Man muss das Verlassene, die Leere, das Morbide gar nicht suchen in diesen kleinen Orten und Städtchen tief in den Vogesen, es springt einen überall an. Man muss sich nur an irgendeinem zentralen Platz einmal um die eigene Achse drehen, und dann ist es da. Auch in Rambervillers ist es da.
Die Stadt hat unter dem Krieg 1870/71 gelitten, unter dem Ersten Weltkrieg, unter dem Zweiten Weltkrieg, jedes Mal war das verheerend, und jedes Mal hat Rambervillers sich irgendwie wieder aufgerappelt, neu erfunden. Die Stadt hat nach 1945 einen gewissen industriellen Aufschwung erlebt und danach den Niedergang der Industrien. Über 7000 Einwohner in den Sechziger Jahren, heute gerade noch 5000. Die Eisenbahnlinie in den 80er Jahren stillgelegt. Man siedelt jetzt neue Industrien an, es soll eine Art Neustart werden, aber der Prozess sei noch nicht abgeschlossen, lese ich irgendwo im Internet.
Wir sind in Rambervillers auf der Suche nach einer Perle am Wegesrand, von der ich mal wieder durch Zufall erfahren habe und die sich hinter einer schlichten Hauswand und einem wenig pompösen Klingelschild verbirgt. Hier kann das doch nicht sein, sagt mein Geo zweifelnd, aber da steht es doch:
Manufacture d’orgues steht da, Orgelmanufaktur, die Tür steht offen, wir betreten die – nach eigenen Angaben – älteste Orgelmanufaktur der Welt, gegründet 1750 und seitdem ununterbrochen in Betrieb. Die vielleicht einzige Kontinuität in der ansonsten so gebeutelten und wechselhaften Geschichte der kleinen Stadt.
1870/71, Erster Weltkrieg, Zweiter Weltkrieg: Das alles hat die kleine Orgelmanufaktur gesehen. Und überlebt. Die Instrumentenbauer aus Rambervillers haben Orgeln gebaut, Orgeln restauriert, Orgeln repariert, überall in den Vogesen und weit darüber hinaus. Der richtige Ton, der perfekte Klang: darum ist es ihnen immer gegangen, vielleicht sogar im größten Kriegsgeschrei. Ich male mir aus, wie sie über die Jahrhunderte oft genug Türen und Tore ihrer kleinen Manufaktur fest verschlossen haben und sich dachten Macht Ihr da draußen, was Ihr wollt, schlagt Euch nur die Köpfe ein- wir bauen Orgeln. Wir verwandeln Luft in Töne, und Töne in Musik.
Jedenfalls wird mir beim Gang durch die Manufacture d’orgues in Rambervillers ganz warm ums Herz, ich mag den Geruch von Holz und Leim und Öl, ich bestaune die Werkzeuge, die Materialien. Von der winzigen Schraube bis zur meterhohen Orgelpfeife: vieles hat sich vermutlich seit Jahrhunderten nicht geändert.
Das ist natürlich alles sehr romantisierend von mir gedacht. Ich werde mal ein bißchen genauer über die Manufaktur in Rambervillers nachlesen müssen. Und den Herrn Vleugels fragen, ob er die Manufaktur kennt. Orgelbau-Vleugels im Odenwald, – übrigens auch so ein Tipp, falls Sie sowas interessiert. Vielleicht kann man die Manufaktur in Hardheim auch mal besichtigen.
Musste ich doch tatsächlich in die Vogesen fahren, um Ihnen diesen Odenwälder Tipp zu geben, ja, ist es denn zu glauben.
Vielen lieben Dank für ALLE Bilder und die Informationen.
Weiterhin: Schönen Urlaub, viele interessante Erlebnisse und gute Erholung!
Schöne Grüße, Gabriela
wunderbarer Bericht
Auch eine tolle Entdeckung – Orgelbauer bekommen bald mit dem Klimawandel viel Arbeit. Die alten Orgeln leiden, Misstöne, Pfeifen – alte Orgeln stöhnen regelrecht. Pfeifen reißen, Feuchtigkeit fehlt oder das genaue Gegenteil…….
Mir gefallen diese Schwarz-Weiß-Fotografien außerordentlich, mir fehlt keine Farbe und die Bilder aus der Orgel-Welt sind Kunstwerke, wunderschön!
Schöner Reisebericht und wie immer tolle Bilder!
Ach, welch großartiger Beitrag.
Großartig !