Ausgeschlachtet.

11. November 2013
Dürfen wir vorstelen? Gerlne Gertraud und Trudi. Oder so ähnlich.
Dürfen wir vorstellen? Gerlinde, Gertraud und Trudi. Oder so ähnlich.

 

Wir kannten die Damen persönlich. Gestern abend haben sie dann ihre letzte große Reise angetreten, per PKW aus dem Nachbardorf Richtung unserer Kühltruhe. Das wars jetzt aber für diesen Winter, sagt unser freundlicher Hühnerlieferant, der die Tiere erst mit Hingabe großzieht, um sie dann ganz unsentimental um die Ecke zu bringen. Hat sich aus-geschlachtet für dieses Jahr.  Drei Hühner a jeweils 3 Kilo, damit müssten wir über die nächsten Monate hinkommen.

Küchenfertig zubereiten müssen wir sie selber. Ist nicht immer lecker. Hilft aber nix, wenn man nun mal Fleisch essen will.

Hähnchenklein. Sauerei.
Innenansichten vom Huhn. Eine Sauerei.

 

Am Anfang habe ich mich schwergetan. Mit der Zubereitung,  vorallem aber mit dem Geschmack. Ich kannte  nur Hähnchenfleisch, das – 1,99 fürs Kilo  –  auf der Zunge zerging wie Mehlbrei. Das hier schmeckt nach frischer Luft und viel Bewegung. Eine Herausforderung für die großstädtisch geprägte Kaumuskulatur.  Gewöhnungsbedürftig zunächst. Heute würde ich etwas anderes nicht mehr essen wollen, und selbst im Restaurant mache ich einen Bogen um Geflügelgerichte, wenn ich nicht weiß, wo und wie das Tier aufgewachsen ist. Nicht nur wegen bio und öko und schlechtem Gewissen und erhobenem Zeigefinger, sondern auch und vorallem wegen des Geschmacks.

 

Das sind meine eigenen. Die werden nicht gegessen. Sentimentale Großstädterdoppelmoral.
Das sind meine eigenen. Die werden nicht gegessen.
Sentimentale Großstädterdoppelmoral.

 

 

Wildfleisch und Geflügel bestimmen unseren Speiseplan. Reh und Wildsau vom Jäger, die Hühner, siehe oben, aus der Nachbarschaft. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal einen Braten bei einem Metzger gekauft habe.

 

Während mir der Jäger hier das Reh verzweifelt hinterherwirft, für 5 bis 10 Euro das Kilo, küchenfertig zubereitet, verpackt und ordentlich mit Abschuß-Datum versehen, müsste ich in München auf dem Viktualienmarkt aktuell 40 Euro für das Kilo Rehrücken hinblättern. Immer noch 18 Euro für ein Kilo Gulasch. Und wüsste dann noch nicht einmal, ob es sich um ein weißrussisches, tschechisches oder deutsches Reh handelt. Womöglich eines aus dem Aufzucht-Gehege, ungenießbar inzwischen für unsereinen.

Für das glückliche drei-Kilo-Huhn aus dem Nachbardorf zahle ich 20 Euro. Sieben Euro fürs Kilo. Ein Bioland-Hühnermann in der Stadt verlangt derzeit so um die 11 Euro fürs ganze Huhn, wer nur die Brust haben will, ist dann schon mit 28 Euro fürs Kilo dabei.

Landleben als absoluter Luxus. Ein Luxus auch fürs ökologischethische Gewissen. Einer, den ich mir zugegebenermaßen so nicht erlauben könnte, wenn ich noch in der Stadt leben würde.

 

Und die Moral von der Geschichte? Keine Ahnung. Alles furchtbar kompliziert. Seitenfüllend. Abendfüllend. Unbefriedigend. Und ich muß jetzt eh in die Küche, nach dem Hühnerfond schauen, den wir stundenlang simmernd  aus Getrudes, Gerlindes und Trudis Resten dann auch noch machen. Für den Winter.

 

 

 

  • 16 Kommentare
  • dieimwaldlebt 11. November 2013

    Ich finde es toll, wenn man das kann. Ich kann es leider nicht. Bin ein Weichei. Aber richtig finde ich es. Wenn Fleisch essen will, dann muss man der Realitiät halt ins Auge schauen. Hut ab!

    • Friederike 12. November 2013

      Wie gesagt. welber schlachten mag ich auch nicht. Aber manchmal hab ich mich schon zum Zugucken gewzungen.

  • Akaleia 11. November 2013

    Wundervoller Beitrag, ich mag meine Eierspender auch nicht schlachten…Großstädterdoppelmoral..haha! Gut gesagt!
    HG sendet Dir
    Birgit

    • Friederike 12. November 2013

      Die Leute im Dorf können das, glaube ich, nicht verstehen. Die sehen das noch pragmatischer als unsereiner….

