Ich habe die vergangenen 48 Stunden auf einer Fensterbank im ersten Stock unseres Hauses verbracht, da hinten, hinter dem Sofa, vor dem Bücherregal, press in der Ecke links. Mal prasselte der Regen gegen die Scheibe, dann wieder brannte die Sonne, aber ich stand da wie ein Fels in der Brandung, in der zitternden Hand ein Handy, und wich nicht.

Jahahahaaa, da staunen Sie, da gibt es nämlich mobilen Empfang, da kann man zur Not etwas verruckelt telefonieren, alle paar Stunden sogar die eine oder andere Mail abrufen. Es ist etwas unbequem, aber naja, Sie wissen schon. Es gab halt kein Internet, keine Telefonie, 48 Stunden lang. Hier nicht, und in etlichen Nachbarorten auch nicht. Wussten Sie, wie lang 48 Stunden werden können? Ich auch nicht.

Bei twitter kommentiert eine freundliche Followerin, ihre (vermutlich betagten) Eltern müssten das Mobiltelefon eine Armlänge aus dem Schlafzimmerfenster halten, um Empfang zu bekommen. Das klingt auch unbequem, wenngleich gymnastische Übungen in unserem Alter ja jung und elastisch halten sollen – insofern will ich mich nicht beklagen.

Und, vor allem: das Problem ist ja nun endlich gelöst. Und überhaupt soll das in Zukunft ja alles viel besser werden! Sagt dieser Tage die Bundesbauministerin. Die sieht nämlich die prallvolle Enge in den Großstädten, die drängende Wohnungsnot, die explodierenden Mieten. Die Ministerin mit dem mir bislang völlig unbekannten Namen Klara Geywitz hat nun eine eigentlich sinnvolle Idee: Städter aufs Land locken. Damit das auch funktioniert und die Städter sich auch locken lassen, muß das Eine oder Andere hier aber erstmal etwas besser werden. Jawohl. Netzausbau, ÖPNV, alles sowas halt. Meine Rede. Ich habe mich trotzdem furchtbar aufgeregt. Ich musste trotzdem beruflich nochmal meinen Senf dazugeben. (Klick!) Hier können Sie das nachlesen oder nachhören.

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In der Dunkelheit fahre ich durch den Wald, vom Städtchen rauf auf die Höhe, die Landstrasse liegt still und verlassen, nur am Straßenrand flackern plötzlich Lichter. Dunkle Gestalten mit Stirnlampen auf dem Kopf, Eimern in der Hand, Warnwesten über den Regenjacken. Sie laufen die Krötenzäune ab, bücken sich, sammeln Kröten ein und tragen sie über die Straße. Während ich an ihnen vorbeifahre, berichtet die Stimme im Autoradio irgendwas von einer Unterwasserdrohne, die einen nuklearen Tsunami auslösen könne, irgendein Staat hat das grade mal getestet. Prima!, sage ich in die Dunkelheit, im Rückspiegel verschwinden langsam die ehrenamtlichen Krötenaufsammler.

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Im Städtchen ist das alte Kino nun endgültig abgerissen worden, viele Jahre lang hatte es schon im Dornröschenschlaf gelegen. Wenn Sie ganz still sind, können Sie noch hören, wie 1954 zum ersten Mal der Vorhang langsam aufsummt im damaligen Odin-Film-Theater, wie ein kleines Orchester aufspielt zu diesem feierlichen Anlaß, bevor dann endlich auf der riesigen Leinwand der Film losgeht: Schloß Hubertus mit Marianne Koch und Friedrich Domin in den Hauptrollen. 500 Gästen bot das Kino Platz, auf 500 Kinosesseln wurde über Jahrzehnte mitgefiebert, mitgeweint, gelacht, heimlich geknutscht.

Jedesmal, wenn ich an der Baustelle vorbeikomme, denke ich an dieses Gedicht von Hermann Hesse, in dem es heißt Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, ich finde das allerdings reichlich kitschig, und außerdem passt es ja in diesem Fall auch nicht so richtig, handelt es sich beim Abriß eines Kinos doch eher zunächst mal um ein Ende, nicht um einen Anfang. Wohnt also auch einem Ende irgendein Zauber inne?

