Ich habe am vergangenen Wochenende gefühlt zweihundert größtenteils wildfremde Menschen durch meine Küche und unser Haus gelotst, tatsächlich waren es vielleicht etwas weniger, einhundertfünfzig oder einhundertsechzig, was weiss denn ich, aber letzten Ende ist das auch egal. Das klingt jetzt nicht wirklich nach einem Beitrag für die Sendereihe Was schön war, aber es war tatsächlich schön, ich kann es selbst kaum glauben.

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Wenn der Gatte einmal im Jahr zum Offenen Atelier einlädt, dann erfordert das gewisse Vorbereitungen, das kann ich Ihnen aber flüstern. Aber, wie sagt der Chinese so treffend: Nicht über die Dunkelheit jammern, sondern ein Licht anzünden. Auf Odenwälderisch übersetzt heißt das ungefähr: nicht über mangelnde kulturelle Angebote maulen, selber welche schaffen, also bitte. Da muß man dann halt auch mal etwas tun.

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Also tagelang Küche und Wohn- und Arbeitsräume herrichten, Bilder hin- und herhängen, Skulpturen von rechts nach links und wieder nach rechts schieben, Einkäufe ranschleppen, Geschirr ausleihen, Kuchen hinstellen, Kaffeemaschinen anwerfen – und dann auf den Ansturm warten. Und dann zusehen und zuhören, wie wildfremde Leute miteinander ins Gespräch kommen, wie sich alte Freunde wiedertreffen, wie überall gequasselt und gelacht wird, sich Grüppchen zusammenfinden, dikutieren, fachsimpeln, mit und ohne Sachverstand, aber mit Kunst-Neugierde und Interesse allemal.

Nebenbei noch ein blind-date haben mit einer facebook-Bekanntschaft, der Herr Naefken kam vorbei, der hatte einen wirklich weiten Weg, will aber schließlich alle seine 600 Facebook-Freunde wirklich auch persönlich kennenlernen, also, ein Anfang ist gemacht. Und ausgesprochen nett wars auch. Und weil er so besonders früh kam, fand er im Dorf sogar noch einen Parkplatz in der Nähe unseres Hauses, das war im Lauf des Tages dann nicht immer selbstverständlich.

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Jedenfalls war das Haus an beiden Tagen dauernd krachend voll und voll mit guter Stimmung, das war tatsächlich richtig schön. Ich habe jetzt zwar lahme Arme vom Kaffee-einschenken und lahme Ohren und einen fusseligen Mund dazu, aber was macht das schon, wenn am Ende alle glücklich sind.

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Und a propos am Ende. Achtung, jetzt wird es persönlich. Genau vor einem Jahr, beim Offenen Atelier 2015, war ich selber ganz am Ende. Als die letzten Gäste damals raus waren, gab ich den vielzitierten Löffel ab, vorübergehend, für ein paar Monate. Nach 25 Jahren 24-Stunden-Dauereinsatz im Beruf, nach einem Jahr voller Unerfreulichkeiten, nach Kummer, Streß und Nerverei ging gar nichts mehr. Nichts. Einfach überhaupt nichts. Die disziplinierte Preußin ging schlichtweg in die Knie.

Nicht mal mehr die Hühner füttern konnte ich, das muß man sich mal vorstellen, ich bitte Sie. Ich ging mit den Hühnern nur noch zu Bett und stand morgens einfach nicht mehr auf. Eine Total-Erschöpfung vom Feinsten, burnout nennt man sowas gerne, klingt ja cooler als Erschöpfung, mit allem, was dazugehört. Ja, da staunen Sie. Ich staunte auch, falls ich dazu überhaupt noch in der Lage war.

Ich nahm zwangsläufig eine Pause, widerwillig, ist ja klar, Disziplin und so, aber nichts anderes war denkbar. Und ich merkte nebenbei, dass ich nicht nur den besten Ehemann, sondern auch die besten Chefs der Welt und die feinsten Kollegen ever habe. Auch eine Erkenntnis. Dafür bin ich von Herzen dankbar.

