Du weißt, dass Du im Odenwald lebst, wenn das Konzert von Männergesangverein und Liederkranz und Kirchenchor im Dorf um 19 Uhr begonnen hat – und um 2 Uhr 20 noch immer munter gesungen, gelacht und geschwätzt wird. Feiern können sie ja, die Odenwälder. Ich bin ein bisschen neidisch.
Ich höre das fröhliche Treiben um 2 Uhr 20 aber auch nur deswegen durch die stockfinstre Nacht wabern, weil zu dieser Uhrzeit mein Wecker klingelt und ich weder fröhlich, noch munter bin. Aber auch für sowas werde ich bezahlt, und eigentlich bin ich von Haus aus Frühaufsteherin, aber 2 Uhr 20 ist ein bisschen bitter. Und das alles nur wegen eines (fiktiven) Erdbebens.
Das Erdbeben hat mich seit Tagen auf Trab gehalten. Ein Erdbeben, das keines war, sondern nur eine Übung, aber was für eine. Neben Rettungskräften aus Deutschland, Frankreich, Österreich, Griechenland und der Schweiz sind im Auftrag der EU Beobachter aus Libyen und Island dabei, aus Nordafrika, aus Malta und Moldawien. Und das (nicht nur, aber eben auch) im Odenwald, ich meine: Hallo? Naja, Sie wissen schon.
An einem der Erdbebentage habe ich einen Interviewtermin mit dem Herrn Strobl, und während ich vor Dienstbeginn noch schnell das Haus putze, frage ich mich, ob so ein Innenminister wohl auch das Eigenheim saugt, bevor er in seinen Arbeitstag startet.
Man weiß es nicht, und nachdem der Herr Innenminister zeitlich unter Druck steht, traue ich mich nicht, ihn das zu fragen.
Sehr spannend ist das alles, aber heute bin ich nachhaltig müde und eben offenbar auch keine 20 mehr. Jetzt Schalter umlegen, siehe oben, Licht aus, schlafen, für mindestens zwei Tage.
Und ansonsten so?
An einem der langen Arbeitstage gehe ich schnell zum Bäcker in den Supermarkt, ein Kaffee muß her, ein belegtes Brötchen dazu. Neben mir an der Theke ein fescher Geschäftsmann mit Aktentasche, der zwei un-belegte Brötchen kaufen möchte, Ein Euro Fünf, bitte, sagt die Bäckereifachverkäuferin und legt die Brötchentüte auf den Tresen.
Der Mann langt sich an die Hosentasche, dann an die andere Hosentasche, seine Bewegungen werden bald hektisch, er fasst sich in die Jackettasche und nochmal an die Hosentasche, er wird jetzt immer hektischer, Ach Du liebe Zeit, wo ist mein Geld?, und die freundliche Bäckereifachverkäuferin guckt jetzt gar nicht mehr freundlich, der hungrige Mann wird immer nervöser, entweder die Brieftasche liegt im Auto oder ich habe sie verloren, er guckt leicht verzweifelt die Verkäuferin an, und die sagt nur Tja und zuckt mit den Schultern.
Es steht eine gewisse unangenehme Peinlichkeit im Raum, ich überschlage die Summe kurz im Kopf, Ein Euro fünf, das kann ich mir grade noch leisten. Ich lade Sie ein, sage ich zu dem Mann und kaufe die Brötchen frei, um die Situation zu retten; die Madame an der Theke ist hochgradig genervt, der Geschäftsmann verdattert und überfordert.
Sie geben diese Freundlichkeit einfach bei nächster Gelegenheit weiter, sage ich zu ihm, ja, danke, das werde ich machen, antwortet er, und ich merke, er hat in all dem Streß nicht den blassesten Schimmer, was ich wohl meine. Aber in seinem Kopf arbeitet es, man kann es hinter seiner Stirn förmlich rattern sehen, und das ist ja auch schon mal was.
1. Danke für den Bericht „Das Erdbeben“,
2. Danke für das wunderbare „Landschaftsbild mit Nebel“,
3. (und mir am wichtigsten) Danke für den Appell „Freundlichkeit“.
Allen einen schönen Sonntag!
Guten Morgen 🌞
Ich war schon ganz gespannt auf deine Zrilen, da ich dich diese Woche während der Hitparade/Nachrichten so oft im Radio gehört habe, liebe Grüße und gutes Ausschlafen.
das foto von den alten lichtschaltern – sehr schön!!
und das nebelfoto ebenfalls!!
liebste sonntagsgrüße!
aljoscha
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danke für alles: fotos und berichte
heute war eine stunde länger zeit zum ausschlafen, tat vielleicht gut(haben die hunde durchgehalten?).
gruß roswitha