Das ist doch kein Garten! Das ist ein Dschungel!, hat mal jemand von jenseits unseres Gartenzauns geflüstert, nicht ahnend, dass mein Geo just in diesem Moment durchs Unkraut diesseits des Gartenzaunes kroch und alles mithörte. Es schwang in dieser Feststellung eine tiefe deutsche Empörung mit, die ich in Teilen damals sogar nachvollziehen konnte.

Was habe ich meinen Mann seinerzeit verflucht. Das Gelände, das unser Garten werden sollte, lag anfangs kahl und brach in der Gegend herum, es sah so heruntergerockt aus wie das ganze große Haus. Etwas unmotiviert stand ein Nußbaum einsam und allein. Das musste sich ändern, da waren wir uns einig.

So haben wir das damals gekauft, vor gefühlt 100 Jahren

Mein Geo nahm also die Gartengestaltung in die Hand, er schleppte täglich Pflanzen herbei, kleine, große, dicke, dünne, überall setzte er sie in die Erde, ohne Sinn und Verstand, er pflanzte einen grauenhaft spießigen, winzigen Kirschlorbeer-Bogen mitten in die Gegend rund um den Nußbaum, den sehen Sie ganz oben auf dem Bild. Hier muß noch was hin, und da muß noch was hin!, keuchte er mit Spaten und Hacke in der verschwitzten Hand. Er machte weitausholende Bewegungen mit den Armen und bekam dieses leicht irre Glitzern in den Augen. Er war nicht zu bremsen, ich litt erst stumm, dann lauthals.

Keinen einzigen Meter konnte man in unserem Garten geradeaus gehen, ohne mit einer Pflanze, einem dürren Bäumchen oder irgendeinem Kunstwerk zu kollidieren, und ich legte das Gelübde ab, dass ich nie (nie!) den Rasenmäher betätigen würde, wenn das so weiterginge. Meinem Geo war das wumpe, dann mähe ICH halt!, er pflanzte und pflanzte, und irgendwann hatte sich der Garten also tatsächlich in einen Dschungel verwandelt.

Morgen wird das Wetter wieder richtig schön, flötet der Moderator aus dem Autoradio, es wird sommerlich heiß und trocken, und ich sage laut zum Radio, Na, Du hast ja Nerven! Ich kenne niemanden, der dieses Wetter noch schön findet, alles ist trocken, staubtrocken, die Bauern haben Sorgen um Ernte und Viehfutter, irgendwo brennen schon wieder Wälder, und mir und den Hunden brennt die Sonne auf Hirn und Pelz, wenn wir tagsüber unterwegs sind. Was wir vermeiden, so gut es eben geht.

Und zuhause im Garten ist Schatten. Immerhin. Es ist alles ein bißchen dschungelig und ungepflegt, es gibt keinen Rasen, nur grüne Inseln auf staubigem Grund, Lavendel, Löwenzahn und Liebeslilien, ein paar Rosen, falscher Jasmin. Apfel- und Kirschbäume.

Aber es gibt überall lauschige Plätze unter dem Blätterdach, die Sonne blinzelt da hindurch und wirft tanzende Muster auf den Boden, unter moosigen Steinhaufen wohnen die Igel, aus allen Vogelhäuschen plärrt und zwitschert es dieser Tage in den höchsten Tönen, und zwischen Dachfirst und der riesigen Esche üben die Turmfalkeneltern mit den Turmfalkenkindern Fliegen.

Der Wind rauscht im uralten Nußbaum und in all den jüngeren Bäumen, die mein Dschungelkönig da im Laufe der Jahre gepflanzt hat. Ich sitze irgendwo und höre ihm zu, dem Wind in den Wipfeln. Ich nehme alle wüsten Schimpfwörter zurück, mit denen ich den Gartengestalter bedacht habe, ich bitte innerlich um Entschuldigung für mein Gartengemaule der vergangenen Jahre.

Das alles macht die Welt jetzt auch nicht besser, aber das Wetter zumindest erträglicher. Wenigstens das. Mann, haben wir es hier gut mit dem Garten, sage ich zum Dschungelbeauftragten an meiner Seite, und er antwortet nur Siehste!

9 Kommentare zu “Schön schattig”

  1. Was für ein wunderschöner Beitrag und ein wunderbarer Garten, in dem Tiere (und Menschen) leben und entdecken dürfen. Ich bin schwer begeistert!

  2. Er hat so recht, so recht, Ihr Geo. Wenn ich an die Kriege mit dem Vorstand meines Schrebergartenvereins denke, die mich jedes Jahr zur Weissglut und Magenverknoten bringen, weil er meinen Garten regelmäßig als verunkrautet bezeichnet – ach mensche. Alles braucht Schatten. Bedeckten Boden, der Feuchtigkeit hält, Moos, wenns klappt, kreuzquergepflanztes, auf dass es sich beschatte, nähre, schütze. Wir sitzen im Rheintalgraben, der erbärmlich trockener und heisser wird, wie kann ich da wöchentlich Rasen mähen, der Kram verbrennt doch nur. Die Mauswiese wird ein oder zweimal gesenst und ende. Ach ihr Geo, Weitblick hatte er. Den Garten würd ich ja gern mal besuchen.Danke für das schöne grüne Video!

  3. ach wunderschön, ich liebe dschungelige Gärten mit viel Schatten, aber auch ein bißchen Sonne (muß sein für meinen GöGa)
    lg maritta

  4. Wunderschön
    und doch, auch das macht die Welt ein bischen besser – immer vor der eigenen Haustür anfangen finde ich
    Liebe Grüsse und weiterhin ein schattiges Plätzchen (denn auf Regen müssen wir wohl noch warten, hätte im nassen Frühling auch keiner erwartet, wie schnell das kippen kann)
    Nina

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