Friedrich und die Badehose.

4. Februar 2021

Wenn Sie seinerzeit ein bisschen im Geschichtsunterricht aufgepasst hätten, im Gegensatz zu mir, dann wüssten Sie natürlich aus der Lameng, was es mit dem heutigen Datum auf sich hat. Wenn Ihr Geschichtsunterricht damals aber so stinkend langweilig war wie der meinige, dann habe ich natürlich vollstes Verständnis.

Jedenfalls wurde heute auf den Tag genau vor 150 Jahren Friedrich Ebert geboren, in Heidelberg. 1. Reichspräsident der Weimarer Republik, 1919 gewählt und vereidigt. Wissen Sie natürlich alles. Was Sie vielleicht nicht wissen, aber ahnen: Der Ebert-Friedrich hat natürlich eine Beziehung zum Odenwald, und was für eine. Und dann gibt es noch die Geschichte mit der Badehose. Ja, da staunen Sie. Dieses Blog hat schließlich einen Bildungssauftrag.

Wir denken also hier und heute verschärft an Friedrich Ebert, an den alten Sozi mit Wurzeln im rabenschwarzen Odenwald. Und wir denken an seine Badehose.

Und so geht die Geschichte: Am Tag von Eberts Vereidigung 1919 gelangte auf verschlungenen Wegen – und das ist der eigentliche historische Kracher – ein Foto von eben jenem frisch vereidigten Reichspräsidenten in die Öffentlichkeit, das den Herrn Ebert schon ins Wanken brachte, noch bevor er seinen Job so richtig angetreten hatte.

Das Foto zeigt Ebert in der Badehose, knietief in der Ostsee, oben ohne und nicht so wirklich vorteilhaft, um es mal vorsichtig zu formulieren. Ein. Absoluter. Skandal. Noch nie hatten Staatsoberhäupter quasi blankgezogen, und noch nie hatten die Untertanen eine derart unglücklich sitzende nasse Badehose gesehen. Die kannten ja planschende Männer nur in züchtigen Badeanzügen, und Staatsoberhäupter überhaupt nur in schmucken Uniformen mit allerlei funkelndem Gebamsel dran.

Die präsidiale Badehose schlug ein wie die sprichwörtliche Bombe. Sie wurde zum hochpolitisch-textilen Symbol aller Ebert-Feinde, die fortan bei jeder sich bietenden Gelegenheit bunte Badehosen schwenkten, sobald der Ebert auftrat. Die auch mediengeschichtlich wirklich spannende Story zu dem Foto können Sie zum Beispiel hier nachlesen, oder auch hier. Kommt einem alles bekannt vor, auch mit Blick aufs Heute.

Und ich habe da so eine These. Vorallem zu der immer noch ungeklärten Frage, was eigentlich aus der vielleicht berühmtesten Badehose der deutschen Geschichte – ach, was sage ich: der Weltgeschichte – geworden ist.

Der Ebert-Friedrich hat also, wie erwähnt, eine direkte Beziehung in den Odenwald, genauer gesagt, in unser Nachbardorf. Wie sich  ja eigentlich die Wurzeln aller wirklich wichtigen Menschen auf der Welt letztlich im Odenwald finden lassen, wenn man nur lange genug forscht. Bloss der blöde Ex-PräsidentTrump, der kommt aus der Pfalz. Also, jedenfalls ist der Vater von Friedrich Ebert hier im Odenwäder Nachbardorf geboren, ein uneheliches Kind, man muss sich das mal vorstellen.

Es gibt da in Krumbach eine kleine Gedenkstätte, einen Schaukasten und einen Stein, an dem alle Jahre wieder ein paar versprengte Genossen mit roten Schals rote Blumen niederlegen, hoch oben im ansonsten eher schwarzen Odenwald.

So sah das bis 1935 aus.

