Politik des Gehörtwerdens.

9. Dezember 2014

Sehr geehrte Frau Staatsministerin,

liebe Frau Krebs,

 

 

Ja, sowas Dummes aber auch! Da waren Sie nun mal wieder in der Region, und ich hab Sie verpasst. Schade! Trotzdem supi, daß Sie da waren. Ich habe in der Zeitung davon gelesen. Dolle Sache!

 

Ist ja überhaupt gut, sich mal in den strukturschwachen Regionen Baden-Württembergs umzuschauen. Gerade wir Hinterwäldler haben ja manches Mal den Eindruck, in der Politik nicht recht gehört zu werden. Sie wissen schon: Minderwertigkeitsgefühl und so.

 

Aber zum Glück propagiert auch unser Landesvater ja die Politik des Gehörtwerdens. Da freuen gerade wir im finstren Wald uns sehr. Denn wie gesagt: wir haben manchmal das Gefühl, uns nimmt man nicht so ernst.

 

 

Also: Vorbildlich, daß Sie jetzt mal wieder da waren. Weil Sie uns eben doch sehr ernst nehmen.

 

 

Klasse Idee, ein Meinungsforschungsinstitut zu beauftragen, uns hier mal so richtig aufs Maul zu schauen. Im Rahmen einer Fokusgruppenbefragung ein paar ausgewählte Bürger zu einer Versammlung einladen, und dann: Feuer frei!

 

 

Leute, wo drückt Euch der Schuh? Immer raus damit! Keine Scheu, wir wollen alles wissen! Wir begleiten das auch wissenschaftlich, damit die Sache Hand und Fuß hat. Schließlich will die Landesregierung wissen, was das Volk so denkt. So ein Engagement begrüße ich. Der Draht zwischen Volk und Regierung könnte nicht direkter sein.

 

 

Liebe Frau Krebs, das ist ja klar, daß Sie das nicht versäumen wollten, diese Bürgerversammlung tief im Odenwald. Logo. Politik des Gehörtwerdens und so.

 

Mir ist auch völlig klar, warum Sie da inkognito waren, also unerkannt. Ich meine: eine Grüne, tief im CDU-Land, undsoweiter? Bei den Odenwäldern weiß man nie. Mal unter uns: Ich bin ja zugezogen und wähle auch nicht immer CDU, ich weiß also, wovon wir reden, zwinkerzwinker. Im Oudewald is schnell mal druffgeschlage’. Sagt man ja so. Ist vielleicht ein bißchen übertrieben, aber wer weiß das schon? Sicher ist sicher. Sind Sie also anonym hin.

 

 

Do hinne, wo die schwärzesten Keiler leben, da erkennt Sie ja zwar ohnehin kein Mensch, aber bevor Sie sich eine blutige Nase holen….nein, ich verstehe das. Und wenn es um dem Odenwälder seine Alltagsprobleme geht, lang ersehnte Umgehungsstraßen, drohender Abzug der Bundeswehr, Aussterben der Ortskerne, fehlende Fachkräfte – da kann schon mal eine handfeste Schlägerei entstehen, Also nur gut, daß Sie sich nicht geoutet haben!

 

 

Ich verstehe auch, daß Sie gar nicht wirklich bei der Bürgerversammlung waren, um dem Volk aufs Maul zu schauen und Gehör zu schenken, sondern daß Sie lieber in einem Nebenraum Platz genommen haben. Vor einem TV-Gerät. LiveÜbertragung der Gespräche nebenan. Bei einem guten Grauburgunder.

 

Schon allein das Glas Wein hätte Sie verdächtig gemacht do hinne, wo wahrscheinlich alle nur Bier saufen. Und wahrscheinlich gabs bei der LiveÜbertragung auch hochdeutsche Untertitel der Wortbeiträge, denn der Odenwälder an sich redet ja so breiten Dialekt – Sie hätten gar nichts verstanden! Also nur nachvollziehbar, daß Sie die live-Übertragung OmU vorgezogen haben. War auch zum Notizenmachen sicher besser, da im Nebenraum, in aller Ruhe, is ja klar.

 

Das Gespräch wäre schließlich nicht dasselbe gewesen, wenn die Ministerin am Tisch gesessen hätte, sagt ein Wissenschaftler. Meine Rede. Die Odenwälder hätten vor lauter Schreck das Maul nicht aufgekriegt. Oder gehauen, siehe oben.

 

Schade, daß Sie dann sehr schnell verschwunden sind, offensichtlich immernoch inkognito. Ich hätte Sie – wie gesagt – gerne mal getroffen. Gerne da im Nebenraum, da hätten wir mal ein bißchen plaudern können, über den Odenwälder an sich. Über die strukturschwachen Räume und über die Probleme der Leute hier. Ich als Zugezogene hätte Ihnen da Sachen erzählen können…!

 

Naja, ist müßig, darüber nachzudenken, denn die Presse war ja unerwünscht an diesem Abend, von wegen wissenschaftliche Fokusgruppenbefragung und so. Nachvollziehbar, trotzdem schade.

 

Egal! Vielleicht klappts ja beim nächsten Mal!?

Kommen Sie doch gerne wieder.

 

Herzliche Grüße,

 

undsoweiter undsoweiter.

 

 

 

Den Zeitungsbericht der Fränkischen Nachrichten von Ihrem Besuch können Sie HIER nochmal abrufen. Für die Akten. Oder ganz aktuell von heute, die Rhein-Neckar-Zeitung: Sturm im Wasserglas. Sag ich doch.

 

 

 

 

 

 

 

 

  • 8 Kommentare
  • Matthias Eberling 9. Dezember 2014

    Warum ist die Politikerin überhaupt in den Odenwald gekommen? Die Übertragung hätte sie doch auch in ihrem Stuttgarter Büro oder auf dem Smartphone in der Badewanne sehen können.

    • Brigitte Augspurger 9. Dezember 2014

      Na, der alltägliche Büromief, die heimische Badewanne gegen so’nen Ausflug in die frische Luft der Provinz – als Dienstreise abzurechnen?

      • LandLebenBlog 9. Dezember 2014

        Naja, und wenn man halt mal ganz dicht dran sein will am Volk…

    • LandLebenBlog 9. Dezember 2014

      Frage ich mich so gesehen auch.

  • Astridka 9. Dezember 2014

    Ist schon arg, die Geschichte! Politikverdrossenheit fällt nirgendwo vom Himmel…
    LG
    Astrid

    • LandLebenBlog 9. Dezember 2014

      Aber du siehst (falls die Zahl der Kommentare im Verhältnis zur zahl der Leser dieses Beitrags maßgeblich wäre): es scheint niemanden aufzuregen.

  • Ilonka 10. Dezember 2014

    sowas nennt man “bürgernahe” Politik und bürgernah war die Ministerin schon. Es war halt nur eine Wand dazwischen. Aber sicher verständlich bei der derzeit herrschenden Bakterien- und Virenschwemme. Das kann man doch einer Politikerin unseres Volkes nicht zumuten!! Stellt euch mal vor, sie trägt die Odenwälder Bazillen ins Ministerium und reicht diese dann auch noch rum, unsere Landesväter und -mütter wären vor Weihnachten auch noch handlungsunfähig.:-))))

    Doch Friederike es regt auf, aber ich hörte vor Kurzem einen guten Spruch:
    “es ist gesünder sich zu wundern, als sich zu ärgern”.

    • Brigitte Augspurger 12. Dezember 2014

      ‘s ärgert nicht, ‘s wundert nicht….. allem Anschein nach haben wir genau die Regierung, die wir verdienen.

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