Ein paar Monate war ich weg vom Fenster. Viel gelernt habe ich seitdem. Jetzt bin ich wieder da. Ganz die Alte und hoffentlich auch eine andere. Und nicht mal so ein Offenes Atelier aus der Kategorie Nicht vergnügungssteuerpflichtig für die Gastgeber kann mir mehr etwas anhaben, na also, bitte. Nein, es war tatsächlich richtig schön, das Wochenende.

 

 

 

 

P.S. Wenn Ihnen das mit der Erschöpfung irgendwie bekannt vorkommt, dann holen Sie sich Hilfe. Verkriechen Sie sich nicht. Es gibt da draußen, ganz in Ihrer Nähe, hunderte und tausende von Menschen, denen es genauso geht oder zumindest ganz genauso ging. Sie glauben ja nicht, wieviel bekannte Gesichter ich in Wartezimmern von Fachärzten getroffen habe, haha, das war immer erst ein schöner Schreck. Und dann folgten oft ein guter Austausch, Ratschläge und hilfreiche Tipps und Ideen. Und Erschöpfung, burnout, Depression ist nichts, wofür man sich nun schämen müsste. Ich jedenfalls schäme mich nicht dafür, dass ich mir habe helfen lassen. Im Gegenteil, mir geht es so gut wie seit Jahren nicht mehr. Ich habe am Wochenende gefühlt 200 fremde Leute bei mir daheim bewirtet, eigentlich so eine Art Hausfrauen-Albtraum, also bitte. Ohne größer mit der Wimper zu zucken und mit netter Hilfe. Unfassbar, ehrlich. Aber wahr. Und schön.

 

Und die Fotos auf dieser Seite hat am Wochenende übrigens alle der Herr Fiedler gemacht, das ist auch so ein Netter, der gerade sehr erfolgreich ins Fotografen-Geschäft einsteigt, gucken Sie mal hier (klick!), da entsteht schon langsam eine schöne Website.

 

 

 

12 Kommentare zu “Was schön war.”

    1. Das hoffe ich auch sehr. Bin ja jetzt etwas flexibler in der Zeiteinteilung, also bitte, da müsste doch was klappen.

  1. Eine schöne Geschichte, die deine. Und wohl mit Happyend, was den Herrn K. und mich freut. Auf dass der Odenwald immer mal wieder leuchtet!
    Herzlichst
    Astrid

  2. Wirklich sehr schön! Und Danke für Ihren Mut zur Offenheit!

    (und nur ganz leise am Rande, eigentlich in Beipackzettelkleiner Schrift: Zu wissen: man bleibt dafür anfällig, für das zu viel machen und für die Erschöpfung; ich spreche aus Erfahrung, wie Sie wissen. Immer schön Aufpassen!)

  3. Komisch, bei dir fühle ich immer so mit wie bei kaum jemand anderem beim Lesen in der Matrix! Schön, dass es dir wieder gut geht. Und ganz mit Christjann: so solls auch bleiben!
    Sehr illuster übrigens die Stimmungseindrücke – ist ja fast eine menschliche Walze, die da an einem WE so über euer Haus ging…. also für dörfliche Verhältnisse…

  4. „Verkriechen Sie sich nicht.“
    Das habe ich in den letzten Monaten gelernt! Auch dank der offenen Texte hier.
    Vielen Dank dafür.

    „Im Gegenteil, mir geht es so gut wie seit Jahren nicht mehr.“
    Schön das zu lesen :-) und weiter so.

  5. Das ist schön zu lesen. Es gibt so viele Menschen, die auf diese Art und Weise leiden und so wenige, die darüber sprechen. Schön, dass es wieder gut geht und noch dazu so gut. So ein paar Gedanken und Gepflogenheiten müssen wir einfach aus unseren Köpfen streichen, was das optimieren und angleichen und die immerwährenden Forderungen des Alltags nach mehr, besser und schneller angeht. Aber leichter gesagt als getan… liebe grüße und nächstes Jahr auf jeden Fall dabei – ich will diesen lieben und kritischen Menschen hinter dem Facebook- Kontakt auch endlich mal kennen lernen

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