Stocktaub.

28. Februar 2020

Man mag ja gar nicht mehr hinhören. Wo man auch hinhört, nur schreckliche, angsteinflößende Nachrichten. Es ist zum Verzweifeln. Ich beneide da manchmal das alte Hündchen, das inzwischen gar nichts mehr hört.

Der ursprünglich ungarische Straßenköter heißt tatsächlich so: das Hündchen. Mein Mann hat sich damals bei der Namensgebung durchgesetzt, da kann man nichts machen. Naja, Sie wissen schon. Und je älter und zerzauster und zahnloser sie wird, umso weniger will der Name passen. Aber seis drum. Stocktaub ist das alte Hündchen jedenfalls, stocktaub und ein bisschen dement. Darf man auch sein, wenn man 15 Hundejahre alt ist. Ursprünglich hat die Kleene richtig gut gehört, sogar gehorcht, aufs Wort, sozusagen. Nun hört sie nichts mehr.

Neben ihr könnte eine Bombe explodieren, sie würde nicht mal mit der Wimper zucken. Silvester ist inzwischen ein reichlich entspanntes Fest: wurde Hündchen früher komplett hysterisch und saß im besten Fall zähneklappernd unter irgendeinem Bett, schaut sie nun mit freundlichem Desinteresse aus dem Fenster auf all das Geknalle und Gezische, auf den Rauch und die Flammen. Wenn sie das ganze Theater überhaupt mitbekommt. Mir scheint das, wie gesagt, beneidenswert. Im tatsächlichen wie im übertragenen Sinne.

Spaziergänge in Gottes freier Natur werden allerdings nicht unbedingt einfacher, wenn man ein stocktaubes Hündchen dabei hat, das noch dazu nicht immer auf der Höhe seiner geistigen Fähigkeiten ist. Manchmal sieht das Hündchen unsichtbare Monster am Ende des Weges, die es zu bekämpfen gilt. Dann schießt sie wie in alten Zeiten los, brüllend und kläffend, wie ein alter Hund so eben noch brüllen und kläffen kann. Es hat etwas sehr Rührendes. Wenn statt des unsichtbaren Monsters allerdings unschuldige Spaziergänger des Weges kommen, ist das weniger rührend, aber das ist jetzt wieder eine andere Geschichte.

Manchmal geht das Hündchen unterwegs auch seine ganz eigenen Strecken, die mit den meinigen nicht unbedingt etwas zu tun haben. Biege ich rechts ab, geht das Hündchen gedankenverloren links, drehe ich um und mache mich auf den Heimweg, trippelt sie stoisch weiter geradeaus. Neulich schloss sie sich einer wildfremden Frau an, die optisch wenig mit mir gemein hatte, sicher einen Kilometer weit scharwenzelte sie um die Dame herum, während ich irgendwo im Gelände stand und mir die Seele aus dem Leib brüllte. Ich hätte mir das schenken können, ja, klar, aber ich folge da einem jahrelang eingeübten Verhalten, das sich nur schwer abstellen lässt.

Aber ich lerne ja dazu. Ist das taube Hündchen mal wieder auf Abwegen, sehe ich ihr jetzt einfach hinterher und warte, bis sich Madame vielleicht mal umdreht. Das dauert mal länger, mal kürzer. Sobald sie endlich zu mir zu schauen scheint, springe ich augenblicklich wie ein Hampelmännchen auf und nieder, ich wedele mit den Armen hoch über dem Kopf und gebe merkwürdige (wenngleich unhörbare) Laute von mir. Kommt sie dann fröhlich angerannt, lachend übers ganze Hundegesicht (ja, Hunde können lachen), hampele ich weiter und lache auch. Hunde können nämlich die menschliche Mimik lesen, ganz im Gegensatz zu allen anderen Haustieren, ja, da staunen Sie. Also hample ich und lache mein breitestes Lachen, damit Hündchen weiß, was Sache ist. Hurra, Hurraaaa, das Leben ist schön, heißt die geheime Botschaft.

Falls Sie also in diesen wildbewegten, anstrengenden Zeiten eine wirre Person auf dem Acker sehen, die wie eine Bekloppte auf und nieder springt , mit den Armen wedelt und dabei lacht: Das bin ich. Trotz aller grässlichen Zustände auf dieser Welt.

  • 9 Kommentare
  • derbaum 28. Februar 2020

    danke fürs lächeln am freitagnachmittag! geschrieben mit einem kater zwischen mir und monitor. der ist nicht taub hört aber trotzdem nicht…

  • Hauptschulblues 28. Februar 2020

    H. versteht das gut, hatte auch Hunde.

  • Franziska 29. Februar 2020

    Einmal “Hündchen” hätte gereicht. Hab Dir dennoch einen Like gegeben. Die Intention versteh ich als Dorfkind + ziemlich viel Gewusel sehr gut.

    • LandLebenBlog 29. Februar 2020

      Danke für den Hinweis. Ich wusste erst gar nicht, was Dein Problem ist. Der arme Hund heißt tatsächlich so: Hündchen. Ich hab das mal noch eingefügt. ;-)

      • Franziska 8. März 2020

        Du wirst es überleben, auch einmal Kritik gesendet zu bekommen. Nicht ich bin das Problem, sondern Du. Du solltest Deine aggressive Art nicht weiter herumtragen. Der Text trieft davon.
        Es ist ein gut gemeinter Hinweis.

  • Schwester von... 29. Februar 2020

    Na danke, da weiß ich Bescheid, was auf mich zukommt, der Prinz war 12, und erfreut sich Gott sei Dank bester Gesundheit… Aber irgendwann, wer weiß… Wird spannend… Und bei den schlechten Nachrichten werde eher ich taub als der Prinz… Schönes Wochenende für euch.. Mit viel Lachen..

  • Schwarzes_Einhorn 1. März 2020

    Öhm… Hundeleine?
    Unsere alte Dacledame mußte mit 16 dann doch gelegentlich an die Leine, wobei ich nicht sicher bin, ob es Trotz oder Schwerhörigkeit war.

    • LandLebenBlog 2. März 2020

      Darauf läuft es immer öfter hinaus….

  • Klaus 9. März 2020

    Danke für den Beitrag :-)

    (Auch wenn ich immer vor mich hingrummele, wenn ein großer Hund ohne Leine auf mich zugeschossen kommt …)

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