Was schön war.

17. Februar 2019

Drei Tage lang absolute Ruhe, Stille, Einsamkeit genießen. Kein heimisches Telefon, kein Händi, kein Büro, keine Haustürklingel. Dafür Sonne und klare Luft. Gut, auf den Schnee hätte ich verzichten können, aber auch der war hübsch anzusehen, und wer rauf auf 700 oder 800 Meter fährt, hätte ja sowas ahnen können, wenn er/sie nur einen einzigen Moment nachgedacht hätte. Ähem.

Nichts reden müssen, drei Tage lang. Und nicht zuhören müssen. Nur hin und wieder bedeutungsschwangere Sätze von sich geben wie Ich hätte gerne einen Kaffee. Oder Zahlen, bitte. Der längste gesprochene Satz dieser Tage war vermutlich meine Äußerung Ich hätte gerne das Rehgulasch mit den Spätzle und dem Rosenkohl und dazu ein Glas Hefeweizen, alkoholfrei. Siebzehn Wörter, flüssig aneinander, ein wahrer Wortschwall, der da aus mir herausbrach. Ich bekam selber einen Schreck.

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Die rüstige Wander-Rentner-Gruppe im Hotel, allesamt gefühlt pensionierte Grundschullehrer oder Oberstudienräte, – sie erscheinen am Frühstücksbuffett in Adiletten und anderen Gummischlappen und stehen zögernd vor dem großen, gedeckten Tisch. Heute machen wir das mal so:, befiehlt einer der Adiletten-Herren, heute setzen sich mal alle da hin, wo sie wollen! Die anfängliche Unsicherheit weicht einem aufgeregten Geschnatter. Abenteuer-Urlaub, ich sage nur Abenteuer-Urlaub.

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Wandern im deutsch-deutschen Grenzgebiet. Da, wo sich Nato und Warschauer Pakt bis an die Zähne bewaffnet gegenüberstanden, auf ein paar Dutzend Meter nur. Hier und da ein alter Wachturm und ein bisschen rostiger Stacheldraht und jede Menge Geschichte und Geschichten. An den Herrn Trump denken, der von einer schönen, hohen Mauer träumt. Man möchte kotzen. Das ist nicht schön. Aber schön ist, wie unbeschwert hier inzwischen Wanderer, Spaziergänger, Langläufer unterwegs sind und sich zwischendurch unbefangen fragen Sind wir jetzt eigentlich grade in ehemals West oder ehemals Ost?

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In einem Lädchen dann doch ein bisschen geschwätzt, mit der Verkäuferin, über deutsch-deutsche Vergangenheit. Genauer gesagt, sie schwätzt, ich höre zu. Ihre bis heute beste Freundin hat sie kennengelernt durch einen Ballonwettbewerb für Kinder. Ihr Westballon flog mit einem Briefchen und dem Wind tief hinein in die DDR, in den Siebziger Jahren war das, so entstand erst eine kindliche Brieffreundschaft über die Grenze hinweg, daraus eine tiefe Erwachsenen-Freundschaft. Als die beiden sich erstmals auf DDR-Gebiet treffen wollten, musste die Westlerin auf dem Visum angeben, ob und wie ein Verwandtschaftsgrad und ein Grund für die Reise in die Ostzone vorlag. Sie habe damals wahrheitsgemäß Kinder-Ballonwettbewerb auf das Formular geschrieben, aber irgendwie fanden die DDR-Behören das wohl unpassend.

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Kein Tag ohne Horizonterweiterung: In einem ansonsten eher unauffälligen Rhön-Dorf steht die größte Kirchenburg Deutschlands, ja, so habe ich auch geguckt. Ich wusste nicht mal, was eine Kirchenburg ist, aber es ist genau das, was der Name sagt, eine Kirche, die zur Burg ausgebaut wurde. Eine wahre Festung, um allerlei Feinde abzuhalten, die durch die Jahrhunderte immer mal wieder vorbeischauten und Stunk machen wollten. Ein feste Burg ist unser Gott und so, naja, Sie wissen schon. Absolut spannend, ich kann das sehr empfehlen. Ich verlinke Ihnen da noch was unten. Überhaupt finde ich ja diese kleinen Perlen am Wegesrand immer sehr viel beglückender als die üblichen Touristen-Hotspots. Aber das ist jetzt wieder eine andere Geschichte.

Überhaupt ist die ganze Rhön schön, das reimt sich nicht nur, das stimmt sogar. Den Wanderfreunden unter Ihnen kann ich den Hochrhöner empfehlen, auf dem war ich schon zweimal zu Fuß unterwegs, je eine Woche, jeweils so an die 120 Kilometer, von Herberge zu Herberge. Ich werde das wiederholen müssen, es gibt da oben noch einen Haufen zu entdecken.

Und so alleine mit Hund unterwegs sein, ist auch schön, Frau Lieselotte kann man allerlei nachsagen, aber sie hat das mal wieder ganz großartig gemacht. Und ist in ihrer Schweigsamkeit eine vorzügliche Reisebegleiterin.

Und dass die Rhöner nicht nur Loipen spuren, sondern, wohl noch unaufwändiger, breite Wege mit der Walze plattwalzen, auf denen Langläufer und Wanderer gleichermaßen elegant durch den Schnee vorankommen, das finde ich auch ziemlich schön. Gibts das irgendwo im Odenwald? Wenn nein, bitte mal abgucken. Aber dalli.

Und hier noch ein paar Links:

  • 3 Kommentare
  • Steffi 17. Februar 2019

    Und man überlegt 2019 tatsächlich noch, ob man gerade in ehemals Ost oder West steht? Mmhh, ich glaube, das würde ich mich nur in Berlin fragen …
    Und eine Woche von Herberge zu Herberge in der Rhön? Da bin ich dabei, kein Witz!
    Steffi

  • Franziska 17. Februar 2019

    Gell, manchmal ist es ganz angenehm zu schweigen. Es gibt ja so Berufe, wie rasende Landreporterin…oder Call Center-Häschen, da braucht man so eine Sprechauszeit einfach. (Als sich das Call Center erledigt hatte, durfte mich keiner auf ein Gespräch festnageln, derjenige hätte keine Zunge mehr gehabt. Lach.)

    Ich bin dann mal schmökern in deinen Verlinkungen.

  • Hanne Zimmer 22. Februar 2019

    Schreibe selten Kommentare,
    egoistischer Weise lese ich mehr.
    Aber Nordheim, Ostheim…
    zeitweise wie zweite Heimat.
    Danke!

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