Abenteuer Wetter.

28. Januar 2019

Ich finde das selber ja ein bisschen peinlich, aber für mich ist das Leben auf dem Lande auch nach all den Jahren immer noch mit allerlei Abenteuern verbunden. Und machmal fühle ich mich wie einer von den ersten Siedlern auf Roanoke Island, naja, Sie wissen schon, die Kolumbus-Roadies, vierzehn- oder fünfzehnhundertlangsam. Vor allem, wenn es Wetter gibt. Also, so richtiges Wetter, nicht so einen Regen wie in der Stadt, oder ein paar vereinzelte Schneeflocken, die sofort den Verkehr zum Erliegen bringen, weil die Städter komplett hysterisch werden, oder ein bisschen Zugluft in den Häuserfluchten. Das kann ja jeder. Nein, ich meine so richtiges, fettes Wetter. 

Heute ist so ein Wetter, wir sind fett eingeschneit, das kam sehr plötzlich. Gestern abend noch alles grün und nass, heute früh: zack! alles dick weiß. Während der Gatte rund um die Uhr schaufelt, erinnerte ich mich wieder an diesen Abend vor einem Jahr, als wir da mal mit ein paar Freundinnen schön aus Essen waren. Sagt man hier so, wenn man ins Restaurant geht. Ich schrieb damals schon darüber hier im Blog.

Wir also rein bei mildem Vorfrühlingswetter, schön gegessen, und an nichts Böses gedacht. Dann vor der Tür: tiefster sibirischer Winter. Auf der ungeräumten Bundesstraße ging gar nichts mehr. LKWs standen wimmernd und weinend mitten auf der Fahrbahn, Warnblinker blinkten rot und orange durch die Finsternis, Menschen eierten armwedelnd wie betrunkene Pinguine hin und her, vermummt und zugeschneit, durch Schneemassen, die sich meterhoch türmten. Ich schwöre, genauso war es.

Wir schaufelten also vor dem Gasthaus zu Viert das Auto frei und schlichen los, allesamt leicht angespannt und mit den Händen in die Kopfstützen der Vordersitze gekrallt, mit stierem Blick nach Vorne, durch die milchig-beschlagene Windschutzscheibe. Nicht bremsen!, riefen wir vor jeder Kreuzung der Fahrerin zu, nur runterschalten, jetzt! Laaaangsam!, und Ganz vorsichtig Gas geben!, wir alle wussten natürlich, wie man ein Fahrzeug am besten durch die Schneehölle manövriert, durch das geschlossene kniehohe Weiß, das nie zuvor ein Mensch befahren hatte, jetzt zügig weiter, immer weiter, nicht bremsen!!, konnten uns aber leider nicht auf den sinnvollsten Weg einigen.

Es sind diese Gespräche, die ich bei Wetter auf dem Land so liebe: Diskussionen über die meteorologisch-topografisch beste Wegführung, aufgeregte Dispute, die sich um Waldstücke, um Gefällstrecken und Steigungen drehen, um scharfe Kurven und Wendemöglichkeiten. Wer bei Wetter unterwegs ist, muss sich jedes Mal und je nach Lage entscheiden, mit welcher Kirche er wie um welches Dorf herumfährt, wo die Gefahr am größten, das Risiko am geringsten ist.

Fahren wir bei Wetter von Limbach direkt nach Laudenberg und Balsbach? Oder besser über Mosbach, Sattelbach und Trienz, wegen der Steigungen? Oder noch schlauer über Neckargerach? Was kümmern uns die 28 Kilometer Umweg, Hauptsache, wir überleben diese Fahrt? Welches Waldstück ist das riskanteste, wo stehen die wackligsten Bäume, und wie kommen wir am Ende um diese eklige Kurve zwischen Krumbach und Wagenschwend, Richtung Balsbach?

