Die Freundin mit der Bäckerei und mit um die 60 Mitarbeiterinnen hat bereits Kurzarbeit anmelden müssen, zum ersten Mal in der fast 50jährigen Unternehmengeschichte. Weil wir alle offenbar ein Volk von 80 Mio-Super-selber-Bäckern geworden sind. Ohne jeden erkennbaren Grund. Seit Jahrzehnten nur Convenience-food in sich reinstopfen, aber plötzlich einen auf Bäcker und Konditor machen. Ja, ich habe das dieser Tage schon erwähnt, und ich habe in den vergangenen Wochen auch noch selber gebacken, mit der letzten Hefe, die zu haben war. Ich habe das vollständig eingestellt und kaufe nur noch beim Bäcker im Städtchen. Solange der noch durchhält und nicht auch noch schließt. Und vielleicht kaufe ich heute noch die doppelte Menge und spende einen Teil der Backwaren an einen der Tafelläden, die derzeit auch so in Not sind. Solidarität und so, naja, Sie wissen schon.

Im Städtchen. Wittemann.

Seit Tagen mal wieder einen offiziellen Pressetermin gehabt, so richtig, face-to-face, mit echten Menschen. Ganz und gar ungewohnt fühlte sich das an, schon nach so kurzer Zeit, unglaublich. Eine etwas improvisierte Pressekonferenz unter freiem Himmel. Sicherheitsabstand einhalten, logo, sehr gewissenhaft, es war schließlich auch ein Polizeipräsident anwesend, und ein Landrat.

Pressekonferenz Modell „Corona“.

Die Polizei freut sich über die verständnisvollen Odenwälder, die sich brav an die Regeln halten, nix mit idiotischen Corona-Parties, keine Grill-Feten am Neckarufer mehr, alles gut, alles vorbildlich, ländlicher Raum halt. Auch die Direktionen selber haben natürlich krankheitsbedingt Schwund, wegen grippalen Infekten oder Quarantäne. Gleichzeitig fallen viele Arbeitsbereiche derzeit flach, die ganze Aus- und Weiterbildung, die Präventionsarbeit an Schulen und Kindergärten, die Verkehrsschule, da werden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen frei, die jetzt in den Streifendienst können. Also soweit alles noch im grünen Bereich, sagt der Polizeipräsident. Und stellt dann zum Ende der Pressekonferenz fest, nach einem Blick in die Runde, dass uns über Alters-, Berufs- und Herkunftsgrenzen hinweg derzeit doch eines eint: die völlig zerknitterten, grauen, rauen Hände. Vom vielen Händewaschen. Nervig, aber wichtig. Alle strecken sich die verschrumpelten Hände entgegen, und wir lachen, und das ist ja auch mal sehr schön so zwischendurch.

Gesehen in Waldhausen. Nee, natürlich in Heidersbach!!

Ansonsten gilt: Daheim bleiben. Oder eben im Büro bleiben in meinem Fall, da bin ich derzeit alleiner als irgendwo anders. Wir arbeiten wie die Bekloppten in den Redaktionen, wir bekommen viel Zuspruch von den Menschen an den Rundfunkgeräten und viel Lob von den Chefs. Aber auch die Mahnung, halblang zu machen. Damit wir nicht alle gleichzeitig erschöpft zusammenklappen, wenn es in den kommenden Wochen richtig ernst wird. Ich lese das, und irgendwas in der Magengrube meldet sich, und jetzt weiß ich auch nicht. Leider bringen Sorge und Anspannung wenig, also: weiter irgendwie Zuversicht üben. Und wieder mal einen oder zwei freie Tage einschieben, bevor es in den kommenden Wochen richtig ernst wird. Puh.

Altstadt Mosbach, Donnerstag.
Fels in der Brandung. In Buchen.

9 Kommentare zu “Rückzug VI”

  1. Halten wir mit dem Einkaufen genauso und nicht erst seit dem Auftreten dieses Virus.

    Wir sind froh, nach einer kurzen Zeit der Abstinenz als Genossenschaft unser „Lädle“ wieder im Ort zu haben.

    Kurze Wege und ein eher begrenzter Kreis an Kontakten, der ja auch zum Kleinhalten der Ansteckungsgefahr beiträgt, und wir wissen wenigstens, wo in gegenseitigem Nutzen das Geld bleibt.

    Schlimm genug, dass meinereiner als „systemrelevanter“ Schichtarbeiter ohne Option eines Heimbüros quasi gezwungen ist, sich dem Risiko des Ansteckens aussetzen zu müssen.

    Meines Erachtens sind die meisten Menschen nach der Hamsterwelle inzwischen auch so vernünftig und vermeiden unnötige Begegnungen. Wenn die dann auch noch auf den Trichter kommen, dass dieses „support your local dealer“ gar nicht so dumm ist, haben wir am Ende alle etwas davon.

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