Pfingsten, das liebliche Fest, war gekommen, und mit ihm der Heilige Geist, der sich dergestalt über mir ausgießt, dass ich heute bei der morgendlichen Hunderunde übermütig-tollkühn werde. Der Waldweg, den ich inzwischen in- und auswendig kenne, bis zum Erbrechen quasi, dessen Bäume, Sträucher und Gräser am Wegesrand ich alle mit Vornamen ansprechen kann, – diesen Waldweg also gehe ich heute früh zum ersten Mal seit Menschengedenken (hier Kunstpause einfügen) – in entgegengesetzter Richtung.

Es ist geradezu unfassbar, welche neuen An- und Aussichten sich da auftun. So frisch und fremd wirkt alles, dass ich an zwei Stellen fürchte, ich hätte mich vielleicht doch verlaufen. Nein, nicht verlaufen, nur völlig neue Blickwinkel. Einmal mehr so eine Erkenntnis, die das Zeug zur allgemeinen Lebensweisheit hätte. Ich kann das also sehr empfehlen.

Am Tag davor war ich, noch in herkömmlicher Richtung, in derselben Gegend unterwegs und habe ein paar Fotos gemacht, maigrün. Falls Sie also eine weibliche Gestalt im Wald beobachtet haben, die schnaufend und fluchend mit einem unhandlichen kreisrunden und schwarz-weißen Reflektor im Unterholz herumkriecht, während am Wegesrand zwei genervte Hunde darauf warten, dass es endlich weitergeht: Das war ich. Ansonsten gehts mir aber gut, keine Sorge, danke der Nachfrage.

Für Twitter bastle ich eine Collage aus all den Bildern und breche damit sämtliche persönlichen Rekorde, was Klickzahlen und Likes angeht. Ich freue mich normalerweise über zehn, zwanzig Likes, und jetzt also das. Grünzeug im Mai geht im Internet offenbar noch besser als Bilder von süßen Katzenbabys und drolligen Hundewelpen, und ich wüsste mal gerne, was ein Soziologe dazu sagen würde. Vielleicht ahnt man das aber auch ohne universitär ausgebildete Soziologie-Expertise schon: Die Leute haben einfach keinen Bock mehr auf all den anderen Scheiß, den es täglich im Internet und anderswo zu lesen und zu sehen gibt, aus allen Teilen dieser Welt, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Soziologen würden das vermutlich irgendwie anders, wissenschaftlicher, eloquenter formulieren, ohne Kraftausdrücke, aber naja, Sie wissen schon.

https://twitter.com/Odenwaelderin/status/1662776766778208259

Auf einem Acker oberhalb des Nachbardorfes ist ein Segelflugzeug notgelandet, die hatten sich den Pfingstsonntag auch anders vorgestellt. Ist aber offenbar niemand verletzt worden, eine Art Pfingstwunder ist das vielleicht. Ich sehe das Flugzeug aus der Ferne da oben bäuchlings auf dem Feld liegen wie eine gestrandete platte Flunder mit ausgebreiteten Armen, und während ich noch darüber nachdenke, ob Flundern überhaupt Arme haben, die sie ausbreiten können, fahre ich schnell in die besagte Richtung. Zwei Gestalten stapfen neben dem Flieger durch den tiefen Ackerboden, sie danken vermutlich dem Heiligen Geist oder sonstwem, dass alles gut ausgegangen ist. Ein Mann steht am Rande des Neubaugebietes unterhalb des Feldes und ruft mir zu Alles in Ordnung, es ist schon Hilfe unterwegs!, also fahre ich wieder zurück.

Unterwegs mit zügigem Schritt: eine junge Frau, schwerer Rucksack, Iso-Matte, mitten im Dorf, Sie sehen aus, als meinten Sie es ernst, sage ich aus dem Autofenster. Ich habe ja da eine Art Mission, wenn es um Wandersleute im Odenwald geht, ich quatsche gnadenlos jeden an, der wandernd unterwegs ist, frage nach dem Woher und Wohin, gebe ungefragt Tipps und meine eigenen Wandererfahrungen zum Besten. Wie so eine aufdringliche Alte, aber naja.

Die junge Frau lacht, sie will zum Trekkingplatz hinten am Waldrand, ihre dritte Übernachtung unter freiem Himmel nach einer Wanderung quer durch den Odenwald. Die Trekkingplätze gibt es noch gar nicht lange hier, aber sie sind eingeschlagen wie die sprichwörtliche Bombe, – falls Sie also mal Lust auf eine Trekking-Tour haben, bitte sehr, (Klick!) gucken Sie mal da. Nicht, dass es nachher heißt, Sie hätten von nix gewußt. Sie müssen halt nur damit rechnen, von mir angequatscht und ausgefragt zu werden, wenn Sie hier irgendwo unterwegs sind.

7 Kommentare zu “Pfingsten, das liebliche Fest.”

  1. Katzen kann gefühlt jeder. ist ja Mal ganz nett zwischen Tür und Angel. Dein Mai ist es wert genauer hinzuschauen! Deine Bilder sind einfach richtig gut! und das wird (vielleicht) gerade honoriert. ich hab da nicht so wirklich die Ahnung von Insta, …Twitter, was da normal ist.
    Dein „Rumgekrieche im Geäst und Gestrüpp“ hat sich sehr gelohnt. Danke
    Liebe Grüße
    nina

  2. Vorsicht in Gesträuch und Gebüsch! Meine Katzen bringen derzeit sehr viele, na, sagen wir mal: Haustiere mit nach Hause. Die Zeckensaison hat hier im Bayerischen Wald relativ früh angefangen. Aber für gute Fotos muss man auch mal was riskieren. Ist eben so.

  3. Ich kann Nina nur 100% beipflichten: Das Rumgekrauche hat sich mehr als gelohnt, bravo!!
    Lenkt den Blick aufs Wesentliche, einfach zauberhaft. DANKE!

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