Wir haben die Fahrt seinerzeit hinter uns gebracht und überlebt, Sie erkennen das ja auch daran, dass ich jetzt diesen Beitrag schreibe. Obwohl wir nichtmal eine Kettensäge dabei hatten; jeder normale Odenwälder, der etwas auf sich hält, führt angeblich stets und ständig eine solche Kettensäge bei sich, man weiß ja nie. Sollte sich die Wahl des Weges von A nach B über D, F und H und Y als Fehler herausstellen und umgestürzte Bäume die Fahrbahn unpassierbar machen, hat man immernoch die Kettensäge, um sich gegebenenfalls den Weg freizusägen. Und Fußmatten und Decken, die das Anfahren am schneebedeckten Hang erleichtern, vergessen Sie die Decken und die Matten nicht!

Heute ist wieder so ein Wetter, so ein richtig fettes Wetter. Siebzehnmal musste der arme Geo rund ums Haus Schnee schaufeln, so hat er es jedenfalls berichtet, Sie dürfen gerne ein paar Mal abziehen, dann kommen wir der Wahrheit näher, es war aber vermutlich immernoch nervig genug. Rund ums Grundstück, im Hühnerauslauf, bei den Ziegen, die Garageneinfahrt, und dann alles wieder von vorne. Nun jammert und klagt er, ich weise ihn freundlich darauf hin, dass wir nun mal Winter haben. Und tröste ihn damit, dass es ja in rund drei Monaten wieder frühlingshaft wird. 

 

  • 13 Kommentare
  • Ruth P 3. Januar 2018

    Schoen! Hat mich an vieles erinnert. Ich hab in Neu England gelebt, und da wird das Spiel ‘Wie kommt man am besten/schnellsten/sichersten irgendwo hin’ auch gespielt.
    Und fuer eine ganz kurze Zeit hat mein kleiner Bruder, der jetzt im Markgraefenland wohnt, auch im Odenwald gewohnt. Eine wunderschoene Gegend. Und ich wuchs in einem kleinen Dorf auf dem Hunsrueck auf, wenn ich von meiner Kindheit erzaehle, hoert es sich an, als sei ich im Mittelalter gross geworden. Danke fuer’s Teilnehmenlassen!

    • LandLebenBlog 3. Januar 2018

      Eine Expertin also! Herzlich Willkommen!

  • Waltraud 3. Januar 2018

    Sehr schön Friederike, auch ich war beim ersten Wetter unterwegs. Von Aglasterhausen nach Laudenberg. Es war schrecklich…ja und dann noch mit dem neuen Auto…da sah man von dem Gegenverkehr nur noch die Lichter, sonst nix. In Mosbach mehr Regen als Schnee, aber dann: bin dann durch den Scheringer Wald gefahren…naja, musste doch den Allradantrieb mal testen ;-) Wunderbar, selbst die Steigung locker gemeistert. Also Friederike, denk beim nächsten Autokauf mal über n Allradantreib nach ;-) :-) Da kommst überall durch…Liebe Grüße und ein gesundes, neues Jahr Dir und Deinem GöGa….

    • LandLebenBlog 3. Januar 2018

      Ohne Allrad macht es ja aber eigentlich noch viel mehr Spaß. Ich habe ja schließlich in Berlin Autofahren gelernt, ähem.

  • pamylotta 3. Januar 2018

    Frau Burglind und ich werden glaub auch keine Freunde….. wir dürfen jetzt rund um um unser neues (ok, vielleicht schon ein bisschen in die Jahre gekommenes), aber zumindest erst neulich erstandene Haus, buddeln und ne Drainage einbringen. Ganz toll!

    Dein Beitrag hat mich dennoch höchst amüsiert… ich denk immer nur, was denken nur die ganzen Städter von uns???? Immerhin weiß ich, dass keiner wirklich mit Kettensäge durch die Gegend fährt, aber das mit den Fußmatten, das stimmt. Hab ich selbst mehr erlebt und diese haben sich als durchaus extrem nützlich erwiesen ;)

    Hab noch nen schönen Abend,
    Pamy

    • LandLebenBlog 3. Januar 2018

      Das heißt, Ihr habt Wasser im Keller? Das haben wir auch bei jedem großen Regen, so ein paar Pfützen….aber der Architekt unseres Vertrauens hat uns einst von der Drainage abgeraten, die sei nicht nötig. Keine Ahnung, uns jedenfalls macht das Wasser bisher keinen Schaden.

