Eine Blogleserin hat mich auf die Kaugummiautomaten-Szene in Waldstetten aufmerksam gemacht, dort habe sie, angeregt durch dieses Blog und in aufwändiger vor-Ort-Recherche, gleich mehrere Automaten ausfindig gemacht. Sie schickte mir freundlicherweise eine Wegbeschreibung, bei deren Anblick google-maps blass vor Neid werden würde, jedenfalls habe ich die besagten Exponate sofort gefunden. In dem 600-Seelen-Dorf sind die Wege jetzt auch nicht allzu weit, aber damit wären wir schon beim vielleicht wichtigsten Aspekt der Waldstettener Kaugummiautomatensituation.

Das klitzekleine Dorf kann nämlich mit gleich drei Kaugummiautomaten aufwarten und führt dementsprechend aktuell meine Blog-interne Statistik zur Kaugummiautomaten-Dichte im Odenwald. Drei Automaten auf 600 Einwohner, das macht also ein Kaugummiautomat auf 200 Personen, die Pro-Kopf-Verteilung ist demnach bislang spitze. Ich weiß noch nicht genau, was daraus – auch soziokulturell oder historisch – zu schließen wäre, aber ich bleibe dran an dem Thema.

Ein Dank geht nach Waldstetten für die Hinweise!

Auch das Kaugummi-Produkt Friendship Jumbo Band (auf dem Foto in der Mitte) war mir neu, Waldstetten hat also auch bei der Füllung der Automaten bisher ein Alleinstellungsmerkmal.

Dieser kleine Ortsteil der Gemeinde Höpfingen ist ja überhaupt ein bißchen anders als andere Dörfer und hat schon in anderer Sache Schlagzeilen gemacht. Vor Jahren, als der Kreis erstmals mit schnellem Internet versorgt werden sollte, weigerte sich der Netzbetreiber, das etwas abgelegene Waldstetten zu versorgen. Zu weite Entfernungen, viel zu viele Erdarbeiten, zu wenig Abnehmer, so die schlichte Wirtschaftlichkeitsrechnung.

Der Kapitalismus ließ grüßen, hatte die Rechnung aber ohne die Waldstettener Bürgerinnen und Bürger gemacht. Die griffen nämlich daraufhin zu Hacke und Spaten, holten Traktor und Bagger aus den Scheunen und buddelten drauf los. Sich selber ins Internet quasi. In ihrer Freizeit, logo, und kilometerweit. Die Telekom ließ sich drauf ein und musste in die selbstgegrabenen Gräben nur noch die Leitungen hineinlegen, fertig war die Laube und Waldstetten ans www angeschlossen.

Und: Waldstetten hat also gleich drei Kaugummiautomaten. Das ist zugegebenermaßen ein bißchen geflunkert, denn aktuell sind es eher zweieinhalb, der dritte wirkt etwas, wie sollen wir sagen, verlassen. Oder zahnlos, das trifft es besser und weckt in mir gleich ein warmes solidarisches Mitgefühl. Ich war heute früh beim besten Kieferchirurgen der Welt und habe mir in stundenlanger Kleinarbeit einen Backenzahn herauspröpeln und – pfriemeln lassen, das war nicht schön, aber notwendig. Und als ich dann vorhin den verlassenen zahnlosen Kaugummiautomaten aus Höpfingen-Waldstetten in meinem Fotoarchiv sah, dachte ich so bei mir I feel you, kleiner Kaugummiautomat, mir geht es grade ähnlich, aber warte nur, bald, ganz bald, werden die Zeiten wieder besser.

Von Kaugummi- und anderen Odenwälder Automaten hatten wir es (Klick!) hier und (Klick!) hier (im unteren Teil des Beitrags) schon mal.

5 Kommentare zu “Automateneldorado”

  1. Wobei es eigentlich nur zwei sind: Die oberen beiden Bilder sind vom selben Automaten!

    1. Der an der rosafarbenen Wand ist zweimal abgebildet, dann der am Zaun, und Nummer drei ist der zahnlose.

  2. Aua! Ich habe eine Zahnarztphobie (ja, das ist wirklich ein Krankheitsbild!), warum machst du mich erst neugierig mit den Kaugummiautomaten und kommst dann mit der Zahnarztgeschichte? Sadistische Ader?
    Übrigens, „Alleinstellungsmerkmal“ ist eine der bescheuertsten deutschen Übersetzungen, die ich kenne. Ja, okay, jeder benutzt sie, aber „unique selling proposition“ bedeutet nicht mehr als hervorstechendes oder herausragendes Merkmal, das einen Kaufanreiz darstellt. Ein passendes deutsches Wort habe ich aber auch noch nicht gefunden. In deinem Artikel passt das „Alleinstellungsmerkmal“ allerdings ziemlich gut, wenn du das, wie ich hoffe, ironisch gemeint hast.

  3. Jetzt haben Sie mich angefixt.
    Werde in Zukunft mal darauf achten.
    Kaugummiautomaten !!
    Das schöne ist ja, daß die Dinger immer an den unmöglichsten Orten hängen, gerne an alten Häusern, kleinen Nebenstraßen, man könnte fast schon sagen an verwunschenen Orten.
    Es hat ja auch igendwie etwas halbseidenes, verstohlenes, wenn man als Kind nach der Droge Zucker greift. So wird die erste Abhänigkeit des Lebens befeuert. Hi Hi….
    Bei einer Wanderung haben wir uns mal verschätzt, nix dabei, keine Kneipe weil kleine Ortschaft, Kohldampf. Aber ein Kaugummiautomat war da. Und Kleingeld. Das half zwar nur kurzfristig, vor allem weil wir danach noch mehr Durst hatten, trotzdem schön. Mein erster Kaugummi nach Jahren.

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