Das Wetter wird herrlich: sonnig und klar, verspricht der Mann im Radio, besonders in den höheren Lagen verziehe sich der Morgennebel schnell. Ich weiß nicht, was der Herr unter höheren Lagen versteht, vielleicht meint er das Matterhorn oder die Zugspitze, aber wer wohnt da schon? Bei uns auf 550 Metern jedenfalls hält sich der Nebel den ganzen Tag. Scheußlich!, mault der Gatte, ich hingegen finde es herrlich. Stelle den Wecker extra eine Stunde früher also ohnehin schon, um vor der Arbeit anderthalb Stunden durch den Nebel zu waten, durch den Wald, über die Felder.

Der Nebel verschluckt alles, die Geräusche, die Aussicht, wie durch Watte geht man, die Welt bleibt draußen. Bis in der Jackentasche das Handy bimmelt, am anderen Ende ist der freundliche Bekannte mit dem Büro in der Berliner Uhlandstraße, im Hintergrund höre ich den Verkehr rauschen, ein LKW brummt, dann rast die Berliner Feuerwehr mit Martinshorn am Büro des Telefonierers vorbei, offenbar hat er das Fenster auf, frische Stadtluft ist gesund. Moment! brüllt er in die Sprechmuschel, Moment, gleich gehts wieder! Über mir krächzt laut irgendein einsamer Raubvogel, ein bißchen unheimlich klingt das. Ich höre ihn nur, kann ihn nicht sehen, und ich frage mich, wie man bei diesem Nebel überhaupt fliegen kann.

Im kleinen Städtchen beginnt mit dem Schmutzigen Donnerstag der tagelange närrische Ausnahmezustand, die Leute sind hier schier nicht zu halten. Am Freitag kommt der Ministerpräsident zu Besuch in die Region, an einem Tag also mithin, an dem sich auch die hiesige Politprominenz entweder von den feucht-fröhlichen Strapazen des Schmutzigen Donnerstags erholen muß, oder gleich munter weiterfeiert. Gerne im Huddelbätz, dem bunten Flickenkostüm, das manche zwischen Schmutzigem Donnerstag und Aschermittwoch gar nicht mehr ausziehen, angeblich. Jedenfalls muß bei der Terminfindung in der Staatskanzlei (oder wo auch immer) irgendwas schief gelaufen sein, oder man kennt sich da in Stuttgart einfach nur in Brauchtumsfragen nicht aus, wasweißdennich, anders ist das ja alles nicht zu erklären.

Ich werde dem Ministerpräsidenten aber vermutlich frisch und ausgeschlafen und gänzlich Restalkohol-frei gegenübertreten können, dienstlich, ich verweigere mich ja dem närrischen Treiben generell. Ich bin und bleibe in dieser Hinsicht eine preußische Spaßbremse, daran hat sich leider auch nach all den Jahren im Odenwald nichts geändert. Ich habe es versucht, ich bin ehrlich begeistert vom jahrhundertealten Brauchtum der fränkisch-allemannischen Faschenacht und neidisch auf das ausgelassenen Treiben, aber komme selber nicht ran, irgendwie.

Und immernoch stutze ich für einen klitzekleinen Moment, wenn in der Auslage der Bäckerei Berliner angeboten werden, Spezialberliner mit farbenfrohem Zuckerguß, oder, dieses Jahr schwer im Trend: Aperol-Berliner. Die Werbeschildchen rufen: Drei Berliner zum Preis von einem!, oder Vernasch mich, ich bin ein Berliner!. Ich zucke kurz zusammen und denke dann immer gleich an John F. Kennedy und das Schöneberger Rathaus. Preußische Spaßbremse, da kann man nix machen. Naja, Sie wissen schon.

4 Kommentare zu “Vernebelt und närrisch.”

  1. …die Sache mit den „Berlinern“ ist wirklich … Bei uns zuhause – im Nordhessischen – sagte man „Kreppel“ … mmh, was löst das für Assoziationen aus?
    Dennoch feiert schön: Fasching!

  2. Ich saach’s emool in meierer („meiner“ Sprooch. Bai unsch gaits imme noch Faschenaachtskiechli.
    Hinne Houch (momentan ohne Nebel, kann sich aber Ändern!!

  3. Wie wohltuend! Ich bin nicht allein, es gibt noch Menschen, die sich dem narrischen Treiben auch verweigern! Aufgesetzte, auf Datum abgestimmte Narretei ist nichts für mich, auch das Verkleiden findet kein Nachahmen meinerseits – aber tue jede*r, was nicht unterlassen werden kann. Solange dabei niemand zu Schaden kommt (Alkohol am Steuer und Selbstüberschätzung, …).
    Nebelige Tage und ihre „Vorteile“, da stimme ich zu, solche Stimmungen haben durchaus was. Allerdings konnte ich mich vor zwei Tagen auch wieder sehr deutlich und begeistert vom Gegenteil überzeugen, dafür war allerdings ein Ausflug nötig!
    Ich bin gerne heiter, nur halt nicht aufgesetzt und quasi fast schon angeordnet. Und mir sind auch jene Politiker*innen zuwider, die just nur an einem Bad in der Menge interessiert sind, nicht aber, was die Menschen wirklich umtreibt!

    In Wien folgt heute der Höhepunkt des Faschings, am Opernball kann man vielen Narren zusehen, in stilvoller oder weniger stilvoller Kleidung – ich werde das von meiner TV-Couch aus tun, das ist die einzige Ausnahme zum Thema Verkleidung, die ich mir antue …

    Liebe Grüße aus Oberösterreich,
    C Stern

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.