  • Jana Stahl 3. Januar 2018

    Am besten fährt man natürlich immer über Neckargerach, schon aus alter Verbundenheit! ?

  • Provinzei 4. Januar 2018

    Habe das Wetter im Schwarzwald erlebt, gestern.
    Herrlich! Vor allem die überforderten Touristen an der ab 1000 m verschneiten Steigung. Durchdrehende Räder bei Vollgas und keinen cm vorwärts.
    Da hilft nur nicht anhalten, zügig überholen und winken.
    Und nicht zu viel Gas geben.

  • Rosi 6. Januar 2018

    obwohl es für die Fahrer sicher nicht so amüsant ist
    musste ich doch schmunzeln ;)
    ich bin in der glücklichen Lage das Auto meist nicht zu brauchen wenn es schneit.. oder zumindest keinen Berg hinauf muss
    früher hatten wir auch Matten im Auto als es hier noch richtig Schnee gab
    und ganz früher die Spikes drauf ;)
    schöne Bilder hast du wieder gemacht

    liebe Grüße
    Rosi

  • Gudrun 28. Januar 2019

    und ich möchte trotzdem wieder in den Odenwald zurück

  • Hauptschulblues 28. Januar 2019

    H. folgt Ihrem Blog seit längerer Zeit und findet ihn wunderbar.

  • Susann Nickel 29. Januar 2019

    Hallo, bin hingerissen von Ihrem Blog! Selbst als Städter aufs Dorf gezogen und jaaa, so herrlich ist es! Endlich angekommen.
    Tipp zu Autofahrten im Schnee: In Chicago hatte ich neben einer Schaufel auch immer einen Sack Katzenstreu dabei, geht auch prima -:)
    Gruß aus Mecklenburg, Susann

  • Franziska 29. Januar 2019

    Ihre Beschreibung erinnert mich an die 80er. Wir kamen grad vom Grünenberg runter (das ist eine Erhebung im Filstal/ Schwaben, LK Göppingen) und die kleine Maschine von unserem kleinen Jeep machte Uff! und Mau! und aus war’s! Mein Vater stiefelte dann nach Gingen/ Fils, wo wieder alles ok gewesen wäre, wegen Schneeräumung und so, die liebe B10). Mutsch und ich warteten dann, bis Paps samt unserem befreundeten Hausarzt mit seinem großen Jeep zurückkamen, damit er uns rauszog. Auch, wenn es etwas urig war, eine meiner liebsten Kindheitserinnerungen.
    Was ich nicht so goutiere: Wir hatten hier in Bonn 2009/ 2010 und 2010/ 2011 ordentlich Schnee. Die Menschen hier haben es sich “weggedacht”. Weil es so dicht am Rhein ja nicht sein darf. Also erinnere nur ich mich – offenbar – an die Schneemassen, und wie mich eines frühen morgens ein Nachtschwärmer ansprach, ob alles OK sei. Das war Dezember 2009, der Schnee ging bei mir Erdnuckel bis kurz unter die Knie und es war 0500. (Damit ich meine Arbeit in Meckenheim antreten konnte. Und ja, ich war gut eingepackt und gut gefüttert. Brühe mit Grießklößchen. Das weiß ich noch so genau, weil diese Ansprache und dieser tiefe Schnee echt beeindruckend waren. Der Fahrer kam übrigens 15 Minuten zu spät. Da standen mein Lieblingskollege und noch zwei andere bereits eingefroren am Straßenrand. Shuttle Service von Zeitarbeitsfirmen ist nachdenkenswert. Und wie schnell viele vergessen, auch!)

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