Mir sind da gestern bei Waldbrunn ein paar hübsche Fotos gelungen, die das Zeug zum Symbolfoto hätten. Alles grade ein bißchen aufgewühlt, überall. Der Himmel eine einzige Stimmungsschwankung, von jubeljauchzend bis zu Tode betrübt dauert es mitunter nur wenige Minuten, es ist fast wie im richtigen Leben. Flying high, falling low, eben noch beflügelt, um kurz drauf umso tiefer auf den Boden der Tatsachen zu krachen, naja, Sie wissen schon. Sie nehmen ja sicher auch am Weltgeschehen Anteil, also bitte.

Das mit dem Flying high, falling low habe ich heute früh gleich mal allzu wörtlich genommen. Stellen Sie sich eine wasserfest vermummte, vor sich hinträumende Frau (Vor-sich-hinträumen: ganz, ganz grober Anfängerfehler) in einem finstren Wald vor, schlammige Schotterwege, einen jagdlich motivierten Hund an einer langen Leine. Dann schicken Sie gedanklich – husch! – ein Reh über eine Lichtung und reimen sich den Rest zusammen.

Ich hänge für einen winzigen Moment vergleichsweise hoch in der Luft, der winzige Moment scheint sich zu mehreren Minuten auszudehnen, und ich denke so bei mir Oh, ich fliege! Sieht ja cool aus von hier oben! Das falling low, der Absturz also, ist dann weniger cool, etwas unelegant poltere ich auf den Schotterweg, und vor lauter Schreck vergißt Frau Lieselotte für einen Augenblick ihr jagdliches Interesse und glotzt mich vergleichsweise dümmlich an.

Danke der Nachfrage: Brille, Kamera und Handy sind unversehrt, Arme und Beine im Großen und Ganzen auch, ich rappele mich aus dem Dreck auf und bekomme erstmal einen Lachanfall. Falls Sie das also irgendwo aus der Ferne beobachtet haben sollten: Nein, ich bin keine Kandidatin für die geschlossene Anstalt, ich mache das immer so. Humor ist, wenn man trotzdem lacht.

Flying high, falling low vermutlich auch beim unerwarteten Groß-Projekt zum Wochenende. Über einen afghanischen Kollegen erreicht mich ein Hilferuf aus einem Versteck in Kabul, zunächst völlig unbedarft setze ich alle möglichen und unmöglichen Hebel in Bewegung, bekomme unzählige Tipps und Hinweise und großartige Unterstützung aus den viel gescholtenen Sozialen Netzwerken, von mir teilweise wildfremden Menschen.

Ich sortiere all die Informationen so gut es geht, der Kopf summt, ich versuche mich zu orientieren, maile in der Welt herum. Ständig spuckt das smartphone neue Nachrichten aus, es entsteht eine hektische Betriebsamkeit, Adrenalin strömt durch den Körper und fegt die Müdigkeit der vergangenen Tage weg, es ist ein eigenwilliges, sonderbares flying high.

Das kleine Dorf im Odenwald und die Millionenstadt Kabul scheinen aneinanderzurücken, das Leid und die Todesangst haben plötzlich ein Gesicht und eine Handy-Nummer. Beides landet also auf meinem Schreibtisch, auf dem abgenutzten und bekritzelten Pult, das ich vor ein paar Jahren auf dem Dachboden der früheren Wagenschwender Grundschule gefunden habe.

Zwischendurch der kleine Erholungs-Spaziergang mit der Kamera bei wildem Wolkenhimmel, und dieses Gefühl: Womit habe ich verdient, dass ich hier leben darf – und nicht in Kabul? Dass ich in Sicherheit geboren wurde und nicht in einen jahrzehntelangen Krieg hinein? Ich laufe über Stoppelfelder, knipse und bin dankbar. Weiß auch: meine Mission ist vermutlich komplett aussichtslos, ich werde nichts bewegen, niemanden retten können. Trotz der vielen Hilfen, die ich von so vielen Seiten bekomme. Zig-tausende sitzen in irgendwelchen Verstecken, fürchten die Kommandos der Taliban und warten auf die Evakuierung, lese ich im Internet. Ich habe wenig Hoffnung.

Flying high, falling low.

4 Kommentare zu “Flying High, Falling Low”

  1. Liebe Friederike,
    eine m.E. vorzüglich gelungene Integration von Sprache, Bild und Musik! Danke dafür und insbesondere inhaltlich auch für den letzten Absatz des Textes.
    Ich freue mich auf weitere Blog-Beiträge.
    Gabriela

  2. Schöne und dramatische Aufnahmen sind Ihnen da gelungen.

    Aus rein fotografischem Interesse: SInd die Farben bereits so satt auf den „Film“ gekommen oder ist das nachbearbeitet?

    In der Regel tendieren viele ältere Objektive ja zu zwar weicherer, aber auch flauerer Wiedergabe. Wobei dieser Eindruck auch als Folge unserer durch Werbung und dergleichen farbüberflutetes Umfeld entstehen kann. Da tut etwas Monochromes oder wenig Farbiges manchmal recht gut.

    1. Teilweise war es so satt, teilweise habe ich nachbearbeitet. Ich bin ja auch ein Fan von schwarzweiß, und verwendet hab ich aber eine recht moderne Kamera, eine Lumix.

      1. Danke für die Auskunft.

        Die Kamera war ja in den Exif-Daten drin (kopfklatsch) und die Lumix´ haben m.E. einen Hang zu satten Farben. Aber das Objektiv bewirkt doch noch einiges. Selber nutze ich das Canon-SLR-Regal und versuche mich jetzt an alten Optiken per Adapter. Setzt nach SW und Diafilm noch einmal ganz andere Ansprüche an einen. Andererseits mag ich das Körnige alter SW-Filme und die weichere Wiedergabe trotz der qualitativen Abstriche.

        Was die versemmelten Bilder betrifft, bin ich über die digitale Fotografie trotzdem ganz glücklich;-)

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