Wenn man im Wald plötzlich so einer Wildsau gegenübersteht, Aug in Auge, und die sich auch nicht bequemt, mal weiterzugehen, sondern einen regungslos anstarrt – ja, dann sehen diese Viecher ja doch nur noch halb so possierlich aus wie im Streichelzoo. Ich habe das heute früh mal wieder für Sie verifiziert. Und dabei war das gar nicht eine Wildsau da draußen im Wald, sondern gleich fünf, sie standen einfach hinter einer Kurve mittenmang uffm Weg und glotzten mich vorwurfsvoll an. Hausfriedensbruch und so, ich war ja quasi in ihr Eigenheim eingedrungen, da kann man schon mal streng gucken.

Lieselotte war just in diesem Moment an langer Leine im Unterholz, um ein Mäuschen zu jagen; die Ausrottung dieser gemeingefährlichen Spezies hat sie sich ja zum Lebensinhalt gemacht, das war mir in diesem Moment ausnahmsweise auch ganz recht. Jedenfalls wurde mir schlagartig sehr warm, trotz klirrender Kälte, so hatte die Begegnung also auch ihr Gutes. Und wir sind ja nun auch mal wieder mit dem Leben davongekommen, sonst könnte ich Ihnen die Geschichte hier ja auch nicht aufschreiben, logisch.

Ich habe dann noch diesen Hochsitz entdeckt, der in der Fachsprache vermutlich eher ein Hochstand ist, aber naja. Vielleicht könnte man auch Kanzel sagen, er steht da wie in einer Kathedrale, wie in einem Kirchenschiff, das Dach aus Ästen und Blättern, und ich nehme mir vor, da mal in jeder Jahreszeit zu fotografieren. Wenn ich ihn jemals wiederfinde, mein Orientierungssinn ist ja leider auch nur so semi, um es mal sehr vorsichtig zu umschreiben.

Jedenfalls erinnerte das Ding mich daran, dass ich neulich mal wieder bei facebook verfolgen durfte, wie sich der geballte Zorn der User über einen stinknormalen Jägersmann ergoß, es tobte ein saumäßiger wahrer Shitstorm, hunderte von Kommentaren, die dem Herrn nur das Allerallerschlechteste wünschten, unzählige Kommentatoren und Kommentatorinnen, die jegliche Kinderstube vergaßen und mit wilden Drohungen und wüsten Beschimpfungen nur so um sich warfen. Weil Jäger Rehe schießen.

Ich erinnere mich an das Telefonat mit einer Freundin, es ist Jahre her, wir tauschten die Essenpläne für die bevorstehenden Feiertage aus. Bei ihr sollte es Rinderbraten geben, sie hatte da im Supermarkt ein echtes Schnäppchen gemacht; ich für meinen Teil plante eine Rehkeule, vom befreundeten Jägersmann frisch vom Schuß. Stille in der Leitung. Dann, im Brustton des Entsetzens: Du isst Bambi? Sie war erschüttert. Ich dann aber auch, wenngleich aus anderen Gründen.

Es ist kompliziert. Aber vermutlich sind all die Kommentatoren bei facebook Vegetarier. Dann sei ihnen die Empörung gestattet. Man wünschte sich gleichwohl eine etwas bessere, nunja, wie wollen wir sagen – Debattenkultur. Aber vielleicht werde ich auch einfach nur alt. *Krückstockgefuchtel*, würde der verehrte Bloggerkollege Maximilian Buddenbohm hier jetzt vielsagend einfügen, folgen Sie bitte (Klick!) seinem Blog, der spielt zwar in der Regel mitten in der Großstadt, lohnt sich aber trotzdem unbedingt. Der Herr Buddenbohm schreibt wirklich saumäßig gut, wir müssen das an dieser Stelle nochmal so formulieren, um ein letztes Mal den Bogen zur Überschrift ganz oben zu spannen. Als literarische Finesse, sozusagen, naja, Sie wissen schon.

Die Bilder sind heute mal wieder zwischen Waldhausen und Rosshof entstanden.

Im Übrigen war heute die Putzfee da, und die zehn Minuten, die das Haus dann vorübergehend wirklich sauber ist, sind einfach herrlich. Keine Ahnung, warum mir das unter der Überschrift Saumäßig ausgerechnet jetzt einfällt. Naja, Landleben halt.

2 Kommentare zu “Saumäßig.”

  1. DANKESCHÖN! Aus tiefster Seele, für wunderbare Schneewald Fotos und so einen treffenden Text.
    Und Bambi ist kein Reh sondern ein WeißwedelHIRSCH. (sorry, dass muss da jedesmal raus)
    Um die Begegnung beneide ich Dich nicht, kenne sie nur zu gut, Starre hervorrufen.
    Da steht eine geballte Ladung Kraft und Intelligenz.
    Wünsche ein schönes Adventswochenende und liebe Grüße
    Nina

  2. Danke für diesen schönen Artikel. Ja, Bambi = Weißwedelhirsch zog durch meine Gedanken. Und auch: lieber frisch und anständig geschossenes Reh als Billigfleisch aus dem Supermarkt, in dem noch das Adrenalin wegen der Schlachthofsituation sitzt. Wild, das zu viel Adrenalin bei der Jagd ausstieß, dürfen Jäger übrigens nicht verkaufen. Man schmeckt es. Das kriegen die Hunde.

    An Wildschwein-Begegnungen erinnere ich mich auch gut. Intelligente Blicke und diese wuchtigen „Viecher“ ;-) und puh, diese Erleichterung, wenn jede Art wieder ihre eigenen Wege geht…

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