Das Füchslein.

28. April 2019

Achjeh… mit der vielzitierten Ruhe auf dem Lande ist das ja so eine Sache, man kommt zu nix, nicht mal mehr zum Bloggen. Die rasende Reporterin rast in der Gegend herum, die Privatfrau eilt mal nach Berlin, dann rasch zum Abendessen nach Köln, Freunde, Familie, alle wollen was, naja, Sie wissen schon.

Und dann wollte dieser Tage auch das kleine Füchslein was. Ich nehme an, es wollte einfach überleben. Um das Ende vorweg zu nehmen: es hat nicht funktioniert, und ich habe Rotz und Wasser geflennt. Wegen eines kleinen Fuchses. Typisch Großstädter vermutlich.

Nass und klapperdürr sitzt es an einem Morgen am Wegesrand und guckt mich aus großen Augen an. Neben dem Holzstapel, den ich vor Wochen schon als Fuchsquartier erkannt habe, in dem sich aber seit Tagen nichts mehr bewegt.

Da sitzt also eine abgemagerte Handvoll Fuchs und glotzt. So ein bisschen was weiß ich ja inzwischen, also ignoriere ich das Füchslein erstmal und inspiziere nochmal genau den Holzstapel. Ich krieche auf allen Vieren da herum, robbe bäuchlings am Holz entlang: nichts regt sich, kein Ton ist zu hören. Die Hunde sind rund um den Stapel in den vergangenen Monaten halb durchgedreht, jetzt interessiert er sie nicht mehr die Bohne.

Also trotzdem weiterlaufen und das Füchschen ignorieren. Nach zwei Stunden Hunderunde sitzt es immer noch da und guckt mich an. Ohne Murren lässt es sich aufnehmen, ab zum Tierarzt. Oh, die ist aber schon lange nicht mehr anständig versorgt worden, sagt er mit Blick auf die Waage, die gerade mal 300 Gramm anzeigt. Haut und winzige Knochen und ein viel zu großer Kopf, mehr ist das Füchslein nicht.

Also aufpäppeln und so schnell wie möglich an eine Wildtier-Auffangstation vermitteln, zu anderen verlassenen Fuchswelpen. Von solchen Stationen gibt es nicht sehr viele, also telefoniere und maile ich quer durch Deutschland, bekomme allerlei Tipps und weitere Telefonnummern, es gibt offenbar ein ganzes Fuchs-Netz da draußen, das war mir bisher unbekannt. Menschen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Wildtiere als Wildtiere zu behandeln, sie durchzubringen, aufzupäppeln und später dann auch auszuwildern.

Natürlich hätte ich das Füchslein auch liegen lassen können, Mutter Natur hat das ja irgendwie so eingerichtet, grausam, aber evolutionstechnisch nicht unbegründet, und Mutter Fuchs wird schon gewusst haben, warum sie beim Umzug in den neuen Bau das kleine Füchslein zurückgelassen hat.

Ja, ich hätte die kleine Frau Fuchs da draußen auch krepieren lassen können. Lange hätte es wohl nicht gedauert. Ein Hühnerdieb weniger. Stattdessen rafft der Winzling nochmal all seinen Lebenswillen zusammen und stapft durchs Haus, ein bisschen humpelnd und stumm. Er folgt neugierig den Hunden, stellt sich höflich der Katze vor, Emmy, Lieselotte und das Hündchen üben sich in freundlichem Desinteresse. Ich telefoniere und telefoniere und maile und maile, bis spät in die Nacht. Die abgebrühte coole Journalistin sucht verzweifelt einen Platz für einen kleinen Fuchs. Das Leben ist schon manchmal merkwürdig.

In der Nacht bellt und mault Frau Fuchs das ganze Haus zusammen, Haut und Knochen bilden einen offenbar doch gewaltigen Resonanzkörper, an Schlaf ist nicht zu denken. Die abgebrühte Journalistin legt sich auf den harten Fußboden, um dem winzigen Tier Körperwärme anzubieten, wird aber stundenlang als Klettergerüst missbraucht, rauf und runter geht es über Beine, Bauch und Kopf, dann in die Haare als Rutschbahn und wieder von vorne.

Am nächsten Tag bin ich müde, und Frau Fuchs ist es auch. Sehr müde ist sie. Zu müde zum Weiterleben. Sie würgt am Nachmittag Blut aus ihrem kleinen klapprigen Körper und schläft noch im Wartezimmer des Tierarztes auf meinem Arm ein.

Dann begraben wir sie im Garten, und ich muss Rotz und Wasser flennen. Wegen eines dämlichen kleinen Fuchses.

Ach, und nun weiß ich auch nicht.

