Vielen Dank für das Angebot, lieber Petrus, das ist wirklich sehr aufmerksam, aber ich denke, ich habe jetzt erstmal genug Fotos von neblignasskaltem Siffwetter gemacht, Du könntest also mal wieder auf Sonne umschalten. Im Wetterbericht im Radio ist durchaus die Rede von milden acht Grad und Sonne, angeblich scheint die grade in Stuttgart, aber das ist schwäbisch, hier ist badisch, Badisch-Sibirien genau gesagt, und mit Sonne ist es essig.

Eisiger Nieselregen fällt vom Himmel, der scharfe Wind treibt die Tränen aus den Augen und über die Wangen, alles brennt. Man darf eben nicht glauben, was die da im Radio sagen, von wegen Sonne, da wird doch was verschleiert! ruft neulich eine aufgebrachte Anruferin ins Telefon, die Medien verschleiern da doch irgendwas! Es geht in diesem Fall allerdings nicht ums Wetter, sondern um den genauen Termin, wann der neue Impfstoff Novavax (oder wie der heißt) zugelassen wird, und ich muß im Odenwälder Korrespondentenbüro leider passen, ich weiß es schlichtweg nicht. Sie verschleiern da doch was!, sagt die Anruferin noch mal. Vermutlich ist sie da einen ganz heißen Sache auf der Spur, nur ich hab mal wieder nix mitgekriegt, naja, Sie wissen schon.

Nicht verschleiern will ich Ihnen, dass in der vergangenen Woche tatsächlich ganz kurz mal sowas wie gutes Wetter war, wir müssen das der Vollständigkeit halber erwähnen, es war zwar auch eisebitterkalt, aber wenigstens hübsch anzusehen, da habe ich die Bilder gemacht, die ich hier heute einbaue. Die Birke am Friedhof schüttelte im Wind die vereisten Äste und Zweiglein, es erinnerte an rasselnde, klirrende Ketten in einem finstren Kerker und war ein bißchen unheimlich, so direkt neben den Gräbern.

Zwischendurch dachte ich Siehste, selbst der Wald bekommt schon graue Haare über Nacht, das ist alles die blöde Pandemie schuld, wo soll das denn nur enden, aber ich habe mich dann gleich wieder zur Ordnung gerufen und an nettere Dinge gedacht. Zum Beispiel an einen meiner Lieblingsbäume hier in der Ecke, eine der zwei riesigen Kastanien, auch er hatte graue Haare bekommen.

Ich schlich um ihn herum und erzählte ihm und mir noch mal die Geschichte seiner Entstehung, wie er damals, nach Ende des Ersten Weltkriegs, als kleine glänzend-rostrote Kastanie irgendwo auf einem Weg im weit entfernten Schloßpark Schwetzingen herumlag, und dann kam einer und sammelte ihn auf, trug ihn in der Hosentasche bis in den Odenwald und pflanzte die Kastanie in einen Topf. Die ganze Geschichte können Sie (Klick!) hier nochmal nachlesen, ich finde, sie hat etwas sehr Tröstliches.

Heute früh ist Altpapier-Abfuhr im Dorf, ein Traktor schleicht brummend durch die Straßen, er zieht einen schaukelnden Anhänger, auf dem sich Berge von Kisten und Kartons, Pappen und Papiertüten stapeln. Ein halbes Dutzend junge Burschen ist dabei, dick angezogen gegen Wind und Regen, sie laufen schwätzend und lachend dem Traktor voran, sammeln mit geübtem Griff die Altpapier-Bündel vor den Hauseingängen und schleudern sie rauf auf den Anhänger oder stopfen sie kunstvoll vorne auf die Schaufel.

So schaukelt der Traktor Richtung Sportplatz oder Vereinsheim, zu den großen Containern, die seit Mitte der Woche darauf warten, gefüttert zu werden, und dann wird die Tour im Dorf fortgesetzt. Am Ende wird irgendwann abgerechnet, und die Vereine haben wieder ein bißchen was für die Vereinskasse verdient.

Während die da draußen noch schuften und sammeln, setze ich im warmen Haus den Teig für drei Brote an und studiere nebenher Schnittmuster für mein neues Näh-Hobby, und zwischendurch denke ich, das Leben auf dem Lande hat ja durchaus was für sich, wenn man mal für ein paar Stunden alles andere ausblenden kann.

A propos Ausblenden. Die aktuellen Erschütterungen in der katholischen Kirche sind bis in den tiefen Odenwald zu spüren, bis in eine Gegend also, die dank des Autokennzeichens BCH mitunter als Besonders Christliches Hinterland bezeichnet wird. Ungefragt erzählen mir mehrere Bekannte, dass sie nun ausgetreten seien aus der Kirche, dass der freundliche Herr auf dem ländlichen Standesamt von einem gewissen Ansturm berichtet habe, und dass das alles aber auch traurig sei und ein Verlust von Heimat.

Andere zucken gleichgültig mit den Schultern und sagen Es is‘ halt so, es war halt immer so, kein Grund, jetzt auszutreten aus der Kirche, und ich traue mich dann nicht, nachzufragen. Es ist zum Weinen, so oder so, auch und gerade in einer Region, in der die katholische Kirche noch einen so hohen Stellenwert hat.

Und am Ende noch etwas Erfreuliches. Dem alten Hündchen geht es wieder besser nach ihrem Schlaganfall, Danke der Nachfrage, sie ist wieder auf den Beinen und tippelt orientierungslos und ununterbrochen durchs Haus, das ist nun die Demenz, dagegen ist kein Kraut gewachsen, und wir versuchen, es mit viel Liebe und noch mehr Geduld zu ertragen.

Die Hühner legen inzwischen zu Neunt zwei Eier pro Tag, das ist eine Produktionssteigerung um immerhin 100 Prozent, also bitte. Das liegt natürlich daran, dass wir ihnen neuerdings Legefutter unter das normale Körnerfutter mischen, welche Auswirkungen das auf JoHahn hat, das warten wir noch ab.

Hund Lieselotte jedenfalls, die ja neulich heimlich am Legehühnerfutter genascht hat, legt noch keine Eier, zumindest keine weißen oder hellbraunen, aus denen irgendwann Küken schlüpfen würden. Obwohl so ein Hundeküken ja auch mal sehr putzig wäre.

7 Kommentare zu “Allerlei, rauh.”

  1. Ob man’s glaubt oder nicht, ich trug schon seit X Jahren eine nußgroße Kastanie in meiner Winterjacke, heute „ziert“ sie meinen Schreibtisch. Ich warf sie nicht weg, weiß aber nicht warum, ein Irgendetwas oder ein Irgendwer hat mich daran gehindert.

    1. Da sieht man mal, hätte man die vor X Jahren eingepflanzt, könnten Sie jetzt in ihrem Schatten sitzen statt am Schreibtisch. ;-)

  2. Natürlich austreten aus dem verkommenen scheinheiligen Sauladen.
    Seit Menschengedenken war dieser Verein doch ein Hort der Unmenschlichkeit und des Verbrechens.
    Da war nie was göttliches.

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