Glücksbringer.

29. Juli 2019

Die gigantische fette Kröte sitzt seit Tagen in des Gatten Kunst-Halle hinterm Haus. Immer am selben Platz, kühl und schattig. Wochen zuvor war sie schon unbeholfen, aber doch irgendwie sehr zielstrebig in unserer Waschküche herumgehopst, hops, hops. Landleben halt. Das gute Tier ist potthässlich nicht eben ein Ausbund an Schönheit und graziler Anmut, um es mal vorsichtig zu formulieren, aber doch ein Glücksbringer. Sagt man so. Zumindest der Chinese sagt das so.

Ich lasse sie da sitzen. Soll sie mal schön Glück bringen. Nicht mir, danke, ich bin bestens versorgt, aber all den Menschen im Freundes- und Bekanntenkreis, denen das Pech, das Drama, die Krankheiten und der Tod derzeit das Leben schwer machen, im wahrsten Wortsinn. Aber so richtig schwer. So, dass wir, wenn das Telefon klingelt, denken Nicht schon wieder irgendwas, bitte nicht. Denen allen soll sie bitte mal Glück bringen, aber sowas von, und dalli-dalli.

Und ich beneide zwischendurch heimlich all jene, für winzige Momente, die weniger empathisch, weniger sensibel und insgesamt ein bisschen gröber gestrickt durchs Leben gehen, als ich es tue. Naja, Sie wissen schon. Hach, das wäre herrlich, wenn man so ein richtig tumber Tölpel wäre. Oder auch nicht. Es ist kompliziert.

Aber es gibt zwischendurch die Lichtblicke und die Glücksbringer und die guten Gespräche und die winzige Hilfe, die man leisten kann, mit einem Ohr, einer Umarmung, ein bisschen Zeit.

Und dann gibts ja noch die anderen Glücks-Bringer, die in regendurchnässten Klamotten am kleinen Dorfmuseum ihre Räder unterstellen, als wir noch nicht einmal das Museumscafé geöffnet haben. Aber die Damen-Toilette haben wir schon geöffnet, und die ersten Kaffeemaschinen sind auch schon durchgelaufen, und der Kuchen steht bereit. Für die existenziellen Dinge ist also gesorgt. Und die zwei jungen Mädchen erzählen, dass sie auf dem Weg nach Portugal sind, mit dem Fahrrad, da macht es ja nur Sinn, in Wagenschwend im Odenwald einen Zwischenstopp am Dorfmuseum einzulegen. Is’ klar. Naja, Sie wissen schon.

Und außerdem sind die beiden aus Berlin, aus Schöneberg. Da regt sich natürlich augenblicklich mein mütterliches Berliner Herz, und ich biete einen Schlafplatz für die Nacht an, in Geos Halle, bei der Kröte, siehe oben. So spontan sage ich das zu, dass ich nicht einmal Geo, geschweige denn die Kröte um Erlaubnis frage.

So verbringen wir den Abend zu Viert am großen Tisch, (ohne Kröte), wir essen und trinken gemeinsam und reden über Gott und die Welt, über Berufswünsche und Lebensziele, über gesellschaftlichen Druck und die Innere Stimme, über Umweltschutz und Zukunftsfragen in einer globalisierten Welt, über das Erwachsenwerden in schwierigen Zeiten. Drei Generationen sitzen da beinander, zwei Abiturientinnen, eine Halb-Alte (das bin ich) und ein bald-ganz-schön-alter Geo, und wir reden, als kennten wir uns ewig schon. Was. Für. Ein. Schöner. Abend.

Am Morgen wecke ich die beiden mit Kaffee und Keksen, mehr Frühstück gibts in diesem Hause leider nicht. Voll krass!, sagt die Eine, man hört ja echt Euren Hahn krähen, das ist ja wie auf dem Land! Ja, irgendwie so in die Richtung ist es wohl, voll krass, wie auf dem Land. Die Kröte sitzt am immergleichen Platz und glotzt und grinst.

Beim Abschied verabreden wir uns auf eine Postkarte aus Portugal, und auf den nächsten gemeinsamen Kaffee. Dann in Berlin-Schöneberg. Naja, Sie wissen schon.

  • 4 Kommentare
  • Ruth P. 30. Juli 2019

    Schön! Ich liebe solche Begegnungen. Sie gehören einfach dazu. Und falls Sie neugierig sind, wie es bei mir zugeht, ich bin die Newjerseyoma bei den instabildern. Sie wissen schon.

  • Silke Schmitt 30. Juli 2019

    …ich bin froh, dass Du kein tumber Tölpel bist…Solange es Menschen wie z.B. Dich gibt, ist noch nicht alles zu spät auf der Welt…?

  • Rosi 30. Juli 2019

    so schön und einfach kann es manchmal sein..
    leider gibt es manchmal solche Zeiten wo man einen Genickschlag nach dem anderen bekommt
    da sind Menschen gefragt die Empathie haben
    die einen in den Arm nehmen
    die zuhören
    na sie wissen schon ;)
    erschüttert hat mich heute die Nachricht vom Tod von Marie Sofie Hingst (Read on my dear,read on )

    liebe Grüße
    Rosi

  • Lydia 2. August 2019

    Was für eine schöne Begegnung!! Da haben sich die Beiden ja einiges vorgenommen, toll!
    Auch wenn es zeitweise anstrengender ist mit Empathie durch das Leben zu gehen, wünsche dir nicht ein herzloser Tölpel zu sein (auch wenn es nicht ganz ernst gemeint war). Die Zeit mit den beiden Reisenden hättest du dann nicht erlebt, da du ihre Situation gar nicht wahrgenommen hättest.
    Liebe Grüße aus dem hohen Norden
    Lydia

Vorheriger Artikel So ein Schwein.
Nächster Artikel SonnenZeit.