Manchmal, wenn ich im Blaumann durch den Hühnerauslauf krieche, oder auf allen Vieren Kartoffeln in die Erde setze, oder draußen im Wald Kräuter und Äste für die Hasen suche und mir dabei im Unterholz Arme und Beine zerkratze,  manchmal also halte ich dann einen Moment inne und denke:

Was um alles in der Welt mache ich hier eigentlich?

Was tue ich hier?

 

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Wo doch das wirkliche Leben angeblich woanders spielt. In meiner Heimatstadt Berlin zum Beispiel. Wo alles viel aufregender wäre, das Privatleben, und der Job ja sowieso: Journalismus in der Hauptstadt, das ist cool. Nach Feierabend Vernissagen, Previews und Konzerte. Hatte ich ja alles schon.

Und nun sitze ich aber hier in einem 360-Seelen-Nest im tiefsten Odenwald, die beste Journalistenausbildung in der Tasche und ein paar Journalistenpreise an der Wand, füttere nach Feierabend Hühner oder zerlege eine Wildschweinkeule oder gehe ins Konzert der Feuerwehrkapelle. Und vor dem Schlafengehen (mit den Hühnern, logo) gönne ich mir aber wenigstens manchmal einen digitalen Ausflug in die große weite Welt.

Na, immerhin.

 

 

Wir haben auch schon schnelles Internet.  (Aber noch nicht sehr lange.)
Wir haben auch schon schnelles Internet.
(Aber noch nicht sehr lange.)

 

Und bei einem dieser digitalen Ausflüge bin ich neulich beim Herrn Mampel auf dem Blog gelandet. Und weil es keine Zufälle gibt, fragte mich das Blog in großen Lettern: „Was treibt Dich an?“.

Huch!

 

Eine Blogparade. Und wenn Herr Mampel nun schon so direkt fragt, will ich gerne nochmal drüber nachdenken.

 

 

Was treibt mich an? Mich treibt an, was man unsereinem schon als Kind aus-treiben wollte: Die Neugierde. Ich habe schon als Kind nie verstanden, was schlecht daran sein sollte, den Dingen auf den Grund zu gehen. Genau hinzugucken. Nachzufragen. Wissen anzusammeln. Sei nicht so neugierig, hieß es dann, weil Neugier und Sensationslust verwechselt wurden.

 

 

 

Meine Neugier habe ich schließlich zum Beruf gemacht. Ich verdiene mein Geld damit, Menschen Fragen zu stellen. Mir ihre Geschichten anzuhören. Von ihrem Wissen und ihren Erfahrungen zu profitieren und zu lernen. Die Geschichte hinter der Geschichte aufzuspüren und sie im Radio weiterzuerzählen. Mein Job ist es, genau hinzuschauen und zu fragen: wieso, weshalb, warum?

 

Neugierde, öffentlich-rechtlich.
Neugierde, öffentlich-rechtlich.
Ham aber alle ihren Spaß, ganz offensichtlich.

 

 

So hat es mich irgendwann – freiwillig –  in die tiefe deutsche Provinz verschlagen. Keine Ahnung hatte ich, wer oder was oder wo überhaupt der Odenwald ist. Kühe konnte ich als Großstadtkind kaum von Pferden unterscheiden, und was eine Ferkelzange ist, wußte ich auch nicht. Und was heißt überhaupt „strukturschwache Region“, mitten im reichen deutschen Südwesten? Keinen blassen Schimmer.

Aber ich war neugierig. Neugierig auf ein Leben, das ich mir bis dato im Traum nicht vorstellen konnte. Neugierig auf Menschen, die vielleicht ganz anders sein würden als alle, die ich bisher kannte. Neugierig auf die Themen, die hier an der Tagesordnung sind.

 

 

Wir haben auf diesem Bild jede Menge Themen versteckt. Findest Du sie?
Wir haben auf diesem Bild jede Menge Themen versteckt.
Findest Du sie?

 

Das treibt mich bis heute an. Die Neugier und der Wunsch, die Geschichten weiterzuerzählen. Geschichten vom Land in meinem Fall. Verbindungen zu schaffen. Zwischen denen hier in der „strukturschwachen Provinz“ und denen in der Stadt zum Beispiel. Verständnis wachsen zu lassen. Aufzuklären, was sonst un-klar bliebe. Für Durch-Blicke zu sorgen. Im Klitzekleinen das große Ganze beleuchten.

Ein großes Ziel,  – eines, das vermutlich nie erreicht werden wird. Und eines, das einen immer wieder in die Rolle des Zaungastes drängt. Aber vermutlich ist das bei Journalisten einfach so. Das geht dem Korrespondenten in Berlin nicht anders als dem in Kabul oder dem im Odenwald.

 

 

Klammer auf:

Leider kann ich Neugierde und Wissensdrang auch privat nicht abstellen. Der Bücherschrank ächzt unter Hühner-Hasen-Hunde-Katzenfachliteratur und SelbstversorgerRatgebern, und in den Wald gehe ich täglich und  nie ohne Bestimmungsbüchlein. Außerdem sprenge ich jede Odenwälder Familienfeier mit meiner blödsinnigen Fragerei. Irgendwann unterhalten sich die Leute nicht mehr miteinander, sondern sitzen vor ihren prall gefüllten Kuchentellern und antworten nur noch auf meine Fragen, talkshowmäßig. Mit Dir kommt man ja überhaupt nicht zum Essen, beklagte sich jüngst eine Bekannte. Aber ich arbeite dran, versprochen.

Klammer zu.

 

 

In was für einer Welt wollt Ihr leben?, fragt der Herr Mampel noch. In einer Welt, in der die Menschen mehr fragen. Mehr wissen wollen. Sich für die Geschichte ihres Gegenübers interessieren. Sich nicht von Vor-Urteilen leiten lassen, sondern von der Neugierde auf den Anderen. Nicht über – sondern mit den Menschen reden. Klingt alles ziemlich einfach, scheint aber äußerst kompliziert zu sein. Nicht nur hier, in der vermeintlichen Provinz.

 

wildenburg18

 

In diesem Sinne hoffe ich (um Herrn Mampels letzte BlogparadenFrage zu beantworten), daß die Nachfolgenden sich eines schönen Tages (wenn ich dann den Hühnerauslauf von unten betrachte) so an mich erinnern:

 

Das war doch die, die immer so neugierig war. Die immer alles wissen wollte. Die, die immer so kariert gefragt hat. Die Großstadtfrau, die die fleißigsten Hühner im Dorf hatte, und den schönsten Hahn. Und die, die anfangs Kuh von Pferd nicht unterscheiden konnte und am Ende sogar wusste, was eine Ferkelzange ist.

 

 

 

 

 

 

Hier gehts nochmal zu Herrn Mampels Blogparadenaufruf. In der Kommentarspalte findet man die Links zu den anderen Paraden-Beiträgen.

 

 

 

 

18 Kommentare zu “Was treibt mich an?”

  1. „kariert fragen“ – was für eine schöne Formulierung!

    Im Muster, nie in uni-farben und mit Struktur fragen: Strukturen erkennen darum geht es. Es macht mich irgendwie zufrieden und glücklich zu erkennen, was hinter Dingen steht – und warum sie so funktionieren, wie sie funktionieren. Deine Neugier kann ich sehr gut verstehen. :)

    1. Das freut mich! Leider fragt ja heutzutage kaum noch jemand, hab ich immer das Gefühl. Ich denke das immer nach irgendwelchen geselligen events : ich kenne hinterher die halbe Lebensgeschichte nahezu aller Anwesenden, und die haben umgekehrt nicht mal nach meinem Namen gefragt. :-/
      Aber vielleicht frage ich auch so viel, dass die gar nicht dazu kommen…

  2. Liebe Friederike, ich lese nun schon eine Weile mit großer Freude Dein Blog mit und heute will ich endlich auch mal einen Kommentar hinterlassen. Vieles von dem, was Du hier geschrieben hast, hätte ich so oder sehr ähnlich auch schreiben können. Auch ich bin als geborenes Stadtkind (Berlin und von da aus weitere Städte), auf’s platte Land gezogen (Mecklenburg) und ich merke immer wieder beim Lesen Deiner Einträge, wie ich nickend da sitze, weil ich so oder ähnlich auch erlebe. Du hast sogar eine Idee, mit der ich schon länger „schwanger gehe“ schon umgesetzt, nämlich die tollen Interviews mit den Menschen um Dich herum. Da hast Du mir die gelernte Journalistin voraus, weil Du Dich traust nicht nur die Fragen zu stellen, sondern das ganze auch in Blog-Einträge zu verwandeln und zu posten. Ich würde mich noch trauen mit Menschen aus meiner Umgebung ins Gespräch zu kommen, aber (bisher zumindest) ich traue mich nicht, sie zu fragen, ob ich daraus Einträge für mein Blog machen darf. Hier hat kaum jemand was mit PCs geschweige denn dem Internet am Hut und wenn sie was über’s Internet wissen, dann, dass es „böse“ ist. Da wollen sie natürlich auf keinen Fall rein. Tja, und dann komm ich daher und will das Gespräch/Interview mit ihnen ins Internet stellen? Oha! Tja, so gehe ich weiter schwanger mit der Idee und überlege immer wieder, wie es vielleicht doch gehen könnte. Bisher allerdings nicht sehr erfolgreich. Als ich dann sah, dass Du es machst, war ich natürlich wieder sehr begeistert und diese Reihe lese ich hier im Blog besonders gerne. Vielen Dank also für diese Reihe und überhaupt für alles Berichten von deinem Leben auf dem Land!

    1. Vielen Dank für diese Rückmeldung! hmmm, würde mich eigentlich wundern, wenn Leute da nicht mitmachen wollen, eigentlich sind doch immer alle ganz begeistert, wenn über sie berichtet wird. Das ist jedenfalls meine Erfahrungen auch als Journalistin. ich mache für die Menschen-Reihe auch keine echten Interviews, sondern hab zwei Fragebögen, einen für Ureinwohner, einen für Zugereiste, die hab ich breit gestreut, und viele hatten Lust, die tatsächlich auszufüllen. Geändert hab ich dann an den antworten nichts. Könnte es so nicht vielleicht klappen?

      P.s. Sehr schönes Blog übrigens, dein charmingquark! Wieso kannte ich das noch nicht??

      1. Das ist ja eine geniale Idee, mit den breitgestreuten Fragebögen! So rückt man den Menschen nicht gleich so auf die Pelle und lässt ihnen den Freiraum, selbst zu entscheiden, ob sie mitmachen wollen oder nicht! Klasse! Ich werde mal überlegen, ob es so evtl. zu bewerkstelligen wäre!

        Danke für das positive Feedback zu meinem Blog. Freut mich sehr, dass es Dir gefällt. :)

  3. „Mich treibt an, was man unsereinem schon als Kind aus-treiben wollte: Die Neugierde.“ – so wunderbar, wenn Kinder nicht verbogen werden und sich als „Große“ diese Neugierde erhalten – und damit auch die Begeisterung für kleine Dinge, die um uns herum passieren! Ein toller Beitrag!

  4. Das ist schon eine spannende Antriebsmischung aus Neugier, intrinsischer Motivation, Philanthropie und noch ein paar Kräutern und doch auch dem Wunsch zum Rückzug. Nachvollziehbar – sowas von.

  5. Mensch Friederike, wie immer ein wunderbarer Post – tja, die Neugierde aufs Leben – die ist einfach lebensnotwendig – die formt und lässt Menschen ihr Leben lang lebendig sein!!!
    Übrigens über Deinen Hühnerpost mit den Eiern an einem „Lost Place“ habe ich ja mal herzlich lachen müssen.
    HG sendet Dir
    Birgit

  6. Bin vorhin gerade von meiner frühmorgendlichen Joggingrunde zurückgekommen und habe jetzt Deinen Blogartikel zum zweiten Mal nach gestern Abend gelesen. Wollte erst einmal „eine Nacht drüber schlafen“ und diesen dann – und nun sogar sauerstoffdurchflutet – kommentieren.
    Wow, da steckt soviel poststädtische Weisheit, philanthropische Reflektion, neugierige Zufriedenheit, nicht bedauernder Rückblick, appetitmachende Vorschau sowie eine supersympathische Gegenwartsbetrachtung drin. Chapeau, so möchte ich auch einmal mein Lebensgefühl formulieren können. Lieben Gruß in den schönen Odenwald aus dem schönen Argental im Schwabenländle.

    1. Unter uns: ich habe hier ja nicht viel anderes zu tun, als über die Formulierung meines Lebensgefühls nachzudenken… ;-)
      (kleiner Scherz.)

  7. toller Blogpost!!! so einen aehnlichen wollte ich auch verfassen, ich finde leider irgendwie nur keinen Anfang. Meine Mutter sagt immer zu mir „ich kann das nicht verstehen wie du lieber in pferdescheisse rumarbeitest anstatt in die Stadt zu gehen“.

    Soll ich dir sagen warum! Weil mich mein Leben hier erfuellt! ICH BIN GLUECKLICH, ich liebe meine Farm! In der stadt hatte ich immer das gefuehl mir fehlt etwas, hier bin ich gluecklich und brauch nicht viel :) ausser meine Familie (kinder & ehemann) und mein Viehzeugs! Spaeter geh ich in unser Locales Restaurant und trinke mein Kaeffchen mit andere Farmer & dem SHeriff :) was will man mehr?

    ich liebe es die leute hier im Hillbilly land (wie sie es selbst liebevoll nennen) kennen zu lernen :), ich liebe ihre art wie sie sind, manchmal mehr und manchmal weniger *lol*.

    Ich will nie nie nie wieder in die Stadt

  8. Es ist faszinierend einen Einblick in Deine Gedanken zu erhalten und ich finde es fantastisch, was Dich antreibt.
    Eine Welt in der mehr gefragt wird, wäre wirklich shcön und noch shcöner wäre es, wenn man dann auch immer Antworten bekäme und nicht ein „Das brauchst Du nicht zu wissen“ oder „Das ist Zeitverschwwendung“
    Der Zwilling Deines Bücherregals steht glaube ich bei mir. Da stehen die Werke schon in zwei Reihen voreinander, weil einfach nicht genug Platz ist. Lesen ist etwas wundervolles ..
    Ich stelle mir Deinen Job auch sehr spannend vor. man lernt jeden tag etwas Neues und kann wieder ein Stück mehr über denTellerrand hinausschauen…

    1. Leider wollen ganz viele Leute ja offenbar über diesen Tellerrand nicht hinausschauen. Oder?

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