Es gibt Dinge, von denen wusste ich damals, als ich noch in der Großstadt lebte, nicht einmal, daß sie existieren. Geschweige denn, wofür man sie verwenden sollte. Dinge, ohne die ein Überleben auf dem Lande aber schlechterdings unmöglich ist.

Heute: Gummistiefel. Aus Gründen. Ich trage eigentlich seit Wochen nichts anderes mehr. Ach, was sage ich: seit Monaten. Der Odenwälder Winter ist eben auch nicht mehr das, was er mal war. Also bitte. Gummistiefel. 

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Nein, in alten Berliner Zeiten wusste ich definitiv nicht, was echte Gummistiefel sind. Ich hatte wohl irgendwelche Gummi-Stiefel, die so taten, als seien sie wasserfest und praktisch, aber sie waren weder das eine noch das andere. Sie waren rot mit weißen Punkten, ließen in der ersten Pfütze gleich an vielen Stellen Wasser rein und brachten es dabei noch fertig, mir im Laufen die Strümpfe auszuziehen, bis ich gänzlich barfuß in dem nassen Schuh stand und mit dem großen Zeh an einen SockenKlumpen stieß. Ich habe sie gehasst.

Als Teenie legte ich mir dann das Modell Krabbenkutter zu, blau mit weißen Nähten, oder umgekehrt, was weiß denn ich, jedenfalls schick anzusehen, aber leider ganz genauso unbrauchbar und wenig wasserdicht. Aber was soll ich Ihnen sagen? Ich dachte, des g’hört so. Ich hatte keine Ahnung. Und, glauben Sie mir, wenn Sie in irgendeinem schicken Schuhgeschäft in irgendeiner schicken Stadt mal schicke Gummistiefel kaufen – vergessen Sie es. Sie haben keine Ahnung.

Inzwischen bin ich Expertin auf dem Gebiet der Gummistiefel, und wenn es ein einziges Kleidungsstück gibt, auf das ich nie und nimmer mehr verzichten werde, dann sind es Gummistiefel. Ich besitze derzeit fünf Paar, schwarz und grün, für alle politischen und unpolitischen Gelegenheiten. Und wenn ich, selten genug, in eine Sinn- und Lebenskrise gerate, wie sie manchmal Frauen meines Alters überfällt und die nur durch sofortige Frustkäufe in den Griff zu bekommen scheint, dann gehe ich zum Raiffeisenmarkt und erstehe: Gummistiefel.

Es gibt nichts Schöneres, als völlig unbesorgt durch Jauche, Matsche, Pampe zu marschieren, durch nasse Wiesen morgens oder durch den Hühnerstall am Abend. Was kümmern mich Kuhfladen und Hühnerkacke? Alles kein Problem, der Gummistiefel ist der heldenhafte Beowulf unter den Schuhen, er hält unter Einsatz seines Gummis alles Böse von mir fern. Verregnete Herbstwochen sind mir die liebsten, und im Winter geht es durch den schmoddergrauen Schneematsch in einem italienischen Modell mit Filz und Futter innendrin.

Auch bei dienstlichen Terminen gehe ich nie ohne, mein feinster handgemachter Edel-Kautschuk-Gummi-Schuh, Le Chameau Vierzon Jersey Ld (das nur als Hinweis für die Kenner unter Ihnen) ist bei jeder Fahrt dabei im Kofferraum, man weiß ja nie. Eben noch Empfang mit dem Ministerpräsidenten, mit Absatzschühchen undsoweiter, danach Termin bei einem Schweinehalter, oder gar ein radio-logischer Alarm, Großfeuer, Zugunglück und Hochwasser – die Frau von Welt trägt ihre Gummistiefel am besten also immer bei sich.

Mir ist, beruflich wie privat, als könne ich mit den Gummistiefeln unbeschadet durch die Ursuppe des Lebens stapfen, als könnten mir die Niederungen dieser Welt nur wenig anhaben, wenn ich nur immer meine Gummistiefel trüge. Am liebsten würde ich sie gar nie ausziehen, aber, naja, Sie wissen schon.

Dabei, so scheint es mir, genießen Gummistiefel auf dem Lande keinen guten Ruf. Man hält sie wohl für rückständig und unmodern, und außer mir will offensichtlich kaum wer wie ein Bauer aussehen.

Ich trage sie dafür umso lieber, immerzu und überall. Dass ich sie zum Schlafen ausziehe, ist gerade alles. Manchmal ziehe ich sogar extra Gummistiefel an, um Eindruck zu schinden und meine Botschaft in die Welt zu tragen. Im Raiffeisenmarkt zum Beispiel, da also, wo man einen guten Gummistiefel noch zu schätzen weiß. Ich stapfe samstags morgens in das Shopping-Eldorado für die Landfrau, habe die Stiefel vorher noch ein bißchen vollgesaut im Hühnerstall, schreite andächtig quietschend die Gänge mit den Harken und den Spaten ab wie Queen Mum die Ehrenformation, vorbei an Düngemitteln, Ferkelzangen, Einweckgläsern, und vermittle mit jedem Knarzen meiner Gummistiefelsohlen auf dem glatten Kachelboden, daß ich doch allzu gern dazugehören würde.

 

 

Dieser Text ist hier vor knapp drei Jahren schon mal erschienen, ich musste jetzt häufig an ihn denken, wettertechnisch undsoweiter. Deswegen erscheint er jetzt nochmal und dokumentiert damit auch meine ungebrochene Liebe zu Gummistiefeln. Bis dass der Tod uns scheidet, naja, Sie wissen schon. 

