Verkehrsteilnehmer und Politiker haben dieser Tage vielleicht eines gemeinsam: Sie fahren auf Sicht. Bei den Autofahrern kommt mir das vernünftig vor, bei der Politik bin ich da noch nicht sicher. Aber was weiß ich denn schon? Nur soviel weiß ich: es nervt. Alles. Hochgradig.

Um die Laune etwas zu heben, fahren wir am Sonntag Vormittag durch Nebel und eisigen Wind Richtung Städtchen im Neckartal, Kaffee und Kuchen locken, nur leider öffnet das Café erst am Mittag. Also zurück, die Berge wieder hoch, es gibt doch da noch ein anderes Café, sagt mein Geo hoffnungsfroh von Beifahrersitz aus, und ich erinnere mich auch, ja, da fahren wir jetzt hin, das liegt auf dem Heimweg. Da könnte man zumindest Kuchen mitnehmen. Auch dieses Café hat natürlich geschlossen, naja, Sie wissen schon. Landleben halt. 20 Kilometer umsonst durch die vernebelte Gegend gefahren, man gönnt sich ja sonst nichts. Wir wollten doch nur einen Kaffee trinken, an einem Sonntag. *Schenkelklopfgeräusch*.

Aber immerhin, die Gegend ist schön, wenn man seinen letzten Rest Optimismus zusammenkratzt, ja, dann kann man das schön finden. Dick genug angezogen muß man auch sein, der Wind ist scharf und hat die Sonnenblumen auf den Feldern und die Blätter an den Bäumen über Nacht in klirrende eisige Gebilde verwandelt. Guck mal, die Landschaft sieht doch toll aus!, sage ich während der erfolglosen Kaffee-Fahrt im Auto, Hach, Du musst aber in allem echt noch was Schönes sehen!, mault mein Geo zurück. So eine Stimmung ist das grade hier, Sie kennen das vielleicht.

Weil wir es grade von der Nahversorgung und von Lebensmitteln hatten: Gestern gab es Kalbsschnitzel, der Mann hatte sie bei einem Metzger entdeckt. Schon alleine das ist nicht selbstverständlich, also schlug mein Geo zu, nicht, ohne den Metzger zu bitten, die feinen Kalbsschnitzel hauchdünn zu schneiden. Der freundliche Metzger verschwand in seinem gekühlten Hinterzimmer und erschien mit zwei Schnitzeln, die so dick waren wie die Daumen meines vier-Zentner-schweren Großvaters selig. Ob das dünn genug sei? Hm. Naja, sagte mein Geo, zahlte und ging. Wir denken derweil darüber nach, wie die Schnitzel aussehen werden, wenn wir um normale oder gar möglichst dicke Exemplare bitten.

Das wiederum erinnert mich daran, wie ich einmal in einer Metzgerei war und um Parmaschinken bat. Die Dame hinter der Theke versuchte die Fassung zu bewahren und fragte dann mit allen Anzeichen des Entsetzens Sowas essen Sie?? Sie empfahl mir als Alternative Tiroler Bauernschinken, geräuchert. Ich habe den seinerzeit auch gekauft, er hat gut geschmeckt, auf seine Weise. Naja, Sie wissen schon.

Ansonsten passiert nicht viel hier auf dem Lande. Wir warten darauf, dass die Pandemie vorbei ist. Wir erfreuen uns an der kompletten Ereignislosigkeit im Privaten, und manchmal leiden wir auch darunter. Im Büro geht es seit nunmehr zwei Jahren jeden Tag um das eine immergleiche Thema, das ist etwas ermüdend.

Dafür hat sich im Dorf herumgesprochen, dass der Mann das beste Vogelfutter von allen hat, das Vogelfutterhäuschen auf der Terrasse ist inzwischen eine Art HotSpot im besten Sinne, und sogar der Kleiber kommt zum Fressen.

So stehen wir immer wieder stumm und staunend hinter der Glastür und glotzen auf das Vogelfutterhäuschen, bloss nicht bewegen, bloss die Vögel nicht erschrecken. Nur wenn die Elster kommt, macht der Mann einen Satz nach vorne und wummert mit der Faust gegen die Glastür. Und wenn die fremde schwarze Katze plötzlich erscheint und sich erwartungsfroh unter das Futterhäuschen setzt, dann wummert er auch gegen die Glastür.

So gesehen ist ja doch einiges los bei uns. Es sind die kleinen Dinge.

5 Kommentare zu “Sichtweite.”

  1. tja, die Ereignislosigkeit in dieser Zeit…
    andererseits zeigen Ihre wunderschönen Bilder, dass alles auch eine Frage der Wahrnehmung ist und wie berührend die „kleinen“ Ereignisse sein können.
    Und immer ein Ereignis für mich ist Ihr Newsletter. Danke!

  2. Manchmal kann einen alles aufregen gerade und nichzs
    Aber Vogel Kino liebe ich auch, erschrecken auch Katze und Elster
    (und der Kleiber kommt leider ganz selten)
    Danke für die Schnee und Frost und Nebel Bilder
    Liebe Grüße
    Nina

  3. Ja das mit der Ereignislosigkeit ist so eine Sache.
    Man muß halt selber was machen, Feuerchen im Weißen, Kasten Bier und so weiter, Sie wissen schon..
    Leider sind die meisten Leute zu faul um was zu organisieren, geschweige denn den besagten Kasten Bier zu holen, also auch zu zahlen. Oder 2, also Kästen.
    Dann noch Burgerpatties, diese unsäglichen aber notwendigen “Brötchen”, Burgersoße, selber gemacht, 2 Teile (T) Ketchup, 1 T Senf, 1 T Majo, Currypulver, Pfeffer, kein Salz.
    Salatblätter, Gemüsezwiebeln, Gurken fein geschnitten, Sie sehen, kommen tut jeder gern……

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