WMDEDGT.

5. November 2016

Die brüllende Bloggerin von nebenan möchte heute mal wieder wissen, was die Blogger und Bloggerinnen der Welt eigentlich so den ganzen Tag machen, kurz wmdedgt, oder auch: Was Machst Du Eigentlich Den Ganzen Tag?

Samstag ist nun bekanntermaßen der Arbeitstag schlechthin in ländlichen Regionen, und so halte ich das heute auch. Es gibt quasi noch kaum einen Tag, an dem ich so ländlich unterwegs war wie heute, Daseinsvorsorge, Dorfkultur und Integration, alles inklusive, also bitte, überzeugen Sie sich selbst. Wer weiß, wann ich jemals wieder meinem Ruf als selbsternannte Landfrau so gerecht werde wie heute. 

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In aller Frühe geht es raus mit den zwei Hunden, es regnet wie aus Eimern, da kann ich gleich den neuen Hut einweihen. Nein, ich bin eigentlich kein Fan amerikanischer Kopfbedeckungen, aber alles besser als verschmierte Brillengläser und Getropfe in den Kragen. Also, Hut ing’wiehe, wie man hier zu sagen pflegt.

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Und weil das Wetter nun besonders scheußlich ist, kommt aus dem Nachbardorf der Holzmann angebrummt, 5 Ster bringt er mit dem Traktor, rein in die Garage, aufsetzen müssen wir dann leider selber. Wird auch Zeit, nächste Woche rutscht die Schneefallgrenze angeblich unter 400 Meter.

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Dann geht es zum klitzekleinen Dorfmuseum ein Dorf weiter. Der klitzekleine Dorfmuseumskeller steht voll mit gefühlten zwei Millionen Ausstellungsstücken, die müssen hier raus und in ein Zwischenlager, bevor die Maler und die Handwerker den Keller neu gestalten sollen. Ich bin nun neuerdings Mitglied im Museumsverein, ja, da staunen Sie, aber solche Sachen muss man unterstützen. Und Arbeitseinsätze am Samstag gehören da nun manchmal mit dazu.

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Außerdem sollen ja noch Helfer kommen, also alles halb so schlimm. Ein paar Kerle aus der Flüchtlingsunterkunft waren gefragt, ob sie mit anpacken, erst hatten vier zugesagt, dann zwei, dann wieder vier, dann acht, dann nur noch zwei, was weiß denn ich. Zum vereinbarten Zeitpunkt heute früh ist keiner da.

Sehr deutsch gucken wir auf unsere Armbanduhren, aha, schon fünf Minuten über der Zeit, aha, aha, naja, das war wohl nichts, sehr deutsch wiegen wir die Köpfe, aha, aha, naja. Dann müssen wir es halt alleine schaffen.

Sechs Minuten nach der sehr deutsch vereinbarten Zeit stehen sieben junge Männer aus Syrien und dem Irak vor dem Odenwälder Dorfmuseum, grinsend und hochmotiviert, und ich ärgere mich über mich selber. Sie schuften wie die Brunnenputzer, schleppen Töpfe, Wannen, Tiegel, altes Ackergerät und schwere Schränke die Gänge lang, die Treppen rauf, zu dritt, zu viert packen sie an, wuchten gusseiserne Maschinen übers Gelände, rücken schwere Eisenherde. Fast sind sie enttäuscht, als wir nach nicht mal zwei Stunden fertig sind und alles besenrein im Keller ist.

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Dann wollen sie noch das eigentliche Dorfmuseum anschauen, dürfen wir da rauf und gucken?, im Instrumentenzimmer setzt sich einer ans Klavier und spielt eine Honkytonk-Version von jingle bells, ausgerechnet; in der alten Dorf-Barbier-Stube kriegen sie sich nicht mehr ein vor Lachen und machen Selfies mit Perücken.

Wir haben jede Menge Spaß und radebrechen mit Händen und Füssen, Odenwälderisch, Englisch, syrisch-Arabisch und irakisch-Arabisch, alles durcheinander. Und am Ende, nachdem sie für uns geschuftet haben, laden sie uns zu sich in die Unterkunft auf einen Kardamom-Kaffee ein, das ist ein bisschen verdrehte Welt und irgendwie beschämend, aber der Kaffee äußerst lecker und die Stimmung bestens. Und ich habe jetzt ein paar neue Freunde, nicht nur auf facebook und Whatsapp.

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Zuhause wieder Holz setzen und nebenbei Suppengemüse einsalzen, fünf Kilo Gemüse häckseln und durch den Fleischwolf drehen, das dürfte für ein halbes Leben reichen, Daseinsvorsorge nennt man sowas auf dem Lande. Man könnte es auch Scheißarbeit nennen, aber wer würde soetwas denn sagen, der Lohn ist, dass es schmeckt und dass wir nie mehr Maggi brauchen.

