Quasi vor der Haustür in den Wald gehen, und an den kleinen Bach, wo die friedliche Stille lauter ist als alle Gedanken und alle Nachrichten im Radio. Den Spätsommertag genießen. Der Wald kann sich nicht entscheiden, ob er noch Sommer- oder schon Herbstwald ist, er ist hin- und hergerissen, er ist in der einen Sekunde dies, und in der nächsten Sekunde das, im Schatten der Bäume ist es frisch, in der Sonne fast schon zu warm.

Ich steige durchs Unterholz, immer am Bach entlang, durch Farne und kniehohe Gräser, über Äste und Baumstämme hinweg, durch die schattige Idylle. Sonnenstrahlen werfen Flecken auf den moosigen Grund, glitzern im Wasser oder setzen einzelne Szenen theatralisch ins rechte Licht.

Ich versuche, das irgendwie festzuhalten, zu knipsen, diese liebsame Stimmung im Wald vor der Haustür. Liebsam ist so ein Wort, das musste ich erstmal googeln, kein Mensch benutzt das mehr, ich normalerweise auch nicht. Liebsam kommt aus dem Frühneuhochdeutschen, es beschreibt etwas Angenehmes, Liebenswertes. So habe ich das zumindest im Internet gelesen. Frühneuhochdeutsch war so ab dem Jahr 1350 in, und dann ab 1650 irgendwie out, und seitdem sagt auch niemand mehr liebsam.

Wie ich also durch die liebsame Landschaft vor der Haustür gehe und versuche, liebsame Bilder davon zu machen, denke ich an den verehrten Bloggerkollegen Buddenbohm, der auch vor der Haustür spazieren geht, eigentlich täglich. Wie ich. Er im hohen Norden, ich im wilden Süden. Vielleicht immer mal gleichzeitig.

Der Mann wohnt allerdings im Hamburger Bahnhofsviertel, das ist nun deutlich anders als Odenwald. Vor seiner Haustür warten andere Dinge als vor meiner Haustür, ganz andere. Um es mal vorsichtig zu formulieren. Er hat uns daran erst neulich wieder in un-liebsamen Bildern teilhaben lassen. (So kam ich überhaupt erst auf das Wort liebsam). (Klick!) Hier können Sie das nachlesen.

Ich habe jedenfalls im Spätsommer-Wald darüber nachgedacht, ob gleichzeitig der Herr Buddenbohm auch grade vor seiner Haustür spazieren geht; darüber, was ich in diesem Moment sehe, rieche, fühle, – und was er sieht, riecht, fühlt.

Wenn man mal mit solchen Gleichzeitig-Gedanken angefangen hat, kann man das natürlich ausweiten, raus aus dem Hamburger Bahnhofsviertel, man kann nach Westen, Süden oder Osten denken, eigentlich einmal quer durch die ganze Welt. Ich glaube, es kann nicht schaden, sich diese Gleichzeitigkeiten immer mal wieder vor Augen zu führen. Auch wenn viele davon vielleicht nur schwer zu ertragen sind.

2 Kommentare zu “Spätsommer, liebsam.”

  1. Vielen lieben Dank für Text, Bilder und vor allem das neue Wort: liebsam!
    Ein schönes Spät-Sommer-Wochen-Ende für euch alle.

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