Mit den guten Aussichten, dem Fernblick und der Weitsicht ist es ja im Moment so eine Sache, aber wenn Sie jetzt erwarten, dass ich auf diesem LandlebenBlog schlaue Sätze zu politischen Entwicklungen schreibe oder sehr kluge und wegweisende Empfehlungen zur Zukunft der demokratischen Grundordnung diesseits und jenseits des Atlantiks gebe, dann muß ich Sie leider enttäuschen.
Das ganze Internet, die Glotze und die Zeitungen sind voll davon, und dazu die ca. 40 Mio Bundestrainer der vergangenen Fußball-Europameisterschaft, die sich in den vergangenen Wochen allesamt in Politologie-Professoren und Welterklärungs-Experten verwandelt haben, man wundert sich, aber deren Expertise muß Ihnen jetzt im Moment mal jedenfalls reichen.
Klammer auf:
Aber der hier war gut:
Klammer zu.
Ich erzähle hier in stoischer Gelassenheit weiterhin vom langweiligen Leben auf dem Lande. (Tobe Welt und springe/Ich steh hier und singe/in gar sich’rer Ruh. Jesu, meine Freude, Evangelisches Gesangbuch 396, Sie wissen bescheid!). Wenn ich das mal grade nicht tue, dann bekomme ich zwar vom Kopfschütteln ein Schleudertrauma, aber das ist jetzt, siehe oben, eine andere Geschichte.
Die Aussichten heute früh auf dem Katzenbuckel (höchster Berg im Odenwald undsoweiterundsoweiter) waren, rein meteorologisch gesehen, auch schlecht, aber ich mag dieses Wetter. Die Landschaft wie hinter Milchglas, das herbstliche Rot und Gelb ganz zart, nur zu erahnen. Alle Geräusche, aller Lärm wie verschluckt, als sollte die laute Welt für einen Moment draußen bleiben. Nur das Rascheln der Schritte im Laub, und natürlich keine Menschenseele unterwegs, nur wir mit den Hunden.
Am Ende die Haare nass, die Jacke nass, der Nebel hat sich unbemerkt auf uns gesetzt, sich an uns festgeklammert, und wir tragen ihn in Tropfenform mit nach Hause.
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Man kennt das Geräusch, und ich kannte es natürlich auch: Wenn irgendwo im Wald eine Motorsäge heult und kreischt, dann für einen Moment Stille ist; man hört vielleicht in der Ferne noch ein Rufen, dann fällt mit einem donnernden Rumms ein Baum. Aber ich war noch nie ganz nah dabei. Diese Woche zum ersten Mal, dienstlich.
Keine zehn Minuten dauert es, bis die riesige, verdorrte Buche fällig ist. Der junge Waldarbeiter macht sich an ihrem Stamm zu schaffen, er sägt hier und da, er tänzelt um den dicken Stamm herum, er kniet vor dem Baum nieder, weil er so an manche Stellen besser rankommt. Mal geht er nur vorsichtig und flach über die Rinde, mal scheint er das kreischende Sägeblatt im Stamm zu versenken, das alles in Windeseile.
Ein prüfender Blick auf den so zugerichteten Stamm, dann in die 30 Meter hohe Krone, deren Äste sich wie die dürren Knochen einer Skelett-Hand schwarz gegen den trüben Himmel recken. Dann müssen wir alle ein paar Meter zurücklaufen, weg aus der Gefahrenzone. Immernoch nah genug, um beobachten zu können, wie die uralte Buche schließlich fällt.
Als der Keil in ihren Stamm hineingetrieben ist, zittert sie für einen Moment, um dann langsam, ganz langsam zu kippen. Es knirscht und knarzt, die Buche scheint zu ächzen, sie fällt nun immer schneller. Auf den letzten Metern plötzlich ein lautes, unheimliches Rauschen, das so schnell verstummt, wie es gekommen ist. Dann der markerschütternde, wuchtige Knall, der den Boden unter den Füßen vibrieren lässt.
Die 30 Meter lange Buche liegt da, wo sie liegen soll, der Länge nach auf dem Waldweg. Sofort kommen die Waldarbeiter und teilen sie in genormte Stücke, Das muß ja auf den LKW und in den Container passen!, sagt einer, dann sägen sie mit schnellen Bewegungen die einzelnen Äste, die letzten zarten Zweige ab, bis der Stamm nackt und kahl in Einzelteilen am Wegrand liegt.
Ich führe noch ein paar Interviews, lasse mir das Wieso-Weshalb-Warum erklären, die Folgen des Klimawandels für den Laubwald, Dies-Das, und währenddessen lässt sich eine bleierne Schwere, eine tiefe Traurigkeit auf meinen Schultern nieder.
Ich bin offenbar einfach zu sentimental für solche Termine.
Nee, biste nicht, sagt mein Geo zurück zuhause, beim Bäumefällen-zugucken tut’s immer weh.
…ein ganz schlimmes Geräusch, wenn ein Baum fällt…da könnte ich heulen…😪
Mir wird schon vom Lesen traurig zumute! Und dann bange ich um die Buchenwälder in meiner Kinderheimat und überhaupt…
Grüße in den Odenwald aus Kölle!
Astrid
Man kann es auch anders sehen. Vergangenes Jahr haben wir beim Waldspaziergang im Winterhauch gesehen, wie mit einer riesigen Maschine Stämme aus dem Wald gezogen wurden. Es sah furchtbar aus.
Dieses Jahr an der gleichen Stelle blühte ein Meer an Fingerhut und junge Bäume waren teils angepflanzt oder wuchsen aus Naturverjüngung. In ein paar Jahren wird aus der Lichtung wieder ein Wald geworden sein. Anders als vorher aber vielleicht besser an das sich ändernde Klima angepasst.
In Mecklenburg hat man die spanische Traubeneiche als klimafolgeresistenten Baum entdeckt. Hier im süddeutschen Raum steht die schon in den Parks und wird sich wohl ganz von selbst in die Wälder verbreiten. Viel wichtiger wäre, den Wald als zusammenhängendes Gebiet zu erhalten. Denn das für Spanien der alte Spruch aus dem Mittelalter, dass ein Eichhörnchen das ganze Land durchqueren könne, ohne auf den Boden springen zu müssen, nicht mehr gilt und was das aus dem Land gemacht hat, macht deutlich, wie sehr wir den Wald brauchen.
Transport in Containern ist übrigens so eine Sache.
https://www.forstpraxis.de/transport-stopp-von-holz-uebersee-containern-20325
Das hat für viel Aufregung in der Branche gesorgt, auch im Lichte dessen, dass die meisten Holztransporte überladen sind.
Grüße von Idefix.