Langjährige Leser und Leserinnen dieses Blogs wissen: wenn die Überschrift schon mit Ach anfängt, dann geht das gleich so weiter. Ach, ach. Aber es ist (m)eine Tradition, auch hier auf dem Blog Abschied zu nehmen von all den Viechern, die einem ans Herz gewachsen sind, und die dann irgendwann gehen, gehen müssen.
Ach, Lieselotte.
Lieselotte war mit Abstand der durchgeknallteste Hund, den ich je hatte. Ursprünglich aus Südspanien, ein Straßenköter, der nichts Gutes erlebt haben dürfte die ersten drei, vier, fünf Jahre seines Lebens. Ein Angstbündel, als sie zu uns kam. Berührungen ertrug sie nur zitternd, Blickkontakt war ihr ein Graus.
Beim Autofahren sabberte sie die ersten Wochen vor Angst, das Wasser lief nur so aus ihrem Maul heraus, auf der Hundedecke unter ihr bildeten sich mittelgroße Pfützen, drei Lagen Frottee-Handtücher reichten nicht gegen diese Sintflut ihrer Panik. So süß sie auch aussah: So einen Hund will doch niemand, sagte die Dame bei der Vermittlung, die bereits zahlreiche Absagen kassiert hatte. Aber wir haben ein besonderes Herz für Mängelexemplare und Montagsproduktionen, und man wächst mit seinen Aufgaben.
Und Lieselotte wuchs auch, mit den Jahren. Aus der Angsthündin wurde so eine Art tollpatschige Party-Maus; laut, unbeschwert, grobmotorisch, albern. Beim Autofahren wurde sie Profi. Ihre letzten Reste Angst vor Menschen überdeckte sie mit furchterregendem Gebell, Fremde durften ihr bis zum Schluß nicht in die Augen blicken. Sollten sie aber bitteschön direkt streicheln!, darauf bestand Frau Lieselotte dann doch sehr deutlich: Sie stupste die Fremden mit der Schnauze an , schlug ihnen wahlweise mit der verdreckten Pfote auf den Schoß, auf die schicke weiße Hose, – nur bitte bloss nicht nicht gucken. So saßen also immer wieder Menschen bei uns am Tisch, die unter unserer Anleitung mit der Hand unten den Hund tätschelten und mit großen Augen angestrengt oben an die Zimmerdecke glotzten, wir haben viel gelacht.
Draussen auf den Wiesen, in den Wäldern knallte Lieselotte regelmäßig durch. Hatte sie einen Jagdtrieb? Nein, sie hatte drölfzigtausend Jagdtriebe, sie kam in einen regelrechten Rausch, zog und zerrte, hechelte und buddelte. Ein Duracell-Häschen auf Speed, und das in Zeitraffer, so in etwa muß man sich das vorstellen. Nach zehn Minuten im Wald hatte sie einen Vollbart aus Schaum, so aufgeregt war sie. Wenn ich das Wort Impulskontrolle nur höre, und wie man sie in der Hundeerziehung verwendet, muß ich hysterisch lachen, das war schon immer so. Und es war immer wieder zum Verzweifeln.
Umso gelassener war sie bei der Begegnung mit anderen Hunden: die konnten toben und kläffen und keifen und fletschen, Lieselotte blieb die Ruhe in Person, sie ignorierte die Miesepeter und steckte alle anderen mit ihrer Fröhlichkeit an. Mit ihrer Fröhlichkeit und ihrem Charme.
Ich erinnere mich an den Besuch in einem Odenwälder Gasthaus, es war spät, die Gaststube leer, und der Wirt setzte sich zu uns an den Tisch. Haben Sie die Küchentür zugemacht?, fragte ich vorsorglich und Ah was, da passiert doch nix, antwortete er mit einer wegwerfenden Handbewegung, während Lieselotte sich bereits anschickte, das Gasthaus mal näher unter die Lupe zu nehmen.
Die Zeit verging, wir schwätzten, es war ansonsten verdächtig still. Bis Lieselotte mit komplett fettverschmiertem Maul aus der Küche kam, Ach Du Schreck, das Butterfass!, rief der Wirt, und Lieselotte kotzte spuckte ihm im hohen Bogen gefühlte drei Kilo angewärmte Butter vor die Füße, wedelte ihn überschwänglich an und freute sich von Herzen. So eine war das.
Am Ende hat die Arthrose zugeschlagen, wohl auch dazu ein Knochenkrebs. Die Schmerzen waren stärker als alle Fröhlichkeit. Mit 13 oder 14 oder 15 Jahren darf man gehen. Wir werden uns hier also neu zusammensetzen, zusammenruckeln müssen. Da waren’s nur noch zwei. Reicht auch. Trotzdem zum Heulen.
Naja, Sie wissen schon.
Ach, Lieselotte. Grüß mir die Sonne, grüß mir die Sterne, und grüß mir den Mond. Und alle, die Du da so triffst im Himmel.
Liebe Friederike,
ja, Lieselotte war wirklich eine Marke für sich …
Als ehemalige Hundebesitzerin, die Dojan (ebenfalls von der Straße) per kleinsten Fleischbällchen am Lebensende in den Tod begleitet hat: Mein vollstes Mitgefühl und herzliches Beileid!
Gabriela
Als eine, die durch einen kleinen Wolf (er denkt zumindest, dass er einer ist) zu Hause weiß, wie sehr Tiere bzw. Hunde unsere Herzen berühren können, möchte ich Ihnen sagen: Sie haben mein großes Mitgefühl! Wie wunderbar, dass Lieselotte bei Ihnen und Ihrem Mann leben dufte.
So eine schöne Liebeserklärung an einen tollen Hund. Mein Mitgefühl für euch. Alle Hundemenschen werden das verstehen.
Ich kenne das ja auch, meine älteste Hündin ist 14 Jahre alt und auch sehr krank.
Auch wir hatten einen kranken Straßenköter aus Ischia mitgebracht, der sich entwickelte…
Mein Mitgefühl.
Soo toll beschrieben… wir hatten immer einen Hund; jetzt ist es ein Te-Dackel (Dackel-Jagdterrier-Mix). Wir hätten nie gedacht, dass ein Hund uns unsere Grenzen aufzeigen würde….
Wir lieben sie (Mädchen) trotzdem über alles…..
und mein Beileid beim Traurigsein 😢
Wie traurig und liebevoll zugleich. Es tut mir leid für euch, die ihr hier bleibt und euch nun neu sortieren müsst.🫂🖤 Einen vierbeinigen Wegbegleiter gehen zu lassen ist eine der schwierigsten Aufgaben, die wir Menschen haben. Fühlt euch umarmt.
Oh, wie traurig. Liselotte war mein Lieblingshund im Internet. Mein Beileid zu diesem Verlust. Was für ein bewegender Nachruf.
Ach, ach.
Hab es gut, Lieselotte!