Um diese nachgeradezu philosophische Frage ein für allemal zu klären, befrage ich das Internet und erfahre auf diesem Wege auch, was andere Menschen in diesem Zusammenhang wissen wollten: Was wohnt nach Hermann Hesse im Anfang?, wird demnach häufig gefragt. Oder: In jedem Ende wohnt ein Anfang, Goethe Und natürlich: Jedem Anfang wohnt ein Ende inne.

Ich werde darüber nachdenken müssen. Jedem Anfang wohnt ein Ende inne, das kommt der Sache ja schon näher, das klingt irgendwie auch plausibel. Wieder so ein Satz, der sich zur allgemeingültigen Lebensweiheit ausbauen liesse. Aber In jedem Ende wohnt ein Anfang, Goethe! ist auch nicht schlecht.

Es geht gleich wieder, danke der Nachfrage.

Naja, Sie wissen schon.

4 Kommentare zu “Dies und Das.”

  1. Abseits dieses etwas sentimentalen Beitrags möchte ich Ihnen einen fetten Daumen hoch für Ihren Kommentar im SWR zum Thema “Städter auf´s Land” geben!

    Zum Glück war ich in einer weitestgehend internetfreien Gegend, als Frau Geywitz diesen Bolzen hinausgesteckt hat und hatte gleich wieder die Hand an der Stirn. Es ist ja nicht so, dass meinereiner nicht selbst “in der Pampa” wohnen würde und daher die Probleme kennt.

    Aber vielleicht entstehen ja dereinst neben einem attraktiven ÖPNV auch in den Städten lebenswerte und bezahlbare Wohnungegenden mit viel Grün statt kommerzieller Betonwüsten mit einer Halbwertzeit von 20 Jahren, die nur den Immobilienunternehmen, Banken und Investoren nützen.

  2. Schade um das KIno, wieder etwas Kultur weniger. Städter aufs Land ist nicht schlecht, nur dürfen dann nicht um jedes Dorf Neubaugebiete entstehen und innen ist der Ort fast unbewohnt und ohne Geschäfte.
    Und bei dem Blick aufs Land sollte nicht vergessen werden, auch der DB zu sagen, dass es nicht nur auf Städte ankommt, sondern auch die Anbindung der Kleinstädte und Dörfer an superschnelle ICEs
    notwendig ist. Alles ineinander greifend wäre eine tolle Sache. Und wenn dann noch nicht dauernd die Telefonverbindungen abbrechen oder tot sind werden die Menschen sich richtig freuen.
    Herzlichen Gruß, Roswitha

  3. Fix, ich freue mich immer über Gehörtes und Gelesenes zu stimmigen Themen: Die Wohnungsnot beschäftigt auch in meinem Umfeld und treibt seltsame Blüten, nämlich Hochhäuser, die an den Turmbau zu Babel erinnern. Auch aus meiner mir nahen Stadt sind fast alle Kinos verschwunden, an den Stadtrand gedrängt – auch der vielen Parkplätze wegen. Mir persönlich tut’s nicht weh, da ich keine Blockbuster samt Rascheltütchen mag. Kino, das echte Geschichten zeigt, kostbares Programmkino, das liebe ich allerdings umso mehr!
    Dass mir bloß aus den beschaulichen dörflichen Gegenden keine städtischen Pflaster werden, wo das “Schneller, Höher, Weiter, Mehr” ebenso Einzug erhält!
    Liebe Grüße aus Österreich, C Stern

  4. Der Abriss des ehemaligen Kinos, das den Namen “Gloria” nie verdient hatte, war kein Luxus! Die dort entstehenden Gebäude, mit Wohnungen/Tiefgarage und Büros, werden das Stadtbild in diesem Bereich positiv verändern. Trotzdem beschleichen mich historische Erinnerungen: Wo konnte man damals noch C. Zuckmeyers “Des Teufels General” oder “Titanic” sehen, Filme, die in Großstadtkinos längst abgesetzt waren: natürlich im, “Gloria” !!

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