Uff.

21. Mai 2024

Manchmal frage ich mich ja, wo sich die allgemeine Schlechtigkeit der Welt eigentlich besser ertragen lässt: In der Großstadt oder auf dem Lande, in der vermeintlichen Idylle? Ich denke dann: in der Großstadt – also zumindest in den klischeemäßig entsprechenden Stadtteilen – müsste es besser funktionieren, da ist man ohnehin allerlei Verrohung und zwischenmenschliche Widrigkeiten gewöhnt, und Lärm und Dreck ja sowieso. Man würde das also kennen und das alles ein bißchen verallgemeinern und globalisieren, und dann würde man wissend nicken und sich nicht besonders wundern, dass die Welt zum Scherbenhaufen wird.

Für uns hier in der Provinz, jahahaaa, da ist das alles nicht so einfach: nahezu entsetzlich heile Welt, wohin das Auge blickt (jedenfalls, wenn man ein bißchen großzügig draufschaut). Wiesen, Wälder, Felder, plätschernde Bächlein und piepsende Vögel. Die Menschen sind allesamt eigentlich ganz nett und freundlich zueinander, es ist ein bißchen wie im Heimatfilm, im besten Sinne. Und nicht mal Autofahrer sind hier aggressiv. Es wird nicht gehupt und nicht geflucht am Steuer, – ich meine, das muß man sich mal vorstellen. Und mitten in dieser Idylle soll ich nun begreifen und erfasssen, dass die Welt um uns herum in Stücke springt. Uff. Es ist kompliziert.

Über sowas also denke ich mitunter nach, wenn ich im Wald unterwegs bin und ein bißchen rumknipse, Licht und Schatten undsoweiter, und alles ist ganz herrlich und friedlich und idyllisch, bis ich dann wieder zuhause bin und drölfzigtausend krabbelnde Zecken aus den Hunden herauspule und unter nicht jugendfreien Flüchen eigenhändig abmurkse. Als er die Zecken erfunden hat, muß der liebe Gott einen verdammt schlechten Tag gehabt haben, anders ist das wirklich nicht mehr nicht zu erklären. Vielleicht ist ja auch Vieles damit zu erklären, dass der liebe Gott einfach ab und zu granatenmäßig schlechte Laune hat.

Die Nachrichtensprecherin im Autoradio sagt Bundeskanzler Scholz und ich denke, aha, aha, hat der sich jetzt endlich mal zu Wort gemeldet, man hört ja nicht sehr viel von dem, ich hoffe auf eine Wegweisung in schwierigen Zeiten, die Nachrichtensprecherin aber fährt fort hat nach dem Tod von Präsident Raisi der iranischen Regierung kondoliert, und man liest ja hier und da, dass der Herr Raisi Tausende von Menschenleben auf dem Gewissen hat, und nun weiß ich auch nicht.

Und dann stoße ich im Laufe des Tages auf diese wirklich (Klick!) spannende zehnminütige Dokumentation zu den deutschen Offshore-Windkraftanlagen, ich weiß nicht ob ich lachen oder weinen soll, und jedenfalls kann man dann eigentlich nur noch in den Wald gehen und laufen und atmen und gucken und knipsen, OOOOoooooooommmm, das ginge am Hermannplatz in Berlin-Neukölln nicht, siehste!, also bitte.

Naja, Sie wissen schon.

  • 7 Kommentare
  • Gabriela 21. Mai 2024

    …genau so isses … war heute in Heidelberg, habe en passant die Weltlage diskutiert, auf der Rückfahrt eine ausführliche Sendung über Reichsbürger und Rechtsextremismus gehört und bin am Ende des Tages nur froh, diesen Blog zu lesen, die Bilder ‘zu inhalieren’ und dem lieben Gott zu danken, daß ich / man / wir gemeinsam im Frieden darüber nachdenken kann / können, welche politischen Reaktionen welche Folgen haben könn(t)en … (und jetzt höre ich auf!) und wünsche allen Leser’innen eine geruhsame Nacht…

  • sabine 22. Mai 2024

    Was für wunderschöne Fotos! Großartig – mag gar nicht aufhören zu gucken :) Liebe Grüße!

  • agnes 22. Mai 2024

    Wirklich wunderbar die Fotos! Diese Gleichzeitigkeit von Idylle und Zerstörung ist tatsächlich immer wieder unvorstellbar. Aber wenn man den Globus komplett im Auge hätte, würde man feststellen, dass die Grausamkeiten und Kriege in der Minderheit sind. Ob das ein Trost ist?
    Ich lebe in Köln, allerdings im schönen Viertel Riehl, zwischen Rhein und Flora. Kann also bei Bedarf zum Rhein entfliehen. Ein Luxus.
    Mich beruhigt sehr, von Menschen zu lesen, die reflektiert über die Krisenherde schreiben.
    Die sind selten, aber sie sind da.
    Liebe Grüße in den Wald!

