Herr, es ist Zeit, der Sommer war sehr groß. Naja, Sie wissen schon. An den ollen Rilke und sein Herbstgedicht musste ich heute früh denken. Ich saß da am Waldrand an einer Hütte, so ganz für mich alleine. Die Sonne glitzerte durch das Laub, der laue Wind zauste die Bäume. Ich wartete auf die Landwirtsfamilie, die ihre Rinder von den Weiden zurück in den Stall holen wollte, der Sommer war sehr groß, und nun ist er eben vorbei.

Wieder ein Jahr rum, sagt der junge Landwirt. Er teilt das Jahr anders ein als ich. Und fragt sich jedesmal, wie oft er diesen Kreislauf noch erleben wird, im frühen Frühjahr Zäune richten, Rinder raus auf die Weiden, später Rinder wieder reinholen für den Winter. Wie oft sein alter Vater noch dabei sein wird. Wenn unsereiner zu Silvester nachdenklich auf das schaut, was war und was kommt, denkt er im Herbst darüber nach, was war und was sein wird. Immer dann, wenn die Rinder zurück in den Stall gehen.

Und wie ich da jedenfalls so sitze und warte und dem friedlichen Muhen und Schnaufen der Kühe zuhöre, – gefühlt stundenlang -, wie ich also da so sitze und dem Fallen der Blätter zuschaue, denke ich so bei mir Was kann es eigentlich Schöneres geben, als hier zu sitzen, den Kühen zuzuhören und den Blättern zuzuschauen? Kein Internet hier unten, keine Nachrichten, kein Horror, kein Corona. Nur ich, für mich, im Hier und Jetzt.

Wo sonst die Scheußlichkeiten der Welt ungefiltert auf mich niederprasseln, aus allen Ecken und Richtungen, fallen mir hier nur ein paar Bucheckern und goldgelbe Blätter vor die Füße, und glänzende Kastanien. Die kann ich aufheben und in den Händen hin und her drehen. Die schönsten stecke ich in die Jackentasche, die anderen werfe ich zurück ins Unterholz. Mit einem dumpfen Geräusch fallen sie auf den Boden und sind weg. Aus den Augen, aus dem Sinn.

Fast bin ich ein bißchen enttäuscht, als sich dann doch irgendwann brummend der Traktor nähert und mit ihm die Stimmen, die Rufe der Männer. Ich hätte noch ewig da sitzen wollen, fernab der Welt, fernab von allem.

3 Kommentare zu “Almabtrieb”

    1. Ich musste ein bißchen aus der Not eine Tugend machen, der Wind brüllte nämlich ins Mikrofon, dass es nicht mehr feierlich war.

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