die Begegnung ist herrlich. Ich muß ins Biomassezentrum neben der Mülldeponie und erkläre das kurzerhand zum touristischen Highlight für Berliner Besücher im Odenwald. Eine Touristin aus Berlin!, raune ich dem Biomassezentrumsmitarbeiter zu, und gleich erklärt er ihr alles im Detail, zeigt ihr stolz dies und das, die riesigen Komposthaufen, die Terra Preta, die tiefschwarze Erde, die wir für den Gemüsegarten brauchen, die Radlader, die Bagger.

Der Freundin fällt zwischen Mittag- und Abendessen ein, dass sie für ein Kunstprojekt einen Stock braucht, einen Ast, grade und dünn muß er sein, und ein gewisse Länge muß er haben, Wo bitte soll ich denn in Berlin-Kreuzberg sowas herbekommen?, fragt sie nicht ganz unberechtigt, also holen wir einen Stock aus dem Wald vor der Haustür, nichts leichter als das. Der Odenwälder Ast fährt nun also mit der Bahn nach Berlin und wird dort zu Kunst.

Um die Schleudergangdrehzahl ein bißchen zu verringern, packe ich heute Mittag Stativ und Kamera ein und mache mich auf den Weg, ich will ein bißchen herumexperimentieren und zur Ruhe kommen mit Langzeitbelichtungen, und am Ende werde ich natürlich sensationell großartige, meditative Fotos mit heimbringen, und dann regnet und regnet es, ich bin schon nach wenigen Minuten und wenigen schnellen Kurzzeitbelichtungen klatschnass und mit den sensationellen Fotos isses Essig.

Schnell geknipst, schon nass gewesen, schöner Mist.

7 Kommentare zu “Auf dem Land, da is nix los.”

  1. Ich bin sehr traurig über den Verlust „meines“REWE. Kaufe seit ich klein bin mit meiner Mutter dort ein…Früher hieß es V-Markt, später Minimal und dann REWE. Jetzt ist alles hinweg gerafft durch die Flammen dieses Riesenfeuers…..puh…aber Gott sei dank sind keine Menschen verletzt worden….

  2. Terra Preta? Machen die dort echt Pflanzenkohle? Habe mir gerade so einen KonTiki zugelegt und planzenköhlere im Kleinen. LG Klaus

  3. Danke dass du für uns für die schönen Fotos den Regen hingenommen hast. Ich finde die Fotos wunderbar meditativ.

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