Friedrichs Vater Karl wurde also in Krumbach geboren, als uneheliches Kind, und zog dann irgendwann nach Heidelberg, um sich dort als Schneider zu verdingen. Seine Frau stammte aus Neckargerach, das ist auch gar nicht weit von hier, und sie gebar ihm zahlreiche Kinder, eines davon eben der zukünftige Reichspräsident.

Friedrichs Vater Karl war zwar unehelich, wird aber auch seinerseits etliche Geschwister in Krumbach gehabt haben. Davon gehe ich jetzt einfach mal aus. Und die hatten ihrerseits Kinder, was dann wiederum die Cousins und Cousinen vom kleinen Friedrich Ebert wurden. Wenn Menschen im Odenwald irgendetwas in Hülle und Fülle haben, dann sind es seit jeher Cousins und Cousinen. Armer Landstrich hin oder her: in dieser Hinsicht sind die Odenwälder mehr als reich.

Nun wohne ich in einem Haus, das auf den Grundmauern eines Vorgängerbaus erbaut wurde, von einer gewissen Ottilie. Ottilie, geborene Ebert. Ein Gasthaus mit großem Garten und Gemüseacker. Angeblich war Ottilie auch eine Cousine von Reichspräsident Friedrich Ebert, irgendwer hat mir das mal erzählt, und ich glaube es gerne. Ja, ich behaupte sogar: sie war bestimmt, also ganz sicher, seine Lieblingscousine, und er hat ganz bestimmt auch oft im Vorgängerbau des Gasthauses gesessen und ist durch den Garten geschlendert. Genau so wird es gewesen sein, wann immer ihm sein Präsidentenamt eine kleine Auszeit erlaubt hat. Wir leben hier also aus sozialdemokratischer Sicht auf quasi geheiligtem Boden. Ich sags ja nur mal so.

Wenn wir nun also noch mal zurückkommen auf die bedeutsame Frage, was eigentlich aus der berühmtesten Badehose der Weltgeschichte geworden ist, dann könnte es auch Ihnen langsam dämmern. Was hätten wir denn anstelle vom Reichspräsidenten gemacht? Die vermaledeite Badehose im nächsten Sommerurlaub weiter getragen? Im Leben nicht. In einer Kommode im Präsidentenpalais aufbewahrt? Wohl kaum. Fluchend entsorgt, das gräßliche Stück? Schon eher. Aber wohin? In die Mülltonne vorm Reichstag? Da hätte der nächstbeste Paparazzo sie ja sofort hinausgefischt.

Sie ahnen, worauf ich hinaus will: Friedrich Ebert hat die Badehose eines Tages mitgenommen in den Odenwald. Und sie verbuddelt in Ottilies Garten. Dort, wo sie niemals jemand finden würde.

Außer mein Geo vielleicht. Der hat schon die tollsten Sachen aus dem Ebert’schen Gemüseacker hervorgeackert. Da wird sich nun also doch bitteschön eines Tages auch die olle Büx finden lassen. Die übergeben wir dann dem Haus der Geschichte in Bonn. Wenn sie da nicht längst schon liegt.

Diese Geschichte ist hier schon vor einiger Zeit mal erschienen, aber ich dachte, zum 150. Geburtstag könnte ich sie nochmal in abgewandelter Form erzählen. Zumal die Badehose seitdem noch immer nicht aufgetaucht ist. Wir buddeln weiter danach, spätestens im Frühjahr.

  • 10 Kommentare
  • mikelbower 21. August 2018

    Ob die Hannah Höch im Odenwald dafür war? :) (Ich sah das in Mannheim)
    https://www.berlinischegalerie.de/sammlung/grafik/highlights/hannah-hoech/

  • ninakol 21. August 2018

    Hi, die tolle Badehose habe ich in Bonn noch nicht im Haus der Geschichte gesehen. Abgesehen davon habe ich hier wieder viel gelernt, so *unbedeutende* Details der deutschen Geschichte. Von dem Badehosenvorfall hatte ich noch nie gehört oder gelesen.
    Danke Dir
    Liebe Grüsse
    Nina

  • Astridka 21. August 2018

    Tja, vielleicht finden sie die Ziegen. Im kohlrabenschwarzen Odenwald hat man natürlich nie was über uneheliche Kinder erfahren, aus den trotz aller Diskriminierung was geworden ist, jedenfalls war mir Eberts Herkunft, trotz Geschichtstudium nicht bewusst. Dafür die Badehosengeschichte ( die ja kürzlich quasi einen Wiederaufguss erfahren hat ).
    Danke für die Recherche!
    GLG
    Astrid

  • Antje Hartwig 21. August 2018

    Aus Sympathie oder Solidarität trägt der ein oder andere Odenwälder auch heute noch eigenwillige Varianten von fragwürdigen Badehosen-Design-Kreationen …
    Jetzt macht das natürlich Sinn! Auch hinsichtlich eventueller verwandtschaftlicher Verhältnisse.
    Herzlichen Dank für die Aufdeckung der Hintergründe! ;-)
    Beste Grüße
    Antje

  • Johannes zu Ach 22. August 2018

    Wie sich ja eigentlich die Wurzeln aller wirklich wichtigen Menschen auf der Welt letztlich im Odenwald finden lassen, wenn man nur lange genug forscht. Bloss der blöde Trump, der kommt aus der Pfalz.
    Trump wichtig?

  • Oona 24. August 2018

    Ein lustiger und informativer Beitrag aufgrund eine Badebuxe.
    Danke.
    Ahoi
    Oona

  • Wibke 11. Februar 2020

    Ich erinnere mich nur schwach an dieses Thema im Geschichtsunterricht. Hätte damals die Badehose Erwähnung gefunden: Ich bin sicher, ich hätte es nicht vergessen. Aber davon abgesehen war mir ganz sicher damals die Dimension dieser Ereignisse nicht bewusst. Aufgewachsen in einer schnuckeligen Demokratie, wo das Tagesgeschehen über Familien- und Dorfgrenzen hinaus hübsch übersichtlich und seltsam fern nur am Abend via Nachrichtensendung im Leben auftauchte. Dass Geschichte vor allem mit der Gegenwart und dem Zukünftigen zu tun hat, erkannte ich erst sehr viel später. Gut, es gab die Geschichten meiner Mutter von der schlechten Zeit, die sie immer wieder erzählte, wenn es im Winter zum Abendbrot Rum in den tee gab. Doch diese Geschichten schienen noch weiter weg als die Märchen, die ich mir von Hans Paetsch auf den Schallplatten erzählen liess …

    Danke für die Badehose.
    Wunderlicher Odenwald.
    Eines Tages stehe ich da.

  • Franziska 11. Februar 2020

    Der Geschichtsunterricht war streckenweise spannend (wie immer: lehrerabhängig *hüstel*), ansonsten wäre von mir auch nicht der Geschichts-LK gewählt worden. Allerdings hat man uns glatt Eberts Badehose unterschlagen! Das nenne ich mal einen Skandal! Da hätte man doch als junger Mensch was zum Lachen und Schnattern gehabt.
    Es gibt immer mehr Gründe, den Odenwald noch – mindestens – einmal zu besuchen. Wir waren einmal auf Exkursion dort, da ging es allerdings um Formationen, Gesteine, zwar auch Geschichte, nur eben vor sämtlichen textilen Errungenschaften und Politik. Lach.

  • Hauptschulblues 11. Februar 2020

    H. liebt Ihre Beiträge.

  • Tine 17. Februar 2020

    Ich komme gerade aus Moers, aus der Ausstellung: Darüber lacht die Republik – Friedrich Ebert und ‘seine’ Reichskanzler in der Karikatur. Bei diesen Karikaturen taucht auch auffallend oft die oben genannte Badehose auf.
    https://www.moers.de/de/veranstaltungen/darueber-lacht-die-republik-friedrich-ebert-und-seine-reichtskanzler-in-der-karikatur/

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