Ganz normal.

22. September 2020

Er solle sich bitte einfach ganz normal verhalten, sagt der Herr Doktor, bevor er den Gatten aus dem Krankenhaus entlässt, und ich denke so bei mir Hallooo? Was ist denn das für eine idiotische Anweisung? Ganz normal?, wann hat mein Geo sich jemals ganz normal verhalten?, wann haben wir uns jemals ganz normal verhalten?, also ehrlich jezze. Naja, seis drum, Sie wissen schon.

Jedenfalls wollen wir den ärztlichen Rat aber natürlich befolgen und fahren deswegen am Tag der Entlassung, – wie immer, also ganz normal -, an den See des Freundes, um vertretungsweise die Forellen zu füttern und nach dem Rechten zu sehen. Und wie immer sehen wir nicht nur nach dem Rechten, sondern auch nach den Siebenschläfern, und natürlich sitzt einer in der Falle und meckert ganz furchtbar, auch das ist in diesen Tagen leider ganz normal, es nimmt und nimmt kein Ende mit den blöden Viechern. Es hat ein bisschen was von einer biblischen Plage. Wobei ich mal nachlesen muß, ob Siebenschläfer überhaupt in der Bibel vorkommen, aber das ist jetzt wieder eine andere Geschichte.

Wir packen also die Falle samt Siebenschläfer ins Auto, – wie immer -, fahren etwa 750 Kilometer, um das liebe Tier an einem Waldrand auszusetzen und damit loszuwerden. Leider möchte der Siebenschläfer aber nicht ausgesetzt werden, ich schüttle und rüttle die riesige Falle, der Siebi krallt sich irgendwo fest in seiner Verzweiflung, ich schüttle und fluche Du Drecksvieh, hau endlich ab, hier gehts in die Freiheit, und wie ich da also zornig mit der riesigen Holzfalle herumhantiere, springt der kleine Siebenschläfer mir direkt an die Mutterbrust auf die Jacke.

Nun beginnt eine lustige Jagd, der Siebenschläfer flitzt über meinen Körper, von den Schultern über die Brust, hintenrum auf den Rücken und den Po, das eine Bein hinab, am anderen wieder hoch, er wirkt etwas desorientiert, flitzt dann wieder Richtung Oberkörper und Schultern mit gefühlten 80 Stundenkilometern. Mein Geo steht daneben und lacht sich schlapp, alles ganz normal also.

Dann setzt der Siebenschläfer mit einem wagemutigen Sprung auf den Gatten über, hahahaaa, wer zuletzt lacht, lacht am besten, das Tier saust an seinen Hemdsärmeln hinauf, über den Rücken und wieder vorne rum, versteckt sich dann in der Brusttasche. Nun also hampeln wir beide wie weiland Rumpelstilzchen über den Waldweg, der Gatte versucht im Herum-Hampeln, die Jacke auszuziehen, der Siebenschläfer schlüpft in die Ärmel, mein Geo fummelt sich hampelnd das zappelnde Kleidungsstück vom Leibe und wirft es ins Unterholz. Nun endlich begreift auch Siebi Siebenschläfer, dass er hier nicht mehr erwünscht ist und sucht das Weite. Das suchen vermutlich auch all jene, die uns möglicherweise aus der Ferne beobachtet haben, zwei erwachsene Rumpelstilze auf einem Waldweg, die Kleidungsstücke von sich werfen und qietschen und fluchen und dann ungerührt in ein Auto steigen und fortfahren.

Sollte der Doktor also dieser Tage nachfragen Und?, gehts Ihnen gut, haben Sie sich einfach ganz normal verhalten?, dann werden wir mit bestem Gewissen sagen können, klar, Herr Professor, alles wie immer auf dem Lande, keine aussergewöhnlichen Vorkommnisse. Alles ganz normal.

Naja, Sie wissen schon.

  • 7 Kommentare
  • nina. aka wippsteerts 22. September 2020

    Lachen ist immer gesund! Danke, habe auch schallend gelacht
    Liebe Grüsse und weiterhin gute Besserung!
    Nina

  • Silvia Klingbeil 22. September 2020

    spitzenmässig!!! Ich hab noch beim 3. Lesen Tränen gelacht …alles ganz normal!

    Vielen Dank
    Silvia

  • N. Aunyn 23. September 2020

    In der Bibel kommen keine Siebenschläfer vor. Der Gedenktag an die Siebenschläfer ist der 27. Juni – aus der katholischen Tradition begründet aufgrund einer Legende: Tag zum Gedenken an sieben christliche Jünglinge, die 251 in einer Höhle einschliefen und 447 erst wieder erwachten, als die Christenverfolgung zu Ende war. Diese sieben Brüder (Maximian, Malchus, Martinian, Dionysius, Johannes, Serapion und Constantin) sollen auf Befehl des römischen Kaisers Decius in einer Grotte bei Ephesus in der heutigen Türkei wegen ihres christlichen Glaubens eingemauert worden sein. Nach 196 Jahren, im Jahr 447 wurde diese Grotte dann zufällig wieder geöffnet und die sieben Brüder erwachten frisch und fröhlich. Es gibt eine ähnliches Legendenmotiv im Koran.

    • LandLebenBlog 23. September 2020

      Cool! Danke für die spannende Geschichte!

  • Sandra 23. September 2020

    Höhöhö…
    Etwaige Beobachter werden vielleicht an eine Teufelsaustreibung gedacht haben…
    Und: moderate Bewegung und lachen fördert ja die Genesung!?
    Lieben Gruss aus dem Ruhrpott

  • Bettina 26. September 2020

    Vielen Dank!!! Ich hab mal wieder sehr herzlich gelacht! Wer den Schaden (… oder Siebenschläfer ?) hat, …

  • Tine 4. Oktober 2020

    Euer Siebenschläfer Abenteuer ist einfach herrlich :-)

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