  • N. Aunyn 22. Mai 2024

    Auch in den “klischeemäßig entsprechenden Stadtteilen” ist es oft jenseits der Grenze des Erträglichen. Wöchentliche hoch aggressive Demos vom Oranienplatz zum Hermannplatz, auf denen Plakate mit Inhalten gezeigt werden, jenseits des rechtlich Erlaubten. An jedes fünfte Haus ist mit Schablone “free Palastine” gesprüht. Manchmal mit anderer Farbe kommentiert “from Hamas”. So schnell kann man gar nicht schauen, wie “from Hamas” dann durchgestrichen ist. Erfreulich, daß seit Oktober die Kreuzberger Ökumene all-freitäglich eine Mahnwache während des Gottesdienstes vor der Synagoge organisiert.

  • Alwin 22. Mai 2024

    Nun, der Herr Raisi mag ja Menschenleben auf dem Gewissen haben, aber nun letztendlich vermutlich auch sein eigenes, denn kein Helikopterpilot, der bei klarem Verstand ist, fliegt freiwillig und ohne Befehl bei Nebel in bergiges Gelände. Die Helden der Lüfte der glorreichen Armee unseres Herrn Pistolius würden bei so einem Wetter gar nicht erst starten.

    Lassen Sie uns aber zu etwas Heimeligerem kommen, dem vertrauten Zeckenzupfen. Ich wohne in der Nähe eines Bachlaufs, der erfreulicherweise ein ziemlich dichtes Ufergebüsch hat. Unerfreulicherweise ist eben jenes Gebüsch auch Heimat für Zecken und der bevorzugte Aufenthaltsort meiner beiden Kater, da dort auch Mäuse hausen. So weit, so Natur. Dennoch fühle ich den inneren Antrieb, Zecken zu zupfen, und da ich Raucher bin, bereite ich den gezupften Spinnentieren mittels Feuerzeug einen schnellen und schmerzlosen Tod.

    Zu den Offshore-Windanlagen empfehle ich folgenden Bericht vom NDR, dessen Anfang ich hier zitiere:
    “Wilhelmshaven: Baubeginn von Stromleitung nach Großbritannien
    Stand: 22.05.2024 08:52 Uhr
    Ein neues Seekabel soll ab 2028 das deutsche und das britische Energienetz verbinden. Es verläuft von Wilhelmshaven durch die Nordsee und ist mehr als 700 Kilometer lang. Am Dienstag war Baubeginn.”
    Ist ja nicht so, dass wir hier in Süddeutschland keinen Strom gebrauchen könnten, aber Hauptsache keine Stromtrassen, keine Solarflächen, keine Windräder, weil, “mia san mia”. Bayern war mal Agrarstaat und kann’s auch wieder werden, das geht schneller als man denkt.

    • Dirk 23. Mai 2024

      Bayern ist meines Wissens nach “Meister” beim Zubau von PV Anlagen. Die haben (bundesweit!) im Gegensatz zu WKA auch ihren Sinn, die vor allem der Blogbetreiberin ihren Wald wegnehmen werden. Ich habe übrigens bei einer norddeutschen Bank mal an einer Software zur Auswertung der Betriebsdaten von WKA mitentwickelt. Rosig sieht es da nicht aus. Die Anlagen liefern chronisch zu wenig Strom – ganz im Gegensatz zu PV Anlagen, die einigermaßen das liefern, was prognostiziert wird und was ich anhand meiner eigenen Anlage auch anekdotisch bestätigen kann.

  • C Stern 24. Mai 2024

    Windräder sind ein wahrer Boom, wie im Bericht ebenfalls erwähnt – und es ärgert mich doppelt, da nicht nur Natur “verwandelt” wird, sondern auch ungeheures Geld damit gemacht wird. Und offensichtlich entstehen bei den Finanzierungen auch wieder neue Abhängigkeiten. China mischt also fleißig mit – das sehe ich sehr kritisch. Danke fürs Posten, sehr wissenswert, wie das alles so läuft …
    Es kann übrigens auch nicht sein, dass wir wieder aus den Augen verlieren, dass es neben dem Ausbau von erneuerbaren Energien auch um ein maßvolles Verhalten geht, was den Verbrauch von Energie betrifft.
    Liebe Grüße aus Österreich, hier werden die Windräder, die in schönste Gegenden “gepflanzt” werden sollen, sehr emotional diskutiert …

Regen und Nebel Vorheriger Artikel Regen und Nebel
Dies und Das vom Tage. Nächster Artikel Dies und Das vom Tage.