Morgens um 5 Uhr wache ich von einem fiesen Geruch auf, die Fenster im Schlafzimmer stehen weit offen: Sommer auf dem Lande. Wiesen und Felder glitzern in der ersten Morgensonne. Ich schnüffele in der Gegend herum, gehe ans Fenster, schnüffele wieder und bewege bald gewisse Verdächtigungen und Verwünschungen in meinem Kopf hin und her. Bis ich feststelle, dass der fiese Gestank genau von da kommt: von meinem Kopf. Aus meinen Haaren.

Andere Leute tragen solche Gerüche morgens mit sich herum, wenn sie am lauen Sommerabend davor zu lange am Lagerfeuer gesessen haben, oder beim Nachbarn press vor dem Grill mit Schweinebauch und Würstchen, bis kurz vor Mitternacht. Ich habe weder das Eine noch das Andere getan, sondern einem Motorboot und einer halben Lagerhalle beim Verbrennen und Verschmoren zugeschaut, dienstlicherweise. Stundenlang in dem Gestank herumgestanden. Was soll man sonst auch machen, an einem langen Sommerabend auf dem Lande, naja, Sie wissen schon. Jetzt weiß ich also auch, wie große Mengen brennenden Kunststoffs stinken. Und wie sich das in Haaren festsetzt. Aber sowas von. Kein Tag ohne Horizonterweiterung.

Also Dusche. Frisch frisieren. Und arbeits-fein machen, für den heutigen Termin mit einem Minister, also bitte. Die Forstverwaltung hat eingeladen, fünf vollbesetzte Autos fahren durch den Wald, die sandigen Wolken wirbeln, zeitweise kann ich das Minister-Fahrzeug vor mir kaum noch sehen. Weil ich nicht besonders schlau bin, fahre ich zu Beginn der wilden Waldfahrt mit offenen Fenstern, wegen der Hitze. Sand und Staub tanzen vor mir auf dem Armaturenbrett, legen sich in alle Ritzen, auf Haare und Klamotten. Da hätte ich mir die Dusche ja auch gleich sparen können, sage ich zu der Nachrichtensprecherin im Autoradio, aber sie reagiert nicht. Was soll sie denn auch sagen?

Am Ziel geht es zu Fuß kreuz und quer durchs Unterholz, ich lerne allerlei über Seuchenbekämpfung und die Vor- und Nachteile von Netzfallen und hölzernen Saufängen, über Entnahme und die Vermarktung von Wildfleisch. Das ist alles durchaus spannend. Hinterher wieder Staub von den Hosen klopfen, Blättchen aus den Haaren schütteln und Zecken von den Beinen sammeln. In Staubwolken zurück in die Zivilsation.

Und gleich zum nächsten Termin: dreckige Baustelle. Im Keller vom Museum im Nachbardorf ist Weltkriegsmunition entdeckt worden, heute ist ein Herr vom Kampfmittelbeseitigungsdienst da. Muffige, feuchte Erde wird abgetragen, alles langsam und bedächtig, Schwärme von Mücken werden aus dem Schlaf gerissen und stürzen sich auf uns, es müssen an die drölfzigtausendmillionen sein, grob geschätzt.

Mich kann das schon alles nicht mehr erschüttern, ich mache brav meine Arbeit, als rasende, stinkende, verstaubte und verstochene Reporterin, man gönnt sich ja sonst nichts. Ich frage mich nur zwischendurch, wer das eigentlich damals behauptet hat: Dass auf dem Land nix los sei, dass man sich da zu Tode langweilen würde als Journalistin. Ich frage mich das ja immer mal wieder, aber heute ganz besonders. Naja, Sie wissen schon.

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