Tschüss, kleiner Fuchs. Machs gut.
  • 23 Kommentare
  • ninakol. 28. April 2019

    Das tut mir so leid! Vielleicht ist die Mutter überfahren worden, dann hat die natürliche Milch gefehlt und es gab Probleme mit der Verdauung, wie bei vielen Wildtieren. Aber wenn einen so große Augen in diesem hilflosen Körper ansehen….
    Liebe und aufmunternde Grüße
    Nina

    • LandLebenBlog 28. April 2019

      Ich denke, sie ist umgezogen und hat das Kleine zurückgelassen.

  • Hauptschulblues 28. April 2019

    Ich kann Sie sehr gut verstehen, mich hat Ihre Geschichte nur beim Lesen sehr berührt.

  • Juliane 28. April 2019

    Ich musste jetzt auch ein bisschen weinen und bin froh, dass der kleine Fuchs bei Ihnen gelandet ist und so gut umsorgt wurde in seinen letzten Stunden.
    Wunderbare Fotos!

  • Monika “duweißtschon“ 28. April 2019

    Du Arme, da hat der Himmel jetzt ein Fuchsengelchen mehr…und die Kleine ist erlöst..fühl dich gedrückt..

  • Astridka 28. April 2019

    Jetzt heult jemand ein klein wenig mit…
    Gute Nacht!
    Astrid

  • Franziska Pilz 28. April 2019

    Das nächste Mal: Wildtierhilfe Odenwald

    • LandLebenBlog 29. April 2019

      Das war meine erste Anlaufstelle. Logo.

  • Jana Stahl 29. April 2019

    ?

  • Suesske 29. April 2019

    Verstehe ich seeeehr gut… manchmal möchte man einfach am Leben verzweifeln!
    Bin Jägerin, verbringe aber 99% meiner Zeit (und 100% Ziegenmilch meiner Ziegen) damit und dafür, wilde Zwerge aufzuziehen. Mein erster Wildling war ein 148g ” schwerer” Feldhase, den mir übereifrige Spaziergänger brachten. Keine Wildtieraufgangstation war in der Lage ihn aufzunehmen. Meine Tierärztin lachte und meinte, ich habe die beste Säuglingsnahrung im Stall ( übrigens ist Ziegenmilch seit 2012 eu-weit anerkannt als hypoallergene Säuglingsnahrung).
    Auswilderung könnte ich ihn mit über 1000g ?
    Seitdem sind einige viele Eichhörnchen, Katzenkinder und Kitze mit Ziegenmilch groß geworden- nur so als Tipp.
    Bei Fragen und mehr stehe ich gerne zur Verfügung!
    Ansonsten: weiter so!

  • Barbara 29. April 2019

    Oh ?

  • Micha 29. April 2019

    och menno!

  • Franziska 29. April 2019

    Hab grade noch so das Weinen unterdrücken können. Armes Kleines. Wenigstens war sie nicht alleine in dem Moment.

  • Michael Hahl 29. April 2019

    ❤️

  • Nico 29. April 2019

    Manchmal bleibt uns nicht mehr, als ein winzigen Wesen auf dem Weg ins Licht zu begleiten. Ihm Wärme und Nähe zu spenden, bis es an dem Ort angekommen ist, an dem es engelsgleiche Wesen übernehmen.

    Gute Reise kleine Frau Fuchs :(

  • Pingback:Stets bemüht | Buddenbohm & Söhne

  • Alexandra 30. April 2019

    Das geht mir jetzt echt ans Herz! Wie ich das kenne – diese gescheiterten Versuche, beim Überleben behilflich zu sein, die dann zur Sterbebegleitung werden. Ich heule auch jedes Mal und ich finde, das darf sein -wie verdammt richtig die Natur auch immer entschieden haben mag!

  • caterina 30. April 2019

    so klein und schon ein füchslein….. gute reise!.

  • Die Schwalbe 30. April 2019

    Das kleine Füchslein und Sie verfolgen mich schon seit geraumer Zeit, ich glaube mit Ihnen könnte ich Pferde stehlen – hihi, ich meine es aber im guten Sinne! :-)

  • Lilli 30. April 2019

    Jetzt heult hier noch jemand……
    Danke fürs Kümmern!

  • Sonja 3. Mai 2019

    Ich muss allerdings schon beim Lesen und anschauen der Bilder heulen. Wenigstens hatte das Füchschen noch eine schöne letzte Nacht und ist nicht ganz alleine in der Kälte am Holzstapel gestorben. Danke fürs Kümmern!

  • tom 6. Mai 2019

    Wie rührend. Schön dass der Fuchs die letzten Stunden nicht alleine war!! Gut gemacht.

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