 

 

29 Kommentare zu “Must-haves.”

  1. Der bayerische Biobauer, grüne Bürgermeister und Landtagsabgeordnete Sepp Daxenberger wurde einst vom Landtagspräsidenten wegen seiner Kleidung in diesem hohen Hause gerügt. Er konterte mi den Worten: »Mir san die Leut’ lieber, die ausschauen, als kommen sie frisch aus dem Stall als frisch vom Versicherungsbetrug.«

    1. Oha, das werde ich den Gummistiefelgate-Betroffenen nochmal ins Stammbuch schreiben, sehr, sehr schön!

  2. hehe … sehr schön, ich habe seinerzeit das gleiche mit Bergstiefeln er- und gelebt, aber hier ist es auch so: mit lehmverkrusteten Stiefeln frisch vom Acker fâhrt hier niemand ins (nächstgrössere) Dorf (nur ich damals, ich war so stolz darauf!), man macht sich stadtfein!

    1. Na, alltagstauglich sind die alle, ich habe bei Raiffeisen keine Präferenzen. Nur bei denen, mit denen ich morgens oder abends länger laufen muß, Hunderunde undsoweiter, anderthalb Stunden unterwegs, bin ich wählerisch. Die dürfen auch etwas mehr kosten. (genaugenommen sind das die zweitteuersten Schuhe in meinem Schuhschrank überhaupt, übertroffen nur von den Winterstiefeln fürs Gelände, ähem.)

  3. Danke für diesen erfrischenden Artikel und die Hommage an den Gummistiefel. Bin gedanklich schon wieder auf dem Weg zum Raiffeisenmarkt, meiner liebsten Landfrauen-Boutique :)
    Grüße aus dem Wald aufs Land
    Heike

  4. Klasse, dein Gummistiefel bericht, den gibt es ja auch für Stadtfrauen,
    durchsichtig zum Tragen mit selbstgestrickten bunten Socken z.B.
    Oder ganz teure, da trauste dich nicht in den Matsch mit, soooo teuer,
    im Norden gesehen aus Schweden….
    Ich steh auf Raiffeisenstiefel, mein Sohn auch, der schaut aber ganz genau
    ob Feldtauglich oder nicht, ich habe 2 Paar, einmal hohe und einmal
    knöchelhoch. Aber was noch besser ist, ICH hab mir einen Regenmantel
    in Hamburg gekauft, sauteuer, aber musste sein..zu bestauenen auf meinem
    Blog und heute konnte ich ihn im badischen endlich einweihen, es regnet seit
    heute morgen, die letzten 2 Wochen hätte ich ihn gerne wenigstens mal eine
    Stunde angezogen, aber nee, nur Sonne. Äh, aber Stiefel hatte ich dazu heute
    keine an……muss sie beide erst putzen, hüstel.
    Achja, noch ein Anekdötchen von des Göttergatten Großmutter….
    Ich zog ja meinen Kindern gerne für den Dreck Gummistiefel an, Uroma
    rief immer hinter her, Mache jo dia Stiefel nid dreggig!!!! Und das auf dem
    Land, ja für WAS hat man sie denn dann??? Gott hab sie selig!

    1. Durchsichtige Gummistiefel?? Na, wers braucht…. Und den Regenmantel schaue ich mir gleich mal an, bei mir müssen (noch) Gummihose und Regenponcho ran. Und ein sündhaft teures Regencape, sehr schick, aber auch nicht wirklich wasserdicht….

  5. Hallo zusammen,
    meine Frau und ich wollten schon oft zusammen Gummistiefel-Kaufen.
    Ich denke jetzt wird es langsam Zeit, da wir jetzt einen Hund haben und da lohnt es sich schon sich welche anzuschaffen. Netter Artikel :) Liebe Grüße aus Kulmbach :) Fritzel

  6. Ich empfehle die „Hunter Tour“. Faltbar, 5 Farben, auch was für Städter dabei (-; , man kann damit blasenfrei 18km wandern und durch reißende Bäche gehen (getestet) und die Queen trägt sie auch.
    Überhaupt: Die Queen muss in einem Artikel über Gummistiefel erwähnt werden (-;

    1. Völlig richtig! Zumal die Gummistiefelliebe der Queen vermutlich genetische Gründe hat, die Familie kommt ja zu Teilen hier aus dem Odenwald.

  7. Sie können alles, aber auch alles tragen,
    aber bitte keine Kittelschürze !!
    Die starke Frau trägt heute korrekte Arbeitshosen
    mit Meterstabtasche und seitlichen Beintaschen
    sowie Hammerschlaufe.
    Gibt es inzwischen in allen Farben und Geweben.
    Also bitte !

    1. Damit würde ich aber schön auffallen hier auf dem Dorf. Ich bin eh schon die einzige, die die Wippsäge bedient, wenn ich das jetzt auch noch in Arbeitshose mit Meterstabtasche und Hammerschlaufe mache, dann ist es ganz aus.

  8. Gummistiefel … auch unter Seglern ein wertgeschätztes Schuhwerk … aber wenn die zum Einsatz kommen ist schon echtes Mistwetter. Ich gebe zu, auf Binnengewässern wird dann das Segeln eher abgebrochen als zum Gummistiefel gegrifffen, aber auf `hoher See` …

  9. Hee hallo ein sehr schöner Beitrag..früher wurden bei uns am Hof nur Gummistiefel getrage…also aus der Haustür raus und rein in Gummistiefel.
    Leider sieht man das hier am Dorf kaum noch..sind alle zu Fein für Gummistiefel tragen leider…
    Aber meine Frau trägt sie Oft bei der Gartenarbeit..oder aber auch am strand der Nordsee am liebsten bei Ebbe…Sie Besitzt 3 Paar..2x Aigle 1x Nora Antoniaund ich mag es sehr gerne wenn sie die trägt…Danke für deinen tollen Beitrag hier…

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