Was schön war.

29. März 2017

Ich sitze da dieser Tage mit einem jungen Mann auf der Terrasse eines Cafés in der Abendsonne, das Café liegt neben dem Fitness-Studio, in dem der junge Kerl eben noch sein Kraft-Training gemacht hat, und nun sitzen wir also hier und beraten darüber, wie er journalistisch etwas für sein Heimatland tun könnte. Er war vor seiner Flucht als offenbar erfolgreicher Radio- und Fernsehjournalist unterwegs und wohl weithin bekannt, ich habe Fotos von ihm im Internet gesehen, mit weißem Anzug und Fliege auf irgendwelchen Show-Bühnen, dazu das rabenschwarze Haar und das strahlende Lächeln, ein Bild von einem persischen Mann.

Jetzt will er wieder Radio machen, ein Internetradio vielleicht, für die Menschen in seiner Heimat, open-minded soll es sein, nicht immer nur Allah, Allah, Allah, sagt er, ein paar alte Kollegen und Mitstreiter hat er schon zusammengetrommelt, quer durch Europa. Wir sitzen da also und reden über allerlei journalistische und technische Fragen, sein Deutsch ist noch semigut, der Freund, den er mitgebracht hat, spricht schon deutlich flüssiger, so sitzen wir also zu Dritt bei Apfelschorle und alkoholfreiem Hefeweizen. Rund um das Cafe ist ordentlich Betrieb, junge Männer gehen zum Fitneßstudio nebenan, oder sie kommen von daher.

Und wie wir da so sitzen, nähert sich eben wieder ein Pulk von jungen Männern mit Sporttaschen, ich registriere ihre Frisuren und ihre Gesichter und Klamotten, ich setze mich ein bißchen aufrechter hin und nehme sie fest in den Blick, während sie auf uns zukommen. Ok, denke ich bang, was mache ich, wenn die jetzt das Pöbeln anfangen, wie reagiere ich, wenn sie irgendeinen rassistischen Scheiß loslassen, vielleicht wollen die sogar richtig Streß und werden handgreiflich, was soll ich da bloß tun? Ich denke hektisch darüber nach, es gab da doch irgendwelche Anleitungen für die Praxis, Deeskalation und so, bloß nicht zurückpöbeln, herrjeh, wie war das noch.

Die Truppe umringt unseren Tisch und meine Gesprächspartner strahlen die jungen Männer an, Ey Alter, was geht?, sagt der eine lachend und sie schütteln die Hände der jungen Männer, warst Du schon Gewichte stemmen oder kommst Du noch mit ins Studio? fragt ein anderer, Alles klar bei Euch? wollen die jungen Kerle wissen, was macht die Ausbildung?, meine Gesprächspartner erzählen ein bißchen, dann wird gelacht und gewunken, ja, Tschüß, bis zum nächsten mal!, und ich sitze da wie ein Volltrottel mit meinen Schubladen im Kopf, das ist in diesem Fall ein pädagogisch durchaus wertvolles Gefühl, ich kenne keinen dieser Menschen, während meine zwei persischen Freunde offenbar schon bestens sozialisiert sind.

Ich ziehe also die Klischeeschublade im Hinterkopf kleinlaut wieder auf und setze die jungen Männer behutsam wieder an die frische Luft, sorry, Männer, das war meinerseits dann wohl ein Griff ins Klo, wir reden noch kurz über die Idee mit dem Internet-Radio, dann muss ich los, und mein persischer Kollege besteht darauf, die Rechnung zu bezahlen. Beim nächsten Treffen gerne wieder hier, sagt er, es ist hier wirklich immer nett. 

Ein Symbolbild.

 

 

 

  • 3 Kommentare
  • Rosi 30. März 2017

    ja..
    so kann es gehen
    die (Vor ) Urteile sitzen fett im Kopf
    und obwohl wir die Menschen nicht kennen meinen wir doch alleine auf Grund von Aussehen uns ein Urteil erlauben zu können
    gut dass man immer mal wieder eines Besseren belehrt wird
    LG
    Rosi

  • Seifenfrau 30. März 2017

    ja….
    Ob wir wollen oder nicht, diese Klischeeschublade haben wir wohl alle im Kopf.
    Es gibt sie in verschiedenen Größen, denk ich mal.

  • Kari 31. März 2017

    Hach, was ist es schön, wenn mal jemand zugibt, dass er/sie auch nicht frei von Vor-Urteilen ist! Jeder Mensch sollte hin und wieder sein eigenes Vorurteils-kämmerlein auf machen und den Inhalt überprüfen. Irgendwas ist immer drin, was weg kann. Und wer behauptet er hätte keines… oh je, sehr gefährlich…. ich wollte mich ja nur für deine Offenheit bedanken. LG Kari

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