Kein Tag ohne Horizonterweiterung, pflegt die liebe Freundin zu sagen, und ich versuche immerzu, mich brav daran zu halten. Und darf Sie an den aktuellen Weihnachts- und Neujahrs-Horizonterweiterungen teilhaben lassen. Sie wissen ja, man lernt nie aus, das gilt auch und ganz besonders für Großstädter auf dem Lande.

Horizonterweiterung Nummer Eins: Weihnachtsbaum-Loben. Macht man hier so. Zumindest im Nachbardorf. Junge Männer gehen von Haus zu Haus, um in den Tagen nach Heiligabend anderer Leuts Weihnachtsbaum zu loben.

Stellen Sie sich also vor, Sie sitzen am ersten Weihnachtstag gemütlich auf dem Sofa und befassen sich mit den Geschenken des Vorabends. Es klingelt, und vor der Tür steht ein Häuflein oder auch ein Haufen junger Leute, vielleicht schon ein bisschen angeschickert, auf jeden Fall bester Laune. Die müssen Sie nun also in die gute Stube bitten, und dann loben die den Weihnachsbaum. Ach, wie schön die Kerzen brennen! oder Der ist aber hübsch geschmückt, ein wahres Prachtstück!

Für jedes Lob bekommen die Weihnachtsbaum-Lober einen (Sie ahnen es) Schnaps. Die loben und loben und trinken und trinken, und am Ende sitzen die nicht mehr auf der Couch-Garnitur, sondern sie liegen da eher, selig und zufrieden. Wie man die dann wieder hinausbugsiert, das habe ich leider nicht gefragt. Das finde ich aber auch noch raus. Ausserdem müssen die ja dann auch noch in alle anderen Häuser, dort die Bäume loben.

Neues Objektiv ausprobieren. Der Fokus sitzt nicht immer, aber schon etwas öfter als am Anfang.

Horizonterweiterung Nummer Zwei: Irgendwas mit Raunächten. Den Begriff habe ich überhaupt erst hier auf dem Lande kennengelernt, er war mir völlig fremd. In diesem Jahr scheint jeder und jede über Raunächte zu sprechen, es gibt da allerlei Traditionen, die für die Tage zwischen Heiligabend und dem 6. Januar gelten, wenn ich das richtig verstanden habe. Man soll keine Wäsche waschen und schon gar keine Wäsche auf die Leine hängen, die bösen Geister könnten sich darin verfangen und verheddern, und dann wird man sie nicht mehr los.

In Raunächten werden die Zweige geschnitten, die zur Faschenacht die Huddelbätze schwingen, und außerdem soll man/frau die Wünsche für das kommende Jahr auf Zettelchen schreiben und in den Raunächten verbrennen und damit dem Universum übergeben. Oder so. Raunächte sind hier jedenfalls grade großes Thema, will mir scheinen, man kann das alles (Klick!) hier nochmal genauer nachlesen. Ich muß das auch nochmal studieren, bevor die Raunächte zuende gehen.

Horizonterweiterung Nummer Drei: Ich habe Torsten Blum aus Adelsheim kennengelernt. Blumi. Der ist im Hauptberuf Fahrlehrer und macht nebenbei einen Podcast. Baulandperlen heißt der, und Blumi plauderte da in den ersten Folgen mit Leuten aus Adelsheim und dem Bauland, inzwischen weitet er das aus auf den gesamten Landkreis, Odenwald und Bauland. Blumi ist ein großer Fan der SWR1-Reihe Leute, und er hat mich in seinen Podcastkeller eingeladen und mich vor dem Mikro ausgefragt, eine ganz neue Erfahrung. Schließlich bin ja normalerweise ich die Fragenstellerin, diesmal also war es umgekehrt.

Ein schönes Gespräch irgendwo in einem Keller in einem Wohngebiet, irgendwo im Landkreis. Und immer wieder großartig, Leute zu treffen, die neugierig auf Menschen und Geschichten sind. Jedenfalls können Sie mal ein bißchen googlen, was der Torsten Blum so macht, bei facebook ist er natürlich auch, und ich bin ansonsten sehr auf das Ergebnis unseres Gespräches gespannt.

Die Bilder sind gestern zwischen Wagenschwend und Mülben entstanden.

Horizonterweiterung Nummer Vier: Man wünscht den Nachbarn hierzulande am 1. Januar ein Neues Jahr an. In der Vergangenheitsform: Wir haben den Nachbarn ein Neues Jahr angewunschen. Ich habe das schon mehrfach gehört, kann mir aber noch immer keinen rechten Reim darauf machen. Klingt aber schön, finden Sie nicht?

