Die touristische Informationspolitik der Vogesen ist, – wie sollen wir sagen? – ausbaufähig, es gibt drölfzigtausend Websites, auf denen man sich mal mehr, mal weniger zurechtfindet und die allesamt nur auf Französisch verfügbar -, oder automatisiert ins Deutsche übersetzt worden sind, was uns aber schon den einen oder anderen Lachanfall beschert hat. Immerhin.
Die wirklichen Perlen am Wegesrand erfahren wir über google maps, weil nette Menschen dort tolle Orte oder etwas andere Sehenswürdigkeiten eintragen, – oder per Zufall. So entdecken wir auch Fontenoy La Joûte. Nie gehört? Ich auch nicht. Ein Nest mit 280 Einwohnern. Und 13 (dreizehn) Buchhandlungen. Ein Bücherdorf.
Ländlicher Raum, strukturschwache Gegend: Bücherdörfer gibt es weltweit, mir war das völlig neu. Gleich mal bei (Klick!) Wikipedia nachgelesen. Fontenoy La Joûte scheint mit nicht mal 300 Einwohnern und 13 Buchhandlungen und Antiquariaten den Vogel abzuschießen, was die Zahlen angeht. Scheunen und Bauernhöfe, verlassene Häuser sind hier in Bücherstuben verwandelt worden, viele davon spezialisiert auf bestimmte Genres, dem kleinen Dorf soll das einen gewissen Aufschwung bringen.
An diesem Vormittag mitten in der Woche ist nur der eine große Buchladen geöffnet, untergebracht in einer gigantischen Scheune, ein Labyrinth aus Bücherkisten und Regalen, fein säuberlich geordnet nach Themen, alles second hand, alles in guter Verfassung und günstig zu kaufen. So riesig und verwinkelt ist das Ganze, dass ich selbst mit dem Ultraweitwinkel des Handys nichts Vernünftiges zustande bringe. Ich finde ein langes Regal zum Thema Fotografie und schleppe drei schwere Bildbände durch Gänge, Flure und um Ecken, ich schleppe und schnaufe mit wachsender Verzweiflung, auf meinen Orientierungssinn ist keinerlei Verlass, und das hier ist schlimmer als Unterholz im Odenwald. Kurz erwäge ich, mich von der schweren Last zu befreien, indem ich die dicken Bände einfach irgendwo hier in den Bücherbergen ablege, ich schnaufe und schleppe, und irgendwann finde ich endlich den Ausgang und die etwas improvisierte Kasse.
Durchs Jahr hindurch gibt es Veranstaltungen, Lesungen und besondere Büchermärkte, jedes Jahr einen Literaturwettbewerb, und auch an sommerlichen Wochenenden brummt das Dorf, alles voll mit Buchbegeisterten, mit Bücherfreunden. Tout le pays, das ganze Land ist dann hier unterwegs, sagt die freundliche Madame, die an diesem Vormittag die gefühlten 8000 qm Buchladen beaufsichtigt.
Ein Jahr nach der offiziellen Gründung des Bücherdorfes wurde der damalige Bürgermeister mit der Goldenen Marianne ausgezeichnet, ein Preis für besonders exzellente Dörfer. Inzwischen gibt es sogar ein schickes kleines Restaurant im Dorf, den Büchern sei Dank. Ob die anderen Bewohner des Dorfes was von dem Bücherrummel haben? Keine Ahnung, mein Französisch reicht nicht, um dieser Frage auf den Grund zu gehen. Aber die Idee gefällt mir: Bücher als Entwicklungshelfer, Literatur als Land-Motor.
Und sonst so? Ich habe mir vorgenommen, zwei Wochen lang nur monochrom zu fotografieren, solche Herausforderungen tun angeblich zwischendurch mal gut. Meine Fehltritte und Fortschritte können Sie hier also verfolgen, live und in Schwarzweiß.
Die Schafe sind einfach genial (und alles andere ist immer wunderbar zu lesen.
Herzliche Grüße- gerade aus Berlin
Andrea
Ich kann mich der Vorschreiberin nur anschließen: wunderbare Fotos,bes. die Schafe. Von Bücherdörferin habe ich vorher noch nie gehört und werde mich jetzt mal drum kümmern und gucken ,ob es in unserer Nähe sowas gibt. Schon wieder was gelernt.Danke
Ehrlich tolle Geschichte, da muss ich hin, ist doch einen Umweg von der Rückreise aus dem Urlaub wert – jetzt suche ich noch das passende Hotel mit Leselampenzimmer. Französische Kriminalromane, Biographien, Kochbücher…..
Das Restaurant soll zudem sehr, sehr gut sein in dieser abgelegenen Region. Katzensprung in den Elsass……
Der Tip ist GOLDWERT!!!!!
Nix Elsass – Lothringen! pres de Nancy.
Das freut mich! Ich habe via Bluesky noch ein etwas spezielles Hotel verlinkt.
…sollten die Bilder dieses Blog-Beitrages die „Fehltritte “ diese Welt repräsentieren – ich wäre sehr dankbar!
Bitte weiterhin Berichte und Bilder, gerne in schwarz.weiß, einen erholsamen Urlaub und glückiche Heimkehr.
Bücherdörfer. Was für eine wunderbare Idee! Leider reicht mein Französisch höchstens noch für Tim und Struppi oder Lucky Luke, und fremdsprachige Literatur dürften sie eher nicht haben, so wie ich die Franzosen kenne.
Das Problem mit dem mangelnden Orientierungssinn kenne ich leider zur Genüge. In der Natur geht’s noch so einigermaßen, aber Gebäude ohne Wegweiser können mich schon mal zur Verzweiflung bringen.
Liebe Frau Kroitzsch, man mag Ihnen zurufen „jetzt setze dich auf deinen Hosenboden und lerne ein paar Monate Vokabeln und Grammatik, das hilft!“ Aber das wäre unhöflich, deswegen tue ich das nicht ;) Französisch ist eine wunderschöne Sprache, und das Geld für einen Privatlehrer für ein paar Stunden ist gut angelegtes Geld. Ich spreche da aus Erfahrung…
Ob ein Bücherdorf im Odenwald funktionieren würde? Ich bin mir sicher, dass es in Balbach noch eine leerstehende Scheune gibt. Und vielleicht auch jemanden, der zu den Büchern noch ein paar Platten beisteuert. Klingt nach einem verführerischen Konzept.
Ich HABE sogar Französisch gelernt, sechs Jahre lang in der Schule, es wäre vermutlich gar nicht schwer, das irgendwie aufzufrischen. Aber ich bin mit der Sprache nie so recht warm geworden.
Vielen Dank für diese Beschreibung, die ich, wie alles in Ihrem Blog, mit Vergnügen gelesen habe. Die Vogesen-Region kenne ich bislang nur vom Durchfahren auf dem Weg in den Süden. Jedes Mal denke ich: welch schöne Gegend, die Landschaft, die Dörfer, dazu so viel näher als die Provence. Hier würde ich auch gerne mal Urlaub machen. Daher meine Frage: Können Sie einen Ort, vielleicht gar eine Unterkunft empfehlen?
Herzliche Grüße aus dem Rheinland
Carsten K.
Ich schicke Ihnen mal ne Mail!
Hihi, je kleiner die Stadt/das Dorf, desto mehr Zeit hat man zum Lesen. Da braucht man viele Buchläden ;-)
Bitte nicht zu lange schwarz-weiß, die Welt ist doch bunt. Meistens jedenfalls…
Liebe Grüße,
Rolf
Oha!
Dort bräuchte ich vermutlich einen Tieflader und das, wo der Stapel jetzt schon kaum abnimmt…