Zu Hilfe.

9. Juli 2019

Am Straßenrand im Dorf stand mit laufendem Motor ein riesiges Auto mit auswärtigem Kennzeichen, am Steuer eine winzige Frau. Und hintendran (also am Auto, nicht an der Frau) ein Anhänger, ganz offensichtlich voller lebender Tiere. Landpomeranzen Fachleute wie ich erkennen das direkt an der gleichmäßig durchlöcherten Hänger-Plane. Ja, da staunen Sie.

Jedenfalls stand die kleine Frau in dem riesigen Auto da herum und blickte ratlos auf ihr Handy, da hält unsereiner natürlich an und kurbelt das Fenster herunter.

Sie suchte den Kunden, der bei ihr zwar ein halbes Dutzend Legehennen bestellt, aber keine genaue Adresse angegeben hatte, nur eine Telefonnummer, und der sich nun aber tot stellte oder den Termin vergessen hatte, oder die Hühnerlieferantin hatte eine falsche Nummer notiert, oder wasweißich. Jedenfalls gurkte ich am frühesten Morgen mit dem riesigen Auto und der kleinen Frau im Schlepptau durch das halbe Dorf, die Hühner hinten piepsten vermutlich verwundert, wir hielten hier und dort und fragten diesen und jenen, ob er wohl wisse, wo die Hühner abzuliefern seien. Alles noch lange vor Acht am Morgen.

Die Frau war ratlos und genervt, und ich sah aus wie die berühmte Muhme Iffendiffen, wie eigentlich jeden Morgen um die Hunderunden-Zeit, in einer Mischung aus Schlafanzug und Hundeklamotte, ungewaschen, ungekämmt; und am Ende merkte ich, dass ich sogar den Pulli auf Links trug. Wie aus irgendeiner TV-Horror-Comedy-Serie entsprungen sah ich wohl aus. Das tat unserem gegenseitigen Einverständnis aber keinen spürbaren Abbruch, die Frau ließ sich jedenfalls nichts anmerken, wir suchten und suchten und gaben es am Ende auf.

Dass sie soviel Hilfsbereitschaft erfahren durfte, begeisterte die Frau dennoch über die Maßen, noch dazu von einer unmöglich aussehenden, ungekämmten Person mit wirrem Haar und linksgedrehtem Pulli und zwei kläffenden Kötern im Auto.

Jedenfalls bedankte sie sich überschwänglich, trotz der Erfolglosigkeit, ach, wie kann ich das jemals wieder gut machen?, fragte sie wieder und wieder, und ich behauptete, a) dass wir das auf dem Dorf hier immer so machen, weil hier alle Menschen furchtbar nett und hilfsbereit sind, und riet ihr, dass sie b) doch einfach das, was sie heute von mir erfahren habe, weitergeben möge, an den nächsten Hilfe- oder Ratsuchenden. Wir knüpfen einfach ein weltweites Band der Hilfsbereitschaft! rief ich ihr pathetisch hinterher, als sie unverrichteter Dinge mit den Hühnern auf dem Hänger zum nächsten Kunden fuhr, und nun hielt sie mich vermutlich endgültig für komplett durchgeknallt. Aber vielleicht habe ich da ja auch was ganz Großes angestoßen. Jawohl.

  • 6 Kommentare
  • Murmel 9. Juli 2019

    Genau so ist das auf dem Dorf….man hilft sich…und fühlt sich wohl dabei…??

  • Hauptschulblues 9. Juli 2019

    Auch in der Stadt geht das, wenn die Verhältnisse überschaubar sind, so wie in H,s Sackgasse mit 8 Hausnummern.

  • Ruth P. 9. Juli 2019

    Funktioniert sogar in New York City, und zwar öfter als man für möglich hält.

  • Die Schwalbe 10. Juli 2019

    Hihi – muss ganz schön drüber lachen ;) Schade, dass man nicht mehr mitkriegen kann, ob sich die weitere Suche, der guten Frau mit ihren Hühnchen, gelohnt hat.

  • Barbara Jentzsch 10. August 2019

    Brauchst Du keine Huehner?

    • LandLebenBlog 10. August 2019

      Nein, ich habe derzeit mehr als genug davon.

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