In diesem Sinne: Ich verzichte an dieser Stelle auf die üblichen selbstreferentiellen Jahresrückblicke, verschone Sie mit Zahlen, Daten, Fakten zu dem Bloggeschehen, werde weder sentimental noch moralinsauer, sondern sage einfach nur: Danke, dass Sie uns auch in diesem Jahr treu geblieben sind, Danke für die vielen Kommentare. Danke fürs Verständnis, wenn ich die meistens nicht beantworte, obwohl ich mich doch über jeden einzelnen freue. Danke fürs Verlinken und fürs Teilen der Blogbeiträge.

Also dann, gleiche Welle, gleiche Stelle: wir sehen uns im nächsten Jahr.

7 Kommentare zu “Horizonterweiterungen.”

  1. Danke für die Beiträge ich lese sie immer mit Begeisterung und lese sie auch anderen vor. Wünsche einen guten Rutsch ins neue Jahr. Liebe Grüße Maritta

  2. Zu Horizonterweiterung Nummer Zwei: Meine Uroma lebte in einem kleinen Dorf in Niedersachsen und bei ihr gab es den Brauch, niemals, wirklich NIEMALS über Silvester (d.h. vom 31.12. auf den 1.1.) Wäsche auf der Leine hängen zu haben. Das bringe Unglück im neuen Jahr. Obwohl ich meistens nicht zur abergläubischen Fraktion gehöre, treten mir Schweißperlen auf die Stirn, wenn meine Kinder am letzten Tag des Jahres feststellen, dass das Lieblings-Wäscheteil noch dringend gewaschen werden muss.

    Ihnen und Ihrem Mann ein gutes und gesundes neues Jahr und vielen Dank für Ihren wunderbaren Blog!

  3. Das mit den Raunächten ist so eine Sache, die ich als sehr beklemmend und gruselig in Erinnerung habe. Vor der Dunkelheit zuhause sein, weil die wilde Jagd unterwegs ist oder die Frau Percht. Wenn die Geister sich in aufgehängten Leintüchern verfangen, dann wird das zum Leichentuch für einen aus der Familie. Räuchern – auch in den Ställen – ist wichtig. Eine solide Info gibt es hier:
    https://www.br.de/br-fernsehen/sendungen/abendschau-der-sueden/perchten-rauhnaechte-brauchtum-100.html
    Die Geschichten mit den Wünschen, die man dem Universum übergibt, sind modernisierte Esoterik, die sich an die Raunächte anhängt. In der großen Stadt, die Sie auch kennen, gibt es dafür Kurse während der Raunächte per Zoom pro Tag eine halbe Stunde, um über die Aufgaben zu sprechen, die von der Kursleiterin gegeben wurden. Mit 129 Euronen sind Sie dabei – auch vom Odenwald aus – vielleicht nächstes Jahr :-) Einen guten Übergang und alles Gute für 2023 und auf Wiederlesen.

  4. Die Fotos sind fantastisch, ganz großes Kino und einfach wunderschön.
    Nein Danke, ich möchte keinen Schnaps.
    Guten Rutsch in ein annehmbares neues Jahr.👋

  5. Ja, geräuchert wurde auch auf dem ganzen Bauernhof. Und ein in Weihwasser getauchter Schneeball über den First geworfen. Die Obstbäume wurden besprochen (Ich mache das heute noch). Und um Mitternacht ging man, anstatt sich blödzuböllern, in den Stall und sprach mit den Tieren. Der Christbaum wurde natürlich gelobt, aber auch z.B. ein Neugeborenes oder eine Erwerbung, sei es eine Maschine oder ein Tier. Hauptsache: Schnaps.

  6. Alles Gute für das Neue Jahr, Grüße auch an die Hühner. Und den Hahn natürlich.
    Juliane

  7. Rauhnächte sind hier im Allgäu auch ein großes Thema. Was aber auch an der magisch schönen Landschaft liegt. Wenn`s so richtig stürmt ist das einfach magisch. „Die Percht reitet um`s Haus“ denk ich mir dann auch oft.
    Christbaum loben gibt’s bei uns auch – das machen aber eher die Nachbarn und wird auch sehr gerne in Firmen gemacht. So ein Christbaum im Empfang ist immer ein netter Treffpunkt.

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