  • Manuela 11. November 2013

    Also ich kauf bei meinem Metzger, 1. weiß er wo das Fleisch herkommt, er besucht die Höfe, ich auch, da ich da auch hin kann und das Huhn bekomm ich auch vom Nachbardorf auch deren Eier, aber mit dem Luxus, dass ich sie küchenfertig zerlegt bekomme und da wir nur am Wochendende sprich
    Sonntag Fleisch essen, darf es dann auch Bio sein und wir haben hier einige Höfe, die genau das anbieten, zu reellen Preisen, wobei wir gerne
    für gutes Fleisch mehr ausgeben und da ja Sohnemann am Samstag auf Treibjagd war, hat auch er Anteile an REh- und Wildschwein, auch küchenfertig. Wir essen eigentlich nur Fleisch und Wurst von glücklichen
    Tieren, ich würde es auch fertig bringen die eigenen zu essen, wenn wir welche hätten, nur küchenfertig müsste sie jemand anders machen!
    Schönen Abend, ich muss wieder an den Stoff
    Manu

    • Friederike 12. November 2013

      Nur Sonntags Fleisch? Das ist ja besser als der grüne Veggie-Day…. Und nachdenkenswert, allemal.

      • Manuela 12. November 2013

        Ja, außer wir haben was davon übrig, dann gibt es Mittwochs nochmal
        und es der Wachstum der Jungs verlangt hat, gab es mal eine extra
        Portion zwischendurch….das geht ganz gut so und man spart auch
        GEld dabei und ich hab einmal die Woche saugutes Fleisch auf dem
        Teller, das reicht finde ich. Außer ich mach Hühnersuppe oder
        Rindfleischsuppe, da ist ja auch was drinnen, aber nicht in dem
        Maße.

  • Ilonka 12. November 2013

    Hallo Friederike, kannst du den Jäger nicht mal in meine Richtung schicken, ich würde mich gern als Wildabnehmer “opfern”. Ich habe mir langsam das Fleischessen abgewöhnt, denn hier im Großstadtspeckgürtel ist es sehr schwierig, Fleisch von glücklichen Tieren direkt ab Hof zu bekommen. Ich habe da schon ein paar Höfe “getestet” und dort waren die Tiere definitiv nicht glücklich.:-(

    Lasst es euch schmecken und ich werde weiter darben.

    VG Ilonka

    • Friederike 12. November 2013

      Ich denke immer, auch rund um die Großstadt gibt es doch Jäger. Oder Forstämter, die schießen ja auch. Einfach mal recherchieren!

  • arboretum 12. November 2013

    Sofern es rund um die Großstadt Wald gibt, gibt es auch Jäger und Förster, die schießen. Die Forstämter verkaufen Wild küchenfertig, da bekommt man im Dezember auch günstig Zweige von Tannen usw.

    • Friederike 12. November 2013

      Küchenfertig und auch günstig, nehme ich an. Ich verstehe gar nicht, warum sich da nicht viel mehr Städter drum kümmern?!

  • arboretum 13. November 2013

    Ich erinnere mich nicht mehr genau, wie viel ich für das Frischlingsgulasch bezahlt habe. Die Zweige gab es jedenfalls unschlagbar günstig.

  • Annette Peters 13. November 2013

    Das sind ja Traumpreise fürs glückliche Geflügel! Ich bin hier mit 11 € / kg fürs Brathähnchen und 25 € / kg fürs Hähnchenbrustfilet dabei. Egal, ich zahl das gerne, denn geschmacklich ist es ein Traum, und 1-2 mal die Woche reicht dann auch. Ein schöner Ausflug aufs Land, und Großmutter Ehlers Lieblingsrezept gibt’s immer gratis dazu.

  • Regina 13. November 2013

    Ich stimme Dir vollinhaltlich zu, komplett, der ganze Artikel.
    Haben sich hübsch aufgestellt in Reih und Glied, Deine Schwarzen, unsere sehen fast genauso aus – zumindest auf den ersten Blick.

  • 2andahalf-Acres.net - Nicole 14. November 2013

    meine huehner sind ja bis jetzt nur fuer eierda! Ich moechte mir aber auch noch Fleischhuehner her holen, mal erlich diese vollgepumpte Antibiotika kacke was sie im Supermarkt kaufen istweder fuers Huhn je irgendwann toll gewesen (so ohne auslauf und sonne ect pp) noch ist es fuer uns Gesund! Ja, es ist nicht schoen, aber wie du auch sagtest – das gehoert dazu wenn man Fleisch ist, auch die vom Supermarkt werden nicht totgestreichelt :)

    • Friederike 15. November 2013

      Ich empfehle Australorps. robust und wetterfest, Eier- und Fleisch-Lieferanten. Aber eigentlich ja doch zu schön zum Schlachten. ;-)

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