Mal wieder auf großer Fahrt gewesen, in die Weltstadt mit Herz. München und ich, das läuft ja auf der emotionalen Ebene leider nicht so wirklich gut, aber naja. Trotzdem immer im Gepäck bei solchen Reisen in selbsternannte oder echte Metropolen: die leise Sorge, es könnte mich das Großstadtleben doch wieder in seinen Bann ziehen, es könnte vielleicht ein winziges Stechen und Ziehen in der Seele verursachen, eine klitzekleine Sehnsucht, ein merkwürdiges Heimweh.

Würzburg Hauptbahnhof, 20 Uhr. Umsteigen.

Die Sorge erweist sich einmal mehr als völlig unbegründet, die Großstadt macht mich nicht mehr an, zuviel Lärm, zuviel Gedränge, alles zu laut, zu schnell, zu hektisch. Vielleicht bin ich auch nur aus dem Alter raus, oder eben inzwischen Landfrau mit Leib und Seele, wer weiß das schon.

Mehrfach werde ich fast von dahinrasenden Radfahrern umgenietet, die mit irrsinniger Geschwindigkeit und dem Recht des Stärkeren unterwegs sind, wütend klingeln sie mich an, und ich komme mir vor wie ein kleines Provinzhäschen, verloren in der großen weiten Welt.

In den S-Bahnhöfen, auf der Straße spricht gefühlt jeder Zweite mit sich selber, Knopf im Ohr, Hände in den Taschen, Ja, ich stehe jetzt grade am Marienplatz, nein, Du, die Lisa kommt heute abend doch nicht!, es werden allerlei Belanglosigkeiten in die Gegend gebrüllt, Wo warst Du einkaufen? Ich habe Dich nicht verstanden, es ist so laut hier, wo??, bei einigen kann man das gesamte Telefonat verfolgen, bei anderen nur Fetzen. Es ist eine Kommunikations-Kakophonie, die die Luft erfüllt, eigentlich überall, die Leute reden im Gehen, im Stehen und im Sitzen mit ihren unsichtbaren Gesprächspartnern.

Früher hatte in Angst vor Menschen, die mitten auf der Straße laut vor sich hinsprachen, bloß schnell die Straßenseite wechseln!, wer weiß, was der für einen Schaden im Gehirn und in der Psyche hat und ob der nicht am Ende aggressiv wird. Heute ist das ganz normal, ich wundere mich, naja, Sie wissen schon.

Da ganz hinten ist mein Hotelzimmer. Wenigstens da isses ruhig.

Den Hauch von großer weiter Welt atme ich auch jedes Mal am temporären Arbeitsplatz in München, die riesige Eingangshalle, die Pförtner, die Drehkreuze und die Fahrstühle, das fühlt sich alles schon sehr schick an. Die kleine Odenwald-Reporterin im großen Medienhaus. Und der Job macht Spaß, jungen Leuten etwas beibringen, ein kleines Feuer in ihnen entfachen.

Am Ende bin ich trotzdem froh, wieder in den Zug zu steigen und Richtung Würzburg, Osterburken, Odenwald zu rumpeln, den Lärm und die Hektik hinter mir zu lassen. Soweit isses also schon gekommen. Am Ziel wartet mutterseelenallein mein Auto auf dem dunklen Bahnhofsparkplatz, es geht durch menschenleere Dörfer, über Felder und durch den Wald nach Hause.

Kurz vor dem Dorf fahre ich nochmal rechts ran, lasse die Fenster heruntersummen und lausche in den Abend hinein.

Die Stille: unbezahlbar.

7 Kommentare zu “Die Stille: unbezahlbar.”

  1. Wie ich das nachfühlen kann! Selber hatte ich Freitag das Vergnügen, “Minge” berufsbedingt aufsuchen zu müssen und das zum Glück bereits nach dem Oktoberfest. Die paar Stunden um den Hauptbahnhof und drumherum haben mir gezeigt, dass ich in diesem Leben kein Stadtmensch mehr werde. Dieses Gewusel macht einen einfach nur irre.

  2. Hätten Sie sich gemeldet, bei uns gibt es immer ein stilles Zimmer für die Übernacht. Vielleicht nächstes Mal? Und es gibt so viele stille Ecken in dieser Stadt …
    Recht haben sie mit den Kampfradlern. Das sind die Audifahrer (u,a,), die im Sommer auf das Fahrrad umsteigen.

    1. Danke für das Angebot! Abends bin ich dann tatsächlich immer froh, in der anonymen Masse untertauchen zu können und nicht mehr kommunizieren zu müssen. Das ist ja quasi die gute Seite der Menschenmassen in einer Großstadt. Und das Hotelzimmer ist wirklich extrem ruhig. Aber vielleicht schaffen wir es beim nächsten Mal wenigstens auf einen Kaffee!?

  3. Die Heimfahrt am Schluss, ja, ich kenne dieses wunderbare Gefühl. Da war ich gerade emotional voll dabei, doch dann, oh Graus! Was haben Sie getan? Sie haben einen elektrischen Fensterheber betätigt! Vorbei war’s mit meiner Stimmung.
    Ja, natürlich habe ich auch ein Auto mit Elektrofenstern. Andere bekommt man ja nimmer. Aber ich hasse dieses Summen und Surren, und eine Fensterkurbel könnte sich bei meinem nächsten Gebrauchtwagenkauf als DAS schlagende Verkaufsargument erweisen.

    1. Ich musste ja leider bei der Wahrheit bleiben. Und im wirklichen Leben gibt es halt leider keine mechanischen Kurbeln mehr im Auto. Ich bedaure das auch sehr. Und sehne mich nach meinem 2CV zurück, den ich vor einigen Jahren aus völlig unklaren Gründen verkauft habe.

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