Landlektionen.

17. April 2015
Foto: S. Hoschlaeger/pixelio.de
Foto: S. Hoschlaeger/pixelio.de

 

Was ich im Odenwald schon gelernt habe.

 

Heute: Gelächelt wird nicht!

 

 

 

Es gibt da diese Straßen im Odenwald. Was sage ich, Straßen. Es sind bessere Schleichwege, offiziell Gemeindeverbindungswege, schmal wie ein Handtuch, aber öffentlich befahrbar und als Straße ausgewiesen. Zumindest als Sträßchen. Rechts fetter Straßengraben, links steile Böschung, so in der Art sind sie meistens.

 

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Provinzanfänger geraten hier schon bei der Vorstellung ins Schwitzen, es könnte ihnen jemand entgegenkommen. Bei einem LKW oder einem Linienbus hilft nur Rückwärtsfahren, so weit, bis ein An-den-Rand-quetschen und Durchlassen möglich ist. Herrlich, das ist ja wie in Malawi!, pflegte die Afrika-erfahrene Freundin zu sagen, wenn es sie mal wieder fast in den Graben gedrückt hatte und beim wieder-raus-Fahren die Reifen durchdrehten und der Modder nur so um das Auto spritzte. Besonders apart wird es auf diesen Straßen bei spiegelglattem Eis und Tiefschnee, aber das ist jetzt wieder eine andere Geschichte.

 

Ich bin inzwischen auch in dieser Hinsicht ein alter Hase. Bin fast täglich auf solchen Avenidas unterwegs. Mich kann da also nicht mehr viel erschüttern. Im Gegenteil: Auf Straßen, die nur gefühlte 20 Zentimeter breiter sind als mein eigenes kleines Auto, finde ich Gegenverkehr eine äußerst amüsante Angelegenheit.

 

Während ich mich also – zuvorkommend, oder in vorauseilendem Gehorsam, nennen Sie es, wie Sie wollen -, während ich mich also rechts Richtung Straßengraben drücke, mich zentimetergenau vortaste, wild das Lenkrad hin- und herdrehe und mit den Füßen zwischen Gas, Kupplung und Bremse herumspringe wie der Organist auf den Pedalen an der Orgel, während Äste und Zweige des Waldes quietschend über den Lack der Beifahrertür kratzen, schiebt sich auf meiner Seite das entgegenkommende Auto vorbei, das Gesicht des Fahrers zum Greifen nah, getrennt nur durch seine und meine Fensterscheiben. Selten kommt man seinen motorisierten Mitbürgern so nah wie auf Odenwälder Gemeindeverbindungswegen. Die Grundregeln der Individualdistanz werden hier glatt ausgehebelt. Je dicker das Auto, desto größer die Probleme. Eben noch mit 80 Sachen hurtig unterwegs, jetzt ins behutsame Schneckentempo gezwungen. Der Gemeindeverbindungsweg als Metapher für das Leben, oder so.

 

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Für mich ein Grund zum Grinsen. Die Situation an sich ist ja verkrampft genug. Das Gesicht des Gegenübers ist es auch. Eine Mischung aus höchster Konzentration, Abscheu und Verärgerung. Jedes Mal. Wie kann ich es wagen? Zornig schiebt sich der Wagen Millimeter für Millimeter weiter, der Fahrer, die Fahrerin, sie gucken zum Steinerweichen, aber die steinerne Straße wird weder weich noch breit dadurch. Jetzt blooooß nicht lächeln!, rufe ich unhörbar durch die Fensterscheiben, und mein Gegenüber, eine Armlänge von mir entfernt, hält sich strikt an diesen meinen Rat. Öffnet manchmal seinerseits den Mund, aber was da herauskommt, will ich gar nicht wissen.

 

Mein Geo dreht in derlei Momenten gerne noch das Auto-Radio lauter. Auf in den Kampf! aus Carmen. Volle Pulle. Wüste Klavierkonzerte von Rachmaninow. Sowas in der Art, Sie wissen schon. Je enger es auf der Straße wird, desto mehr blüht Geo auf. Ich erinnere mich an Ausflüge in italienische Altstädte, als wir die Rückspiegel einklappen mussten, damit Geos Wagen zwischen den pittoresken Häusern überhaupt noch durchpasste. Am Ende der Gasse wartete eine echte italienische Treppe, so eine ganz romantische, wie aus dem Kino, da konnte nicht einmal mein Geo weiter. Also mit eingeklappten Rückspiegeln und unter Anteilnahme sämtlicher (sämtlicher.) Altstadtbewohner rückwärts wieder raus. Cazzo.

 

Wir finden soetwas zum Lachen.

 

Andere offenbar nicht.

 

 

 

P.S.

Seltene Ausnahmen bestätigen die Regel.

Undsoweiterundsoweiter. 

 

 

 

 

  • 7 Kommentare
  • Matthias Eberling 17. April 2015

    Mich erinnert das an die Sträßchen der englischen Countryside. Aber da sind dann links und rechts auch noch hohe Hecken. Was mich als Hobbysoziologe interessiert: Wie weiß man, wer bei einer Begegnung zurückweichen muss? Das schwächere dem stärkeren Fahrzeug? Geht es nach dem Alter des Fahrzeuglenkers bzw. der Zugehörigkeitsdauer zu einem Landstrich? Warum immer ich?

  • Manuela 17. April 2015

    Der in dem betr. Landstrich wohnt, weiß wie er wo ausweichen kann, er hat Heimvorteil, allerdings auch beim andre auf die Seite drängen…
    Hier funktioniert das auch manchmal mit Winkzeichen, also einer winkt, der bleibt dann bitte, bitte stehen und der andre wurschtelt sich an dem
    Vorbei und winkt auf gleicher Höhe aus Dankbarkeit auch ohne Lächeln, versteht sich! Ich frage mich aber auch immer regelmäßig, warum immer
    ich. Und noch was, die Alten besser fahren lassen und inständig beten,
    das der sein Auto soweit noch im Griff hat, was die Maße angeht und sich als Jüngerer in Sicherheit bringen….

  • Herr Ackerbau 17. April 2015

    Da muss man nicht aufs Land. Beidseitig zugeparkte enge Stadtstraßen (Schulzestraße/Pankow). Experten bleiben Kühler an Kühler stehen und klären das mit der Hupe. Vom Bürgersteig aus gesehen oft amüsant.

  • Provinzei 17. April 2015

    In den Bergen ist es einfach:
    Bergauf hat Vorfahrt.
    Im Schwäbischen auch, dort wo die Daimlerdichte sehr hoch ist. Stichwort Jahreswagen. Man kann sich denken, wer dann Vorfahrt hat, egal ob bergauf oder bergab.
    Und über die Fahrer mit Ihren roten Mostköpfen ( Moschtriebl) muss kein weiteres Wort verloren werden.

  • Manuela 17. April 2015

    Ach ja, wir haben hier vor der Tür eine Abfahrt oder Auffahert, kommt drauf an, von wo man kommt, auf jeden Fall einspurig. Unten steht ein
    Verbotsschild zum Hochfahren, außer Anlieger und den haben wir, mitten
    Drin…..dieser hat mich schon öfters genötigt, wenn er von unten kam
    Dass ich wieder rückwärts den Berg hoch fahren musste dazu kommt auch noch eine Kurve. Irgendwann bin ich danach aufs Polizeirevier gefahren und mich erkundigt wie das nun richtig wäre. Die wussten das auch nicht
    Und haben telefoniert und haben mir folgendes gesagt. Der, der den Berg
    hochfährt müsste ihn wieder runter fahren, weil das eindeutig einfacher ist und standen prompt am Nachmittag da, um sich die Sache genauer anzusehen. Sie haben dann sogar beim Nachbar geklingelt und ihm die
    Sache geschilder und von Nötigung gesprochen, falls er mich noch Mal
    diesen Berg hochfahrn lässt. Das ist auch schon ein alter Sturschädel…
    Und die Polizei bezeichne ich hier als meinen Freund und Helfer!

  • Liisa 17. April 2015

    Das kommt mir doch sehr sehr bekannt vor. Vor allem, wenn die Touristen anrücken, gibt’s solche Szenen fast täglich. Ganz besonders schön auch, wenn die großen Erntefahrzeuge unterwegs sind, die durchweg Überbreite haben. Da kriegt so mancher Autofahrer den Herzkasper. ;-)

  • Johannes zu Ach 18. April 2015

    Ha bei solchen Wegen blüht mein Herz erst richtig auf. Und immer daran denken Lächeln und winken !

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