Im Urlaub und beim Wandern verlasse ich mich gerne auf die Empfehlungen in den entsprechenden Apps und suche mir lohnenswerte Ziele. Heute also der Wunderbare Ausblick in Baumlandschaft, das klingt doch gut. Ich brauche beim Wandern und im Urlaub keine Sensationen, keine Freizeitparks, keine touristischen Kracher; wunderbarer Ausblick in Baumlandschaft kann mich da viel mehr entzücken.

Also, immer die Spessart-Berge hoch, die Sonne brennt, die Hunde hecheln, ich hechle auch und verspreche uns aber allen miteinander Gleich sind wir da, und dann werdet Ihr aber staunen! So einen wunderbaren Ausblick in Baumlandschaft habt Ihr noch nicht gesehen!

Wunderbarer Ausblick in Baumlandschaft.

OK. Memo an mich selbst: Beim nächsten Mal vorher checken, aus welchem Jahrzehnt die Empfehlungen sind. Ohne wunderbaren Ausblick und aus purem Frust steigen wir weiter bergauf, zu einem in der App ebenfalls angepriesenen Rastplatz an historischer Stelle im Walde. Ich hätte gewarnt sein müssen. Auch diese Empfehlung stammt offenbar aus einem anderen Jahrhundert. Die historische Stelle ist zwar selbst für historische Laien wie mich nicht zu übersehen und ganz interessant, irgendwas Rastplatz-artiges ist aber nicht zu entdecken, nicht mal ein Baumstamm. Also, es gibt an besagtem Rastplatz extrem viele Baumstämme, die stehen aber alle senkrecht, da kann man sich schlecht hinsetzen und verschnaufen. Tische, Bänke, Hütte: Fehlanzeige. Nicht mal ein Baum-Stumpf zum Ausruhen.

Gut. Wieder was gelernt fürs Leben.

Ansonsten zeigt sich der Wald von seiner schönsten Seite.

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Aus ein bis zwei früheren Jahrzehnten auch die Uhr am Hotelbett. Ich liebe sowas ja. Sie tickt und tickt und tickt, ganz leise, jeden Tag, jede Nacht, tick, tick, tick, tick. Es hat einen Moment gedauert, bis ich bemerkt habe, dass die Zeiger fehlen. Der lange rote Zeiger ist offenbar abgestürzt, abgebrochen; reglos liegt er unten, hinter dem Uhrenglas. Und wo ist der kleine Zeiger? Ich inspiziere die Uhr ausführlich, (ich habe ja im Urlaub gottlob nichts anderes zu tun), kann ihn aber nicht entdecken. Vielleicht ist er aushäusig, verreist, auf einer Zeitreise quasi? (Hier müssen Sie jetzt ein Schenkelklopfgeräusch einfügen)

Und was will uns diese Uhr sagen? Dass Urlauber bitteschön die Zeit vergessen -, frei von Zeit und Raum die Tage im Hotel genießen sollen? Oder will sie uns prophetisch auf die Weltenlage hinweisen? Die Uhr läuft, unerbittlich, tick, tick, tick, und da nützt es auch nichts, die Zeiger abzubrechen, um die Zeiten anzuhalten?

Will uns diese Uhr an Tempus fugit oder Tempi passati erinnern? Hat womöglich dem Goethe sein Faust schon in diesem Hotelzimmer genächtigt, der ja irgendwie den Augenblick fest-halten und gleichsam die Zeit an-halten wollte, und gleichzeitig blooooß nicht, Verweile doch, Du bist so schön!, oder lieber doch nicht?, es ist alles sehr kompliziert beim Faust, und deswegen hat er dann vor Zorn absichtlich die Uhr kaputtgemacht? Fragen über Fragen.

Die Uhr tickt, ich denke nach. Ich habe ja, siehe oben, im Urlaub gottlob nichts anderes zu tun. Nur heimfahren muß ich. Morgen schon. Man könnte natürlich – diese Idee kommt mir grade – einfach hier im Hotelzimmer bleiben, und dann würde man behaupten, man sei vor lauter kaputter Uhr völlig aus dem Tritt gekommen, man habe einfach den zeitlichen Überblick verloren und ist deswegen offenbar deutlich länger geblieben als geplant. Einen anderen Zeitmesser als diesen habe man nicht zur Verfügung gehabt. Wer hat an der Uhr gedreht?, und wer hat dabei den Zeiger abgebrochen, und: Huch!, jetzt sind plötzlich aus drei Tagen drei Wochen geworden, nanu, Ist es wirklich schon so spät?, ja sowas!

Keine Ahnung, ob man damit durchkommen würde. Eher nicht. Naja, Sie wissen schon.

P.S. Falls Sie jetzt einen Ohrwurm haben, bitte gerne, war mir ein Vergnügen. Zur Sicherheit hier nochmal im Original.

Ein Kommentar zu “Ausblick in Baumlandschaft.”

  1. Vielen Dank für diese wunderbare Zeit-Reise und der „Wunderbare Ausblick in Baumlandschaft“ – göttlich!
    Gute Rück-Reise und schönen Gruß!

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