Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich heute einen Siphon abmontiert und gereinigt, aus Gründen. Urlaub zuhause, naja, Sie wissen schon. Ich schaue mir zu diesem Zwecke mehrere youtube-Videos an, die Verstopfte-Siphon-Influencer warnen, dass es sich hierbei um ein vergleichsweise ekelhaftes Unterfangen handele, und man müsse für die Arbeit im Kabuff unter der Küchenspüle eine Art Schlangenmensch sein, aber ich denke mir so Na, was soll schon passieren.

Um es kurz zu machen: Die Siphon-Influencer haben recht, es ist ein vergleichsweise extrem ekelhaftes Unterfangen, ich erspare Ihnen hier jegliche Details, außerdem habe ich jetzt blaue Flecken und Rücken. Aber das Wasser läuft wieder ab, also bitte.

Weil nun die untere Etage eindringlich nach Siphon-Modder und Kanal stinkt, müssten wir eigentlich für ein paar Stunden alle Fenster aufreißen, aber vor den Fenstern warten die Stinkwanzen nur auf diesen Moment, um dann ins Haus zu gelangen und hier ihrerseits zu stinken. Ganze Herden von Stinkwanzen sitzen da auf der Fassade vor den Fenstern, ich bilde mir ein, sie hämisch kichern zu hören, der Stein ist sonnengewärmt und irgendwann wird doch wohl irgendjemand dumm genug sein und mal die Fenster aufreißen, damit wir dann ins Haus kommen. Winterschlaf und so.

Auch hier ziehe ich natürlich das Internet zu Rate, das Problem ist in dieser Jahreszeit allseits bekannt, und die Stinkwanzen-Experten raten, am besten alle Fenster und Türen im Haus dauerhaft geschlossen zu halten, irgendsowas in der Art. Nun haben wir hier also ein echtes Gestanksdilemma, entweder es stinkt es im Haus nach Siphon-Modder und Kanal, weil wir alle Fenster zulassen, oder es stinkt nach Stinkwanzen-Gestank, weil wir alle Fenster aufreißen.

Es ist kompliziert. Fast wie im richtigen Leben.

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Nach einer kleinen großen Wanderung im benachbarten Wald komme ich zurück zum Wanderparkplatz unter Bäumen. Vorhin war er leer, jetzt steht neben meinem ollen Landauto ein schicker großer Firmenwagen, blankgeputzt und schnieke wie der Fahrer, der vor dem Auto auf und ab geht. Der ganze Wald-Parkplatz duftet nach Haargel und Aftershave, der Mann geht auf und ab und starrt auf den Boden. Wie immer in solchen etwas eigenwilligen Momenten in der Einsamkeit des Waldes tue ich so, als seien die Hunde gefährliche Bestien, ich nehme sie kurz an die Leine und zische vermeintlich furcheinflößende Kommandos. Der schicke Geschäftsmann ist unbeeindruckt, er schleicht um sein und mein Auto herum und geht auf dem großen, ansonsten völlig leeren Parkplatz aber immerhin einen Schritt zur Seite, damit ich die Hunde in den Kofferraum verfrachten kann. Ich setze mich ins Auto und aktiviere mal gleich die Zentralverriegelung, man weiß ja nie.

Als ich den Motor starte, geht auch der Mann an sein Auto, er wird mir doch hoffentlich nicht folgen?, er holt eine riesige Plastiktüte vom Beifahrersitz seines Dienstwagens, er geht wieder ein paar Schritte in meine Richtung, er starrt auf den geschotterten Grund im Schatten der riesigen Bäume, und als ich langsam losrolle, bückt er sich und fängt an, Kastanien zu sammeln.

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Am Straßenrand geht eine Frau mit einer Kehrmaschine vor ihrem Haus spazieren, still und andächtig schiebt sie das Gerät wie einen Kinderwagen vor sich her. Ich musste Kehrmaschine erstmal googlen und hatte als Suchwort Staubsauger für Gehweg eingegeben. Kehrmaschine heißt das also, handbetrieben. ohne Motor, still und andächtig werden vereinzelte Steinchen und Fussel vom Gehweg gesaugt. Atmet die Kehrmaschine das ein? Oder schleudert sie Unrat nur auf die Fahrbahn? Fragen über Fragen. Ich werde das erneut googlen müssen. Aber ich beschließe, dass mir Kehrmaschinen allemal sympathischer sind als Laubbläser, sie sind quasi die weibliche, feminine Variante des Laubbläsers. Laubbläser – das las ich neulich – sind dabei übrigens die deutscheste Form der Problemlösung: Mit viel Wind und viel Krach wird ein vermeintliches Problem erst groß aufgeblasen, dann angeblich aus der Welt geschafft. Aber nur bis zur Grenze vom Nachbargrundstück.

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Und sonst so? Nach zwölf Tagen in Frankreich noch eine Woche Urlaub zuhause. Im Odenwald. Schön da. Sollten Sie mal hinfahren. Ich war dieser Tage noch viel unterwegs, unter anderem in der Ecke Hesselbach. Sehr hübsch, ich kann das nur empfehlen. Gibt schöne Rundwege da, und ein großartiges Gasthaus. Und zum Hochzeitstag haben der Gatte und ich einen Kurztrip nach Korsika gemacht. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Altes Torwärterhaus bei Hesselbach
Grenzsteine im Dreiländereck

4 Kommentare zu “Ein Gestanksdilemma und andere Begebenheiten”

  1. Das Dilemma mit den Stinkwanzen kann ich genau so nachempfinden. Gerade vor einer Stunde wieder eine gesichtete überlistet und in die Freiheit entlassen, während an der Balkontüre schon die nächste auf Einlass gelauert hat. Ach was, dabei gibt’s jetzt so frische Morgenluft, einfach herrlich. Schwierige Entscheidungen.
    Ein Geschäftsmann auf Kastanienjagd, wenn das nicht gruselig ist! Ja, wenn man sich seltsames Benehmen nicht erklären kann, gibt es Gänsehautmomente.
    Laubbläserei an allen Ecken und Enden auch in meiner Gegend, laut, staubig und unsinnig. Früher waren da Besen und Schaufel. Geht heute gar nicht mehr.
    Liebe Grüße!

  2. Hier im Norden gibt es viel Viechzeug, doch Stinkwanzen sind mir noch nie untergekommen. Zum Glück!
    Und danke für die Kastaniensammelgeschichte und das damit verbundene Kopfkino😊!
    Lieben Gruß aus dem kleinen Dorf zwischen den Meeren
    Lydia

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