Schwarzweissblick.

30. März 2016

Ich frage mich ja bei manchen Aktionen im Netz, warum ich da nicht selber drauf gekommen bin, aber bitte, so ist es nun mal. Schwarz-Weiß-Fotografie hat seit jeher einen besonderen Reiz für mich, ich habe ja sogar schon zu analogen Zeiten fotografiert und dann selber in der Dunkelkammer entwickelt, vielleicht weiß der Eine oder die Andere von Ihnen noch, was sich hinter dem Begriff Dunkelkammer verbirgt; nur soviel sei verraten: es hat wenig mit dem zu tun, was die Engländer und Amerikaner unter Darkroom verstehen, auch wenn damit tatsächlich ursprünglich die Dunkelkammer gemeint war. Honi soit qui dark y pense. Ein Schelm, der Finstres dabei denkt.

Wie dem auch sei, damals fotografierte ich natürlich Schwarz-Weiß und hielt mich für sehr cool und fortschrittlich, seit ich aber digital-fotografisch am Busen der Natur unterwegs bin, habe ich es gerne farbig. Graues Odenwälder Wetter und Schwarz-Weiß, das ist mir meistens dann doch etwas too much für die Seele.

Aber nun gibt es also da drüben bei der freundlichen Frau Frauke die Aktion #Schwarzweißblick, die machte mich natürlich an und da mache ich nun auch mal mit. Klicken Sie sich da mal durch, es sind tolle Fotos dabei, kleine Kunstwerke, an deren Qualität ich nie und immer herankomme. Und trotzdem.

DSC_2359_1362

Da stehe ich doch heute nachmittag beim Odenwälder Autohändler meines Vertrauens ganz unverhofft vor einem alten Trabbi, fast schon festgewachsen mit dem Parkplatz, den er offenbar seit Jahren nicht verlassen hat. Beim Anblick eines Trabbis wird mir immer warm und kalt ums Herz, und irgendwie auch schwarz und weiß vor Augen, so bot sich das nun also an.

DSC_2353_1359

Trabbi klingt nach Berlin, nach Frankfurter Allee und Alexanderplatz, und heimlich habe ich auch getestet, ob die alte Kiste vielleicht auch danach riecht, nach Berlin. Was natürlich völliger Blödsinn und bloß meiner romantischen Sehnsucht geschuldet war, denn vielleicht ist dieser Vertreter hier ja aus Crimmitschau oder Zeulenroda, was weiß ich.

DSC_2344_1355

DSC_2345_1356

DSC_2343_1354

Ich erinnerte mich also heute nachmittag, tief im Odenwald, an manchen Ausflug nach Ost-Berlin, zu Herrn Eppelmann, der war damals noch Pfarrer und sollte später so eine Art Verteidigungsminister werden, jedenfalls besuchten wir als Westberliner Jugendliche manchmal da drüben seinen Gottesdienst und fuhren danach zu irgendeinem verwanzten Gemeindehaus, wo sich dann sofort jemand an das windschiefe Klavier setzte und heftig in die Tasten haute, damit die Wanzen unsere Gespräche nicht verfolgen konnten. Wir fanden das sehr aufregend und gleichzeitig auch irgendwie normal, es waren wildbewegte Zeiten, und ebenso wildbewegt erschienen mir die Fahrten mit dem Trabbi des Gemeindehelfers, der mit 80 Sachen über die brettharten Bodenwellen an jeder großen Ost-Berliner Kreuzung raste. Dann hieß es also Festhalten!, damit der Kopf nicht an die Trabbidecke knallte. Den korrekten Fachbegriff Autohimmel vergessen wir in diesem Fall.

DSC_2341_1353

DSC_2360_1363

Jedenfalls überkam mich also heute, tief im Odenwald, so eine Art Sehnsucht, nach früher, nach Berlin, nach Zweitaktergestank und nach einer Welt, die halbwegs klar gegliedert war, in Schwarz und Weiß, in Ost und West. Trabbis waren so gesehen Mist, kein Mensch wollte heute noch mit einer solchen Schachtel durch die Gegend fahren, und DDR und Kalter Krieg waren auch nicht toll, um es mal vorsichtig zu sagen, aber manchmal denke ich, es war zumindest überschaubar damals. Irgendwie berechenbar.

DSC_2339_1351

DSC_2357_1361

DSC_2367_1365

 

 

 

  • 14 Kommentare
  • Rudi 30. März 2016

    Ich weiss noch, was eine Dunkelkammer ist…
    bei mir wars das umgemodelte Badezimmer – und Ilford HP4 und HP5 mein Lieblingsmaterial…

    • LandLebenBlog 31. März 2016

      Ilford, richtig… Scheint Jahrhunderte her zu sein…

  • Dörthe 30. März 2016

    Coole Fotos, da muss ich gleich mal nach dem Hashtag schauen.
    Trabbis sind hier übrigens immer noch ein ganz normales Fortbewegungsmittel, stinkend und laut.
    Einfach unverwüstlich eben und man (Mann in den mittleren bis oberen Jahren) kann so schön alles selbst reparieren.
    Viele liebe Grüße aus dem wilden Osten, Dörthe

    • LandLebenBlog 31. März 2016

      Ehrlich, noch normales Fortbewegungsmittel? Uff, ich weiß nicht, wie ich das finden soll… Aber selber-reparieren ist natürlich ein Argument.

  • Lilli 31. März 2016

    Tolle Fotos!
    Bei mir weckt der Trabi durchaus romantisch verklärte Gefühle, da wir einen Vertreter dieser Gattung ( in “papyrusweiß”, sprich grau) als Hochzeitsgefährt genutzt haben. Das war 1992 , mein Vater hatte das mit der Wiedervereinigung sehr wörtlich genommen und mit der Freundin aus dem Osten auch deren alten Trabi übernommen und schraubte spaßeshalber ein bisschen daran rum und nutzte ihn für kurze Fahrten. Der Florist hatte großen Spaß daran, das Plastegefährt mit Blumen und Schleifen zu schmücken und wir erregten viel Aufmerksamkeit. Jeden Tag hätte ich damit aber nicht fahren wollen :-)

    • LandLebenBlog 31. März 2016

      Herrliche Idee!!!

  • Katja 31. März 2016

    Wenn ich mit dem Fahrrad in Berlin an so einer “Trabi-Safari” vorbei komme, hält sich meine Nostalgie sehr in Grenzen, vor allem aus olfaktorischen Gründen.
    Trotzdem sehr schöne Bilder, diese Patina, die Details.

    • LandLebenBlog 31. März 2016

      Verstehe ich gut, und trabbi-safaris sind mir eh sehr suspekt.

  • Ein großartiger Post, tolle Bilder – vielen Dank für’s Verlinken!
    Ab und an sehe ich auch hier im Lipperland mal einen Trabbi oder einen Wartburg, wenn er knatternd duch die Lande fährt.
    Ende Mai bin ich mal wieder in Berlin, da werde ich Ihre Idee aufgreifen und mir einen Trabbi zum fotografieren suchen, ein tolles Motiv.

    Eine schöne Zeit wünsche ich … Frauke

    • LandLebenBlog 31. März 2016

      Danke für die tolle Aktion!

  • Klara 31. März 2016

    Zwickau…meine Liebe…Zwickau.

    • LandLebenBlog 31. März 2016

      Die Frage ist ja, riechen Autos nach der Produktionsstätte oder nach der Stadt, in der sie rumgefahren sind?

  • Kerstin Lillack 31. März 2016

    Stimmt, berechenbar und überschaubar. Die Welt hatte eine Mauer. Gegen die konnte man anrennen. Wenn man lebend an sie rankam. Verstehe ich deine Sehnsucht nach Ostalgie richtig?
    Kapitalismus ist anstrengend…oder war es die Demokratie, die anstrengend ist… Sonders wenn sie sich verändert.
    Liebe Grüße
    Kerstin

    • LandLebenBlog 1. April 2016

      Nein, keinerlei Ostalgie, Gott bewahre. Der kalte Krieg war entsetzlich, und die DDR war es sicher auch. Und niemand ist froher über den Fall der Mauer als ich es bin. Aber manchmal denke ich, verklärend vielleicht: man wusste wenigstens, wo der offizielle “Feind” steht. Ost gegen West, und West gegen Ost. Ein blöder Gedanke, aber er schleicht sich manchmal ein, wenn der “Feind” plötzlich in der U-Bahn lauert oder am Flughafen, oder in einem Park, wo Frauen und Kinder Ostern feiern.

Vorheriger Artikel Bei Freunden.
Nächster Artikel Mahlzeit.