Während wir gestern abend am Esstisch sitzen, fährt vor dem Fenster ein riesiger Traktor vor, der Fahrer lacht uns auf Augenhöhe an, er sitzt auf dem Gefährt ja quasi in Höhe des Hochparterres. Er klettert aus dem brüllenden Ungetüm und reicht uns eine Papiertüte durchs Fenster, Der Honig, drei Gläser!, brüllt er gegen den Lärm, Willste was mitessen?, brüllen wir zurück. Nein, er muß weiter, keine Zeit. Zeit hat hingegen das Bezahlen, wir werden ihm das Geld für seinen Honig irgendwann einfach vor die Tür legen. Landleben halt. Ich mag das sehr.
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Manchmal sprechen mich im Städtchen Menschen an: Sie hätten eben meinen Mann gesehen, er sitzt mit einer attraktiven Frau in einem Café!, sie formulieren das Ausrufezeichen am Ende des Satzes hörbar mit, und dann gucken sie mich irgendwie erwartungsvoll an. Ich sage Ja, er trifft sich mit seiner Freundin, und gucke ohne Ausrufezeichen erwartungsvoll zurück. Meistens ist das Gespräch dann relativ schnell beendet.
Mein Geo hat 16 Jahre in der Emilia Romagna gelebt, sein Alltags-Italienisch ist fließend. Um es im Odenwald nicht zu verlernen, trifft er sich seit Jahren einmal in der Woche mit einer italienischen Freundin zum gepflegten italienischen Plauderstündchen. Sie kauen das Weltgeschehen durch, die politische und gesellschaftliche Lage, die Neuigkeiten aus dem Odenwald, aus der Familie. Seit drei Wochen muß der Mann nun plötzlich ständig neue Vokabeln lernen, solche, die er nie zuvor gebraucht hat. Krieg, Panzer, Atomwaffen, Luftschutzkeller. Flüchtlinge, Zensur, Propaganda. Biologische Kampfstoffe. Kriegsverbrechen. Internationaler Gerichtshof. Was man halt so redet, einmal die Woche in einem Odenwälder Eiscafé.
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Wir hatten hier im Übrigen eine gewisse Verwicklung, also im wörtlichen Sinne. Und das kam so: ich wollte ein Stück Käse in ein Stück Frischhaltefolie einpacken.
Ich musste allerdings zu diesem Zwecke erstmal die Frischhaltefolie von der entsprechenden, etwas vertrockneten Rolle abfummeln. Ich nutze nur äußerst selten Frischhaltefolie, vielleicht einmal im Jahr, das muß man wohl dazusagen, bin dementsprechend auch mit der Handhabung nicht sehr vertraut. Also kam der oben erwähnte Ehemann zu Hilfe, gottlob.
Und jedenfalls erreichen wir in der Küche in kürzester Zeit die Eskalationsstufen 9 und 10 auf der nach oben offenen Frischhaltefolienverzweiflungs-Skala. Wir fluchen, ziehen und zerren, der Mann schneidet und reisst und wickelt und ent-knotet und ver-knotet, rasiermessserscharfe Metzgermesser kommen zum Einsatz, und eine Schere, wir schlagen die dämliche Frischhaltefolienrolle mehrfach auf den Tisch in unserer Wut, auch das erweist sich als eher kontraproduktiv. Jetzt gleich!, gleich hab ich es!, ruft der Mann, hier!, jetzt geht es!, und präsentiert mir einen freigelegten Frischhaltefolienfetzen von der Größe einer Briefmarke.
Um es kurz zu machen: Irgendwann liegen Dutzende von Frischhaltefolienfetzen auf dem Boden, aber wir haben es geschafft und sind unverletzt geblieben. Als ich auch den Mann in soweit aus den verkrumpelten Folienbahnen gewickelt habe, dass er sich wieder frei bewegen kann, setzt er sich an den Rechner und bestellt eine Frischhaltefolienschneidemaschine.
Soweit ist es also schon gekommen mit uns. Man muß sich das mal vorstellen. Ich! Und eine Frischhaltefolienschneidemaschine!
Naja, Sie wissen schon.
(Aber wir haben zumindest herzlich gelacht, und das ist in diesen Zeiten ja schon mal sehr viel wert.)
Die Landschafts-Fotos sind übrigens gestern bei der Hunderunde entstanden. Ich hatte fast wieder ein schlechtes Gewissen, dass es so friedlich und idyllisch war da draußen, zwischen Bödigheim und Waldhausen. Das hilft ja aber auch niemandem. Es ist kompliziert. Und das Nebeneinander von Schönem und Schrecklichem, von Lustigem und Grauenhaftem: so verwirrend und verworren.
Gegen das Verhuddeln der Frischhaltefolie gibt es einen sehr simplen Trick: einfrieren. Einfach die Rolle ins Gefrierfach legen, dann lässt sie sich leicht abrollen.
Genau, klappt auch in der Kühlschranktür,
Noch besser: statt Folie lieber Bienenwachstücher benutzen,
Gerne waere ich mal bei dem italienischen Plauderstuendchen dabei, ich habe 36 Jahre in der Toskana gelebt…..
Liebe Landlebeblog-Inhaberin ;-)
habe ich über Deine Frischhaltefolie-Eskalationsstufe gelacht, super lustig geschrieben :-) Aber hast ja recht, diese Dinger nerven mich auch immer (und nutze die auch seeehr selten).
Liebe Grüße
Rolf
Frau H. wurde auch immer wieder gesagt (vor Jahren, als H. noch berufstätig war), also sie (die Sagenden) würden nie ein so enges Verhältnis mit der Stellvertreterin zulassen. Da haben wir es! Und man/frau trafen sich täglich.