Wenn der Gatte in ein Museum geht, oder in irgendeine staatliche Gemäldesammlung, dann müssen Sie sich das in etwa so vorstellen (jetzt mal aus dem Vor-Corona-Zeitalter geplaudert): Er zahlt an der Kasse einen mitunter aberwitzigen Preis (oder zückt seinen Künstlerausweis, dann gehts schon mal fer umme), eilt dann Richtung Ausstellungsräume, eilt dann durch eben jene Ausstellungsräume hindurch, ohne rechts und links zu gucken, immer weiter, immer weiter, er schiebt die Besucher zur Seite, die in Trauben und andächtig schweigend oder verhalten flüsternd vor irgendeinem ollen Ölschinken stehen, er eilt weiter, immer weiter, bis in die letzte Ecke des Museums. Bis zu dem einen Bild. Nur dessentwegen ist er gekommen, nur das will er wirklich angucken, alles andere interessiert ihn kaum.

Das kann dann schon mal eine halbe Stunde dauern, das Angucken, aber für ihn hat es den ganzen Aufwand gelohnt. Mir war diese Art des Kunstgenusses etwas, nun ja, – fremd, als wir uns kennenlernten, ich eilte ihm brav und etwas verwirrt hinterher durch allerlei Museen, aber ich habe das in der Tat inzwischen schätzen gelernt. Konzentration auf das Wesentliche undsoweiter, außerdem schützt es vor kompletter Kunstüberflutung.

Diese etwas eigenwillige Art des Museumsbesuches fiel mir heute ein, als ich im Haintal unterwegs war. Falls Sie das nicht kennen: das liegt irgendwo da bei Friedrichsdorf, in der Nähe von Eberbach, und ist ein kleiner landschaftlicher Traum. Jedenfalls hatte ich mir heute das Haintal ausgesucht, weil ich da diesen einen Baum besuchen wollte. Ich plane zugegebenermaßen meine Wanderungen auch oft so, dass ich diesen oder jenen Baum besuchen kann, das mag nun ein bisschen bescheuert klingen, ist aber so.

Eine knappe Stunde laufe ich durchs Tal, bis ich ihn endlich sehe, den Baum. Ah, da bist Du ja, sage ich ein bisschen dämlich in die Stille des Tales hinein, aber es ist ja niemand da, der mich hören könnte. Es gibt auf der gesamten Strecke durchaus auch andere Bäume, genau gesagt tausende, aber dieser Eine ist es, den ich wiedersehen will. Und er enttäuscht mich nicht, er steht so aufrecht und stolz, wie ich ihn in Erinnerung hatte, die Stürme des vergangenen Jahres haben ihm nichts anhaben können.

Ich setze mich für eine kurze Pause auf die Stämme neben dem Baum und nehme mir vor, im Sommer hier mal ein Picknick zu machen, im Schatten dieses vermutlich uralten Ungetüms. Mehr Fotos zu machen, wenn das Licht dann besser ist, die Strukturen der Rinde zu fotografieren, und diese zarten Nadeln. Vielleicht sogar irgendwo ein kleines Zweiglein abzuknipsen und es mitzunehmen, das habe ich mich heute nicht getraut.

Weil es anfängt zu regnen, verabschiede ich mich bald wieder und gehe durchs Tal und über modderige Waldwege zurück. Ich denke unterwegs darüber nach, ob Bäume wohl so was wie eine Persönlichkeit haben, und darüber, dass ich das Lied Mein Freund, der Baum seit jeher gräßlich finde. Dass ich Bäume zwar besuche, sie aber nicht im Zuge eines sauteuren Workshops für gestresste Manager umarmen würde. Es ist offenbar kompliziert.

Nach fast drei Stunden bin ich wieder am Viadukt.

Sind Baumexperten anwesend? Dann sagen Sie mir doch bitte, um was für einen Baum es sich überhaupt handelt, ich habe das noch immer nicht herausfinden können, die zahllosen zerfledderten Baumbestimmungsbücher vergangener Jahrzehnte, die dieser Haushalt bereithält, helfen leider nicht weiter. Ich baue da jetzt auf das geballte Wissen der Blogleserinnen und -leser.

8 Kommentare zu “Unterwegs.”

  1. Tja, also vor dem Pfarrhaus in Reichartshausen hatten wir mal – als Relikt eines Kirchwaldförsters, der den Pfarrersleuten was Gutes tun wollte – drei so Exemplare stehen. Die wurden allgemein als Mammutbäume bezeichnet, was im Dorf ja eigentlich zu 100 % zutreffend oder total daneben sein kann. Als wir die dann aber fällen mussten (sie hatten inzwischen das Haus um Längen überwachsen), kam tatsächlich die ganze Mammutpracht in Holz und Rinde zum Vorschein. Da das auf den Bildern genau so aussieht und meine App in der gleichen Richtung landet (sequoiadendron giganteum) nehm ich einfach mal an: das ist auch so ein Exemplar, das kurz mal aus irgendeinem amerikanischen Nationalpark entflohen ist. (die App heißt übrigens PlantNet – hat bisher gut funktioniert) Viele Grüße

    1. Das würde passen, in den Wäldern bei Eberbach gibt’s seit jeher den einen oder anderen Mammutbaum! Danke!

  2. Auch meinerseits Dank für die Aufklärung und insbesondere auch für die Bilder!
    Und: Froh zu sein, heute den Blog für den Goldenen Blogger nominiert zu haben, drücke ich sehr die Daumen!! Schönen Gruß

  3. Also, König Wilhelm I. von Württemberg liess während seiner Regierungszeit Mammutbäume aussäen/anpflanzen. Vielleicht ist das einer davon? Wobei – dieser steht ja in Baden?!

  4. Ich schließe mich dem an, vielleicht sogar etwas genauer ein Bergmamutbaum (so dicht und von der Form her)
    Wunderschön, Dein Gang, Farbe und Grau. Ach, was müssen das für arme Menschen sein, die es regelrecht verordnet bekommen, Bäume zu umarmen oder Waldbaden zu müssen.
    Hab eine schöne gutes gesundes neues Jahr (noch nachträglich gewünscht)
    Liebe Grüße
    Nina

  5. Wunder, wunderschöne Fotos! Danke fürs Teilen.Und dann dieser unnachahmliche Schreibstil, den ich so sehr liebe und schätze, er zaubert mir beim Lesen jedesmal ein Lächeln ins Gesicht.

  6. hach
    was ein prächtiges Exemplar
    ja ein Mamutbaum ..das fiel mir gleich ein bei der Betrachtung des Stammes
    der unten breiter wird .. welche Art weiß ich allerdings nicht
    ein sehr schöner Standort
    die Bilder sind alle wunderschön
    auch das alte Häuschen.. eine Mühle??
    die Nebelbilder..

    liebe Grüße
    Rosi

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