Und nochmal raus, das nervt sogar die Hunde, allein, es hilft ja nichts. 17 Uhr, und langsam wird es dunkel, das nervt mich noch viel mehr. Hat aber auch den unschlagbaren Vorteil, dass man sich nun, nach getaner Landfrauenarbeit, auf das Sofa legen und ein bisschen lesen kann. Und vielleicht bleibe ich da einfach liegen, bis heute nacht oder bis morgen früh.

bst

 

 

 

  • 18 Kommentare
  • Waltraud 5. November 2016

    Jo, ein ganz typischer Samstag aufm Land ;-) Viel Spass beim Ausruhen :-)

    • LandLebenBlog 5. November 2016

      Eben. ;-)

  • Rosi 5. November 2016

    wie herrrrrrlich..
    ich beeumel mich hier.. wie man bei uns so sagt..
    dann war es ein äusserst erfolgreicher Tag und du (darf ich eigentlich so einfach du sagen??? ) hast dir die Couch redlich verdient..
    ich finde es ganz toll dass die Jungs so fleissig mit angepackt haben und dass da vielleicht weiter gehende Bindungen entstehen..
    hab einen schönen hoffentlich trockenen Sonntag
    liebe Grüße
    Rosi

    • LandLebenBlog 5. November 2016

      War wirklich eine super-Aktion und die Jungs ausnehmend nett, soweit man das sagen kann, wenn man kaum eine gemeinsame Sprache hat.

  • Astridka 5. November 2016

    Ghislana/Jahreszeitenbriefe würde dein Museumserlebnis als “Spur des Gelingens” posten. Mich hat es gerührt & gefreut.
    Jetzt: Quality couch time!
    Von Herzen
    Astrid

    • LandLebenBlog 5. November 2016

      Spur des Gelingen? Das klingt spannend, da muß ich also gleich schon wieder googlen. Du immer mit Deinen Hinweisen! ;-)

      • jahreszeitenbriefe 14. November 2016

        Ja, nun bin ich wieder da und habe nach Astrids Wink diese eure feine Museums-Spur heute sogleich aufgenommen und zu meinen Montags-Mandala-Gedanken verlinkt. Danke! Lieben Gruß Ghislana

        • LandLebenBlog 15. November 2016

          Danke! ;-)

  • Antje 5. November 2016

    Magst du das mit dem Suppengemüse mal erläutern ?!

    • LandLebenBlog 5. November 2016

      Angeblich ganz einfach: Gleiche Teile Sellerie, Lauch, Petersilienwurzel, Möhren und Tomaten, alles häckseln oder durch den Fleischwolf, im Verhältnis 1:5 Salz dazu, eine Nacht stehen lassen, dann in Schraubgläser, fertig. So weit die Theorie. Schaun mer mal. ;-)

  • Curt 6. November 2016

    Hallo, was heißt hier Salz dazu: Entscheidend ist, dass das Salz im selben Verhältnis steht wie die Gemüsesorten, also immer jeweils genau 1 Teil. Das Ganze dann über Nacht in einer großen Schüssel ziehen lassen und vor dem Abfüllen in Gläser nochmal kräftig durchmischen. Hält 2 Jahre und das jeweils angebrochene Glas stets in den Kühlschrank!

    • LandLebenBlog 6. November 2016

      Genau so. Die Anweisung war ja unmissverständlich. :-)

  • HDValentin 6. November 2016

    Ich liebe es Deine Texte zu lesen und mich an Deinen Fotos zu erfreuen. Danke fürs teilhaben lassen und Deinen Humor!

    Die Geschichte mit den neuen Mitbürgern hat mich gerührt. Die Erfahrungen die Du gemacht hast, decken sich mit meinen.

    Liebe Grüße aus dem nahen Heidelberg. Valentin

  • Kari 7. November 2016

    Bin soeben über deinen Blog gestolpert. WMDEDGT hat mir saugut gefallen. Ich mag deinen Humor und den Umgang mit den Geflüchteten. Bin ab jetzt Follower.
    Herzliche Grüße
    Kari

  • HDJasmin 8. November 2016

    Dein Text hat mich berührt!
    Danke!

  • Edith 14. November 2016

    Und ich bin – glaube ich – neu hier, komme von Ghislanas Blog.
    Der Beitrag gefällt mir sehr. So ein Landfrauentag hat was,
    unterscheidet sich aber auch nicht sehr vom Stadtfrauentag.
    Eine gute Woche und liebe Grüße
    Edith

    • LandLebenBlog 15. November 2016

      Na, dann erstmal herzlich Willkommen!

  • Raumfee 15. November 2016

    Es wäre schön, viel mehr solcher Geschichten auch in der Presse zu lesen. Unkomplizierte, menschliche Geschichten, die zeigen, dass auch Fremde nahbar sind